Welche Frauen sollen behandelt werden? Und mit welchen Hormonen? – Österreichisches Konsensuspapier zur Hormonersatztherapie

Peri- und postmenopausale Frauen, die keine Ausfallserscheinungen haben, brauchen aus dieser Indikation auch keine HRT. Anders kann die Situation sein, wenn perimenopausal ein erhöhtes Risiko für Osteoporose vorliegt. Auch die zweite grundsätzliche Frage, welches Hormon eine Frau benötigt, wird entsprechend der Beschwerden und dem jedem Sexualsteroid eigenen Wirkungsprofil beantwortet.

Welche Beschwerden, welches Risikoprofil? Ob bei beschwerdefreien Frauen Sexualsteroide zur Prävention der Osteoporose, kardiovaskulärer Erkrankungen und der Neurodegeneration eingesetzt werden sollen, hängt vom individuellen Risikoprofil, aber auch vom Lebensalter der Patientin ab. Befindet sie sich bereits in der sechsten Lebensdekade, so ist, wie die WHI-Studie zeigte, eine Prävention gegen kardiovaskuläre Erkrankungen und neurodegenerative Erkrankungen, wie z. B. Demenz und Morbus Alzheimer, nicht nur wirkungslos, sondern möglicherweise sogar kontraproduktiv. Anders scheint die Situation in den Jahren unmittelbar nach der Menopause – also etwa zwischen dem 50. und 55. Lebensjahr (sog. “window of opportunity”) – zu sein.

Individuell zugeschnittene Therapie: Wie bei anderen Hormonmangelerkrankungen (z. B. Hypothyreose, Diabetes mellitus) auch, soll nur jene Dosis gewählt werden, die zum Freisein von Beschwerden führt. In einer rezenten Studie konnte gezeigt werden, dass eine sog. “Ultra low dose”-HRT (mit nur 0,5 mg E2 kombiniert mit 2,5 mg Dydrogesteron) durchaus effektiv in Bezug auf die Reduktion vasomotorischer Beschwerden und Verbesserung der Lebensqualität bei gleichzeitig hoher Amenorrhörate und guter Verträglichkeit ist. Aus diesem Grund sollte jede HRT mit einer niedrigen Dosis begonnen und die Dosis entsprechend der Symptomintensität titriert werden.
Die subjektive Befindlichkeit ist der beste Parameter für die individuell richtige Therapie. Biochemische Parameter und bildgebende Verfahren (sonographische Darstellung der Ovarien und der Endometriumdicke, die mammographische Bestimmung der Brustdichte und Osteodensitometrie) können herangezogen werden, um eine HRT objektiv zu begleiten. Weiters ist festzuhalten, dass genetische Variationen unterschiedliche Reaktionen auf exogen zugeführte Östrogene bewirken können. Außerdem sind sie in die individuelle Metabolisierung von Sexualsteroiden involviert.

Wichtige Laborparameter:

a. Follikelstimulierendes Hormon (FSH): Ein FSH-Wert über 35 mU/ml spricht für eine bereits eingetretene Menopause.
b. Prolaktin: Eine milde Hyperprolaktinämie ist Indikator für die in der zweiten Lebenshälfte häufiger auftretende Hypothyreose. Die postmenopausale Hyperprolaktinämie ist außerdem ein Risikofaktor für die Entstehung eines Mammakarzinoms.
c. Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH): Hypothyreosen kommen bei Frauen häufiger vor als bei Männern. Die Evaluierung der Schilddrüsenfunktion ist deshalb hilfreich.
d. Androgene: Klagen Frauen über Libidoprobleme, Müdigkeit, Chronic-Fatigue-Syndrome und sarkopenische Beschwerden (klassische Zeichen einer Hypoandrogenämie), so kann eine Testosteron/DHEA-S-Bestimmung zur Diagnostik beitragen und die Auswahl des Hormonpräparates beeinflussen. Umgekehrt können klassische Symptome einer hyperandrogenämischen Störung, wie postmenopausale Akne, Alopezie oder Hirsutismus, durch eine HRT mit antiandrogenen Gestagenen positiv beeinflusst werden.
e. Sexualhormone-bindendes Globulin (SHBG): Aus dem Verhältnis SHBG/Testosteron kann auf die Höhe des freien, bioverfügbaren Testosterons geschlossen werden, womit ein besserer Parameter verfügbar ist.
f. 17-beta-Östradiol: Treten unter einer HRT Beschwerden auf, die auf eine Hyperöstrogenämie deuten, wie z. B. Wasserstau, Brustspannen, Venalgie, so kann durch Kenntnis des 17-beta-Östradiol-Wertes eine Therapieanpassung erfolgen.
g. 25-OH-Vitamin D: Bei der Mehrheit der kaukasischen Bevölkerung besteht ein Vitamin-D-Mangel. Da eine Vitamin- D-Defizienz nicht nur dem Knochen schadet, sondern auch mit einem erhöhten Auftreten hormonabhängiger Malignome einhergeht, macht die Kenntnis des Vitamin-D-Spiegels der peri- und postmenopausalen Frau Sinn.

Zusammenfassung

  • •Generell sollte eine HRT-Verordnung immer nur symptom – orientiert bei Vorliegen klimakterischer Beschwerden, die mit einer entsprechend starken Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergehen, und erst nach ausführlicher Eigen- und Familienanamnese (Malignome, Thromboseneigung etc.) erfolgen. Es ist jeweils eine individuelle Nutzen- Risiko-Abwägung vorzunehmen.
  • Die HRT ist an die Situation der Patientin anzupassen, wobei die Dosis individuell zu kalibrieren und die Anwendungsdauer individuell auszurichten sind.
  • Natürliches Progesteron sowie mikronisiertes Progesteron und Dydrogesteron übernehmen auch extragenitale Aufgaben. Sie sind unter diesem Aspekt synthetischen Gestagenen (Pregnanen, Estranen und Gonanen) überlegen. Letztere haben allerdings – je nach ihrer pharmakologischen Herkunft – spezifische zusätzliche Partialwirkungen (z. B. antiandrogene Partialwirkungen) und können deshalb bei entsprechenden Beschwerden (z. B. androgenetisches Effluvium) gezielt eingesetzt werden.
  • Eine umfassende Aufklärung und die aktive Einbindung der informierten Patientin in den Entscheidungsfindungsprozess sind obligat. Prinzipiell orientieren sich Art, Dosierung und Darreichungsform der HRT- unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils und etwaiger Begleiterkrankungen – immer an den Beschwerden und der subjektiven Befindlichkeit der Patientin.