Stellenwert neuer diagnostischer Optionen – Nicht-invasive pränatale Diagnostik des kindlichen Rhesus-(D)-Faktors (NIPD-RhD)

Ist eine aktive Immunisierung der Mutter gegen ein fetales Erythrozytenantigen eingetreten, stehen heute sowohl pränatal als auch postnatal Therapieoptionen zur Verfügung, die schwere Verläufe meist verhindern können. Invasive pränatale Eingriffe stellen jedoch ein beträchtliches zusätzliches und unabhängiges Risiko dar. Nunmehr ist es gelungen, durch nicht-invasive pränatale Diagnostik (NIPD) aus mütterlichem Plasma den fetalen Rhesusfaktor und auch andere klinisch relevante Antigene zu diagnostizieren, was unnötige invasive Eingriffe in der Schwangerschaft vermeiden lässt. Gleichzeitig kann durch diese Methode der Einsatz der Anti-D-Hyperimmunglobulinprophylaxe auf Gravide mit Rhesus-D-Antigen-positiven Feten eingeschränkt werden.

Immunologische Komplikationen in der Schwangerschaft

Aus immunologischer Sicht drängt sich der Vergleich zwischen einer Schwangerschaft und einem Fremdgewebe-Transplantat geradezu auf, doch er hinkt: Abstoßungsreaktionen, wie sie bei Transplantationen aufgrund differenter HLA-Antigene (Human Leucocyte Antigene) auftreten, werden in der Schwangerschaft nicht beobachtet. Warum dies so ist, bleibt bislang weitgehend ein Rätsel. Dennoch sind immunologische Komplikationen in der Schwangerschaft möglich und sie waren in der Vergangenheit sogar sehr häufig. Bis zum routinemäßigen Einsatz der Anti-D-Hyperimmunglobulinprophylaxe betrug die Inzidenz eines durch Anti-D-Antikörper ausgelösten MHN in Europa rund 7 Kinder auf 1.000 Schwangerschaften, wovon rund 60% therapiebedürftig waren. Rund 12% verstarben entweder intrauterin oder postnatal und in ca. 25% traten irreversible neurologische Spätfolgen auf. Dies entsprach in etwa einer Immunisierungsrate von 4% der RhD-negativen Mütter. Bei kombinierter Anwendung der prä- und postpartalen Rhesusprophylaxe (Tab. 1) beträgt diese Rate heute nur noch etwa 0,1%. Neben diesem eindrucksvollen Erfolg der Prophylaxe bestehen heute auch wesentlich verbesserte Möglichkeiten der Therapie (Tab. 2), wobei vor allem die intrauterine Austauschtransfusion zu nennen ist, mit der es meist gelingt, auch in schweren Fällen Hydrops oder Spätkomplikationen zu vermeiden. Dabei muss jedoch in Betracht gezogen werden, dass invasive intrauterine Eingriffe mit einem nicht unbeträchtlichen Eigenrisiko behaftet sind.
Der durch Anti-Rhesus-D ausgelöste MHN stellt jedoch nur den immer noch häufigsten Vertreter einer ganzen Gruppe von fetalen Immunzytopenien dar. Eine Vielzahl anderer Alloantigene humaner Blutzellen kann – wenngleich wesentlich seltener – zur mütterlichen Immunisierung führen, wobei neben erythrozytären Antigenen auch Antigene an Thrombozyten oder Granulozyten eine Rolle spielen und klinisch differente Krankheitsbilder verursachen können (neonatale Alloimmunthrombopenie, neonatale Alloimmunneutropenie).
Weiters können auch Autoimmunerkrankungen der Mutter, nicht selten durch Schwangerschaft getriggert, mit der klinischen Symptomatik von fetalen Immunzytopenien einhergehen.

Nicht-invasive Bestimmung des kindlichen Rhesus-D-Faktors

Entwarnung ist also grundsätzlich nicht angesagt, sehr wohl jedoch die kontinuierliche Verbesserung der Prognose. Seit Ende der 1990er-Jahre wurden Möglichkeiten zur nicht-invasiven pränatalen Diagnostik des fetalen Antigenstatus aus mütterlichem Blut sehr intensiv verfolgt, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Immunisierungen sind häufig im Rahmen vorangegangener Schwangerschaften oder Bluttransfusionen erfolgt und sagen per se nichts darüber aus, ob in der aktuellen Schwangerschaft tatsächlich eine Gefährdung für den Feten besteht. Statistisch beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine RhD-negative Frau, ein RhD-negatives Kind zu tragen, rund 35%. Ist dies rechtzeitig bekannt, kann in diesen Fällen auf jedwede engmaschige Diagnostik oder auf therapeutische Eingriffe in Hinblick auf MHN verzichtet werden.
  • Für die überwiegende Mehrzahl der nicht-immunisierten RhD-negativen Graviden kann die oft wiederholte antenatale Gabe der Anti-D-Prophylaxe unterbleiben. Dieser Aspekt ist in mehrerlei Hinsicht relevant:
    – Anti-D-Hyperimmunglobulin ist humanen Ursprungs- und die Aufbringung wird, nicht zuletzt durch die breite und erfolgreiche Anwendung, immer schwieriger (weniger immunisierte Spenderinnen)
    – Obwohl man davon ausgehen kann, dass Immunglobulinpräparate bedingt durch den pharmazeutischen Produktionsprozess keine virulenten Erreger mehr enthalten, muss dennoch von einem Restrisiko bezüglich übertragbarer Erkrankungen ausgegangen werden, und zwar für den Fall, dass der Produktionsprozess nicht einwandfrei abläuft. Solche Fälle kontaminierter Chargen sind bereits aufgetreten und können grundsätzlich auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden.
    – Leichte Nebenwirkungen sind bei der Gabe von Anti-D-Hyperimmunglobulin nicht selten und immer häufiger stehen die Frauen dem Präparat ganz allgemein auch sehr ambivalent gegenüber.

Ursprünglich versuchte man, den fetalen Rhesusfaktor aus fetalen Erythrozyten oder DNA aus fetalen Zellen im mütterlichen Blut zu bestimmen. Jedoch musste man nach einigen Jahren intensiver Forschung feststellen, dass dies aus vielerlei Gründen im Rahmen einer Routinediagnostik nicht verlässlich oder gar praktikabel ist. Der Durchbruch gelang mit der Erkenntnis, dass im Plasma der Graviden in ausreichender Menge freie fetale DNA, die vom Trophoblasten stammt, vorhanden ist und auf dieser Basis eine Diagnose von RhD oder anderen Blutzellantigenen des Feten mittels Real-Time-PCR gelingen kann.
Es bedurfte jedoch weiterer Schritte, um dieses Verfahren so weit abzusichern, dass es in der Routinediagnostik zur Anwendung kommen konnte. Wie konnte man sicher sein, wenn der Nachweis RhD-spezifischer DNA-Sequenzen negativ ausfiel? Dies könnte ja auch schlicht dadurch bedingt sein, dass die Menge fetaler DNA im mütterlichen Plasma, beispielsweise in der Frühschwangerschaft, einfach zu gering war. Als Kontrolle dafür wurden zunächst einerseits der Nachweis Y-chromosomaler DNA für männliche Feten und andererseits die Bestimmung von Mikrosatelliten-Polymorphismen, wie sie in der Forensik im Einsatz sind, angewandt. Letzteres ist jedoch äußerst zeit- und kostenintensiv und unter Routinebedingungen daher kaum durchführbar.
Ein wesentlicher weiterer Durchbruch war daher die Entdeckung, dass Unterschiede in der DNA-Methylierung von Tumorsuppressorgenen (z. B. RASSF1A) zwischen mütterlicher und fetaler DNA dazu herangezogen werden können, fetale DNA unabhängig vom Geschlecht nachzuweisen. Dabei macht man sich zunutze, dass bestimmte Enzyme DNA nur im unmethylierten Zustand spalten, um die mütterlichen Sequenzen zu eliminieren. Können nach einem derartigen Enzymverdau RASSF1A-Sequenzen nachgewiesen werden, kann daher auf das Vorliegen einer ausreichenden Menge fetaler DNA geschlossen werden.
Mittlerweile ist das Verfahren für RhD in großen, durch die EU geförderten Studien ausreichend validiert und kann in einer Reihe von europäischen Zentren, darunter auch an der Medizinischen Universität Wien, durchgeführt werden. Dies ist grundsätzlich bereits ab der 7. Schwangerschaftswoche (SSW) möglich.

Routineeinsatz von NIPD-RhD

Bei jeder Graviden sollte eine Antikörpertestung vor der 20. SSW, jedenfalls aber vor der Gabe einer Anti-D-Hyperimmunglobulinprophylaxe erfolgen. Dies ist äußerst wichtig, da sonst nicht sicher zwischen einer aktiven oder einer rein passiven Immunisierung unterschieden werden kann.
Bei Nachweis von Anti-D oder anderen klinisch relevanten Antikörpern (Higk-Risk-Gravide) in der Schwangerschaft sollte unbedingt so früh wie möglich Kontakt mit einem Pränatalzentrum aufgenommen werden. Eine NIPD-RhD-Bestimmung sollte ehestmöglich ab der 7. SSW durchgeführt werden. Ein Resultat, das auf RhD-negativer Fetus lautet, muss jedoch unbedingt an einer weiteren Blutprobe bestätigt werden, bevor die Patientin aus der Risikobetreuung entlassen werden kann. Dies sind statistisch rund 35% der Fälle. Nur bei jenen Graviden, bei denen ein RhD-positiver Fetus vorliegt, sind engmaschige Ultraschallkontrollen ab der 20. SSW und in der Folge evtl. therapeutische Maßnahmen (Tab. 2) angezeigt. Eine diagnostische Nabelschnurpunktion, wie sie vor Einführung von NIPD-RhD oft durchgeführt wurde, ist nun nicht mehr notwendig.
Aber auch bei der Mehrzahl der nicht-immunisierten RhD-negativen Graviden (Low-Risk-Gravide) kann eine NIPD-Bestimmung in Betracht gezogen werden, um im Falle des Nachweises eines RhD-negativen Feten auf die Gabe der Anti-D-Hyperimmunglobulinprophylaxe verzichten zu können (relative Indikation). Auch dabei sollte die Untersuchung bereits in der Frühschwangerschaft erfolgen und ein auf RhD-negativer Fetus lautendes Resultat unbedingt an einer weiteren Blutprobe bestätigt werden.

Einschränkungen und Ausblick

Eine Vielzahl an europäischen Studien mit bisher über 20.000 untersuchten Schwangerschaften haben gezeigt, dass ein Routineeinsatz von NIPD-RhD mittels Real-Time-PCR möglich und sinnvoll ist. Es muss jedoch angeführt werden, dass falsch positive Resultate dabei nicht völlig ausgeschlossen werden können, da in rund 1 von 1.000 Europäern nicht kodierende DNA-Sequenzen (Pseudogene) des Rhesus-D-Faktors vorliegen. Da in diesen Fällen dann jedoch das bisher auch ohne NIPD-Bestimmung übliche Standardprozedere eingeschlagen wird, muss dies nicht als Problem betrachtet werden. In anderen Populationen (Afrika, Asien) sind derartige Pseudogene wesentlich häufiger, sodass man bei Schwangerschaften mit entsprechendem ethnischen Hintergrund auch mit einer höheren Rate an falsch-positiven NIPD-RhD-Bestimmungen rechnen muss.
Bei bestimmten Varianten des mütterlichen Rhesus-D-Faktors (“weak D”, “partial D”), die ein Immunisierungsrisiko darstellen können, ist grundsätzlich mittels Real-Time-PCR keine sichere Bestimmung des fetalen RhD-Faktors möglich. In diesen Fällen müssen weiterhin undifferenziert Hyperimmunglobulingaben und evtl. engmaschige Ultraschallkontrollen erfolgen. Auch bei anderen Formen des MHN (z. B. Antikörper Anti-c, Anti-C, Anti-K, Anti-Fya etc.) oder bei Risiko hinsichtlich neonataler Alloimmunthrombopenie (Anti-HPA-1A) kann grundsätzlich eine NIPD-Bestimmung möglich sein. Bei allen derartigen immunologischen Risiken ist eine Untersuchung des genetischen Vaters des Kindes immer sinnvoll, vor allem auch hinsichtlich der Prognose bei weiterem Kinderwunsch. Weitere Anwendungen der NIPD mittels Real-Time-PCR über immunhämatologische Fragestellungen hinaus beschränken sich jedoch wegen des Überschusses von maternaler DNA im Plasma der Graviden auf den Nachweis paternal ererbter Gene. Maternale Mutationen oder Aneuploidien (Trisomie) können also mit diesem Verfahren zumindest derzeit noch nicht diagnostiziert werden.
Die Bestimmung des fetalen Geschlechtes (NIPD-SRY) bei Verdacht auf eine geschlechtsgebundene Erkrankung des Feten wird voraussichtlich in naher Zukunft einige Bedeutung erlangen.

ZUSAMMENFASSUNG: Die nicht-invasive Bestimmung des fetalen Rhesus-D-Faktors (NIPD-RhD) steht als Routinemethode zur Verfügung und ist in jedem Fall einer aktiven Immunisierung der Mutter gegen RhD indiziert, um invasive Eingriffe am Feten zu minimieren. Grundsätzlich kommt NIPD-RhD jedoch für jede RhD-negative Gravide in Betracht, da bei RhD-negativem Fetus auf die Hyperimmunglobulingabe in der Schwangerschaft


DANKSAGUNG: Die Weiterentwicklung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik wird durch den Verein der Freunde der pränatalen Diagnostik und Therapie unterstützt.