Vaginale Mykose

Was wir wissen

Die vulvovaginale Candidose (VVC) ist mit einer Inzidenzrate von 70 bis 75 % nach der bakteriellen Vaginose die zweithäufigste Vaginalinfektion. Bei 40–50 % kommt es zu einer wiederholten Infektion. Ca. 5 % leiden an einer rezidivierenden vulvovaginalen Candidose (RVVC). Diese ist definiert durch das Auftreten von zumindest 4 Episoden pro Jahr und sollte immer mittels Kultur differenzialdiagnostisch analysiert werden.
Andererseits sollte man bedenken, dass ungefähr 20 % der Patientinnen mit positiver Kultur symptomlos sind, das heißt, es gilt den Unterschied zwischen Besiedelung und Infektion herauszuarbeiten und nicht lediglich zufällige Befunde, z. B. aufgrund des Ergebnisses einer Pap-Färbung, zu therapieren. Man sollte auch wissen, dass es unmöglich ist, den menschlichen Körper von Pilzen gänzlich zu dekontaminieren.
Wir wissen auch viel über so genannte Prädispositionsfaktoren wie Schwangerschaft, orale Kontrazeptiva, Diabetes mellitus, systemische Antibiotika, Kortikosteroide, HIV-Infektion sowie enge, wenig belüftete Nylonunterwäsche mit erhöhter perinealer Feuchtigkeit und Temperatur. Für die tägliche Praxis bringt dieses Wissen aber relativ wenig. Patientinnen, die an einer „echten“ RVVC leiden, fallen meist nicht in diese Gruppe.

Störung der vaginalen Laktobazillenflora: Als kleineres Risiko gilt die lokale hormonelle Situation im Zyklusverlauf: Durch den Östrogen-Peak am Anfang der zweiten Zyklushälfte wird im Vaginalepithel Glukose produziert, die für Bakterien, aber auch für Pilze das wichtigste Substrat darstellt. Dadurch kommt es vor allem in der zweiten Zyklushälfte zu einer erhöhten Inzidenz von Beschwerden.
Die Hauptursache für eine gestörte Scheidenflora stellt jedoch eine iatrogene, nämlich die Antibiotikatherapie dar, wobei klar sein muss, dass durch praktisch alle Antibiotika auf jeden Fall Laktobazillen eradiziert werden und andere, (fakultativ) pathogene Keime einen Selektionsvorteil erhalten.

Überinterpretation von Kulturergebnissen: Das große Problem in der Praxis besteht darin, dass in herkömmlichen Laborbefunden nahezu immer einige Bakterien isoliert werden. Anfordernde ÄrztInnen sehen sich dann mit einer Reihe von Bakterien mit klingenden und weniger klingenden Namen sowie einer Palette von im Antibiogramm ausgewiesenen Breitbandantibiotika konfrontiert. Wird dann ohne genaue Kenntnis, welche dieser Bakterien tatsächlich eine pathologische Bedeutung haben, eine antibiotische Therapie eingeleitet, werden die „Zielkeime“ möglicherweise verringert, auf jeden Fall aber auch der Großteil der Laktobazillen. Das ist heute das Grundproblem bei einem Großteil der so genannten „gynäkologischen Infektionen“. Durch die Überinterpretation von Kulturergebnissen wird eine Spirale in Gang gesetzt, die letztlich einen Teufelskreis darstellt.

Wie wird die Scheidenflora beurteilt? Zur Dia­gnose einer gestörten Scheidenflora ist in den meisten Fällen kein Kulturnachweis erforderlich. Bei Beschwerden und klinischem Verdacht (Amsel-Kriterien) ist zur Beurteilung ein Nativpräparat oder eine Gramfärbung durchzuführen (Einteilung des mikroskopischen Bildes in Reinheitsgrade nach Spiegel bzw. Nugent). Die alleinige makroskopische Beurteilung mit dem Spiegel ist jedoch, wie in Studien belegt, nicht aussagekräftig, da sie nur in 50 % der Fälle zur richtigen Diagnose führt.

Die Klinik der VVC ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Die wesentlichen Symptome sind Pruritus, Brennen, ein Erythem der Vulva, Kohabitationsbeschwerden, Dysurie sowie der „typische“ weißliche, geruchsarme, bröckelige Fluor. Dennoch ist die Differenzialdiagnose entscheidend. Sowohl die bakterielle Vaginose als auch der Laktobazillenmangel führen zu ähnlichen Symptomen. Stichwort: Nicht alles, was juckt, ist Pilz; nicht alles, was brennt und riecht, ist bakteriell.

Der Haupterreger der VVC ist Candida albicans (85–90 %), es kommen aber auch andere Vertreter wie C. glabrata, C. krusei, C. tropicalis oder C. parapsilosis vor.
Letztere stellen eine besondere therapeutische Herausforderung dar, da sie zumeist gegenüber sämtlichen Antimykotika resistent sind. Andererseits verursachen diese Subspezies meistens keine Beschwerden, daher sollten Therapieversuche zurückhaltend erwogen werden.

Die Diagnostik ist ein wesentlicher Schritt und sollte eigentlich immer durch das Mi­kroskop, nativ oder nach Gramfärbung (Abb. 1), erfolgen. Die Kultur ist unökonomisch, führt zu Überinterpretation (v. a. durch Therapie von apathogenen Vaginalkeimen, s. o.) und ist darüber hinaus mit einer zu langen Wartezeit verbunden. Ihren Stellenwert hat die Kultur bei der RVVC. Seit einigen Jahren stehen für die Differenzialdiagnose der verschiedenen Candida-Spezies chromogene Agarplatten zur Verfügung (Abb. 2). Eine Serologie zum Nachweis ist nicht sinnvoll!
Das Mikroskop wird zur Diagnose viel zu selten angewendet, die Therapie erfolgt zumeist empirisch nach makroskopischen Befund, also aufgrund der subjektiven Diagnose der Ärztin bzw. des Arztes.

 

 

 

Die Therapie erfolgt üblicherweise durch systemische Azole. Zum einen weiß man, dass sie gut verträglich sind, dass sie ausgezeichnet ins Gewebe penetrieren, eine lange HWZ (> 24 h) aufweisen und v. a. dass sie für die Dauer von mehr als 72 Stunden ausreichende Gewebespiegel aufbauen. Zum anderen wünschen Frauen eine orale Applikationsform, wie aus einer eigenen Studie gefolgert werden konnte. Alternativ stehen eine Reihe von topischen Präparaten, deren Anwendungsdauer meist um die 6 Tage beträgt, zur Verfügung. Die Wirksamkeit der Behandlung ist hinsichtlich der VVC mit der von oralen Präparaten vergleichbar. Ein Nachteil ist der rezeptfreie Erwerb einiger topischer Präparate. Der unkritische Bezug von lokalen Antimykotika ist nicht nur unökonomisch, sondern auch teilweise gefährlich, da es durch die fehlende Differenzialdiagnose zu einem Verschleppen von bakteriellen Infektionen kommen kann. Auch dies konnte im Rahmen von Studien gezeigt werden.

Was wir nicht (sicher) wissen

In den letzten 20 Jahren ist das Wissen über Pilzinfektionen größer geworden, manche Dinge werden differenzierter betrachtet, andere Fragen sind nach wie vor unbeant­wortet.

Die Genese der vulvovaginalen Candidose und besonders der RVVC ist eigentlich nicht bekannt. Einerseits wird die Rolle der lokalen Immunkompetenz diskutiert; dabei spielt das Verhältnis der durch verschiedene Stimuli gebildeten Differenzierungsstufen der T-Lymphozyten eine wesentliche Rolle. Anderseits wird der Mangel eines bestimmten Proteins, des Mannose-Binding Lectin (MBL) diskutiert.

Der Zusammenhang zwischen vaginaler Candidose und Frühgeburtlichkeit wird weiterhin kontroversiell diskutiert. Aufgrund einer sehr groß angelegten US-Studie mit nahezu 14.000 Frauen muss man sich derzeit eher der Meinung anschließen, dass es diesbezüglich keinen Zusammenhang gibt bzw. ein erhöhtes Risiko nicht feststellbar ist. Andererseits konnten einige gut publizierte, von der Fallzahl allerdings deutlich kleinere Studien eine gewisse Assoziation zeigen. Eine evidente Mykose in der Schwangerschaft sollte jedenfalls therapiert werden, da es in über 70 % während des Geburtsvorgangs zu einer Transmission auf das Neugeborene kommt und dadurch Pilzinfektionen wie Windelsoor gehäuft sind.

Ob Alternativmedizin sinnvoll ist – Pilzdiät, Homöopathie, Akupunktur –, wissen wir auch nicht, jedenfalls fehlen zu diesem Thema jegliche randomisierte Studien. Internationale Studien wie auch eigene belegen eher das Gegenteil.

Die Sinnhaftigkeit der Partnertherapie ist ebenfalls noch nicht endgültig entschieden. Einige Autoren empfehlen sie (ohne Evidenz) bei der RVVC ohne vorherige Diagnosesicherung, da sich diese beim Mann deutlich schwieriger gestaltet und zu falsch-negativen Ergebnissen führt. Im Falle einer Partnertherapie sollte ebenfalls oralen Antimykotika der Vorzug gegeben werden.

Zur Therapie der RVVC wissen wir leider auch wenig: Es gibt zwar verschiedene therapeutische Ansätze, deren gemeinsame Grundlage eine wiederholte Applikation ist. Das Hauptproblem bei all diesen Regimen ist jedoch die hohe Rezidivrate von ca. 50 % nach Absetzen der Therapie.

Nachtrag: Laktobazillenpräparate

So unterschiedlich die Lebensform von Pilzen und Bakterien auch ist, teilen sie in der Vaginalflora doch denselben Lebensraum und konkurrieren um dieselbe Nahrung (Glukose). Laktobazillen verringern die Kolonisation von Pathogenen durch Produktion von Bakteriziden, Milchsäure und H2O2. In älteren Studien aus den USA zeigte sich eine Verbesserung der RVVC durch Lactobacillus-hältiges Yoghurt, welches oral oder vaginal verabreicht wird.
Neuerdings wurde in einer französischen Longitudinalstudie (409 Patientinnen, Randomisierung 2:1) im niedergelassenen Bereich der Stamm Lactobacillus rhamnosus evaluiert. Diese erste großangelegte Untersuchung zeigte einen deutlichen Vorteil der Therapiegruppe gegenüber der Gruppe ohne zusätzliche Laktobazillengabe. Es wurden weniger Rezidive, ein geringerer antimykotischer Medikamentenkonsum und eine höhere Zufriedenheit der Patientinnen beschrieben. Dieser vielversprechende Ansatz, die konventionelle antimykotische Therapie mit der Gabe von Lakobazillen zu ergänzen, erscheint durchaus interessant. Da diese Studie als Pilotstudie im weiteren Sinn zu sehen ist, wäre eine prospektiv-randomisierte, placebokontrollierte Studie im Sinne der GCP-Kriterien wünschens- und empfehlenswert.
Die Dominanz der Laktobazillen ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Vaginalflora.

ZUSAMMENFASSUNG: Die VVC ist diagnostisch und therapeutisch abgehandelt, lediglich die Differenzialdiagnose ist offensichtlich problematisch.
Das eigentliche Problem im Zusammenhang mit vaginalen Mykosen stellt die RVVC dar. Zum einen tappt man hinsichtlich der Genese noch mehr oder weniger im Dunkeln, zum anderen ist es sowohl gegenüber Ärzten als auch Patientinnen schwierig, die Sinnlosigkeit von vielen Antibiotikaverordnungen zu vermitteln. Außerdem gibt es bei der RVVC etliche Problemfälle, die auch auf Langzeittherapie kaum oder nicht ansprechen. Neben dem üblichen C. albicans spielt hier v. a. C. glabrata und C. krusei eine Rolle. Wenn die systemische Therapie nicht zum Erfolg führt, hoffen viele Betroffene oftmals auf weniger gut erprobte Therapiestrategien (Paramedizin), die aber alle eine entsprechende wissenschaftliche Evidenz entbehren lassen.
Schließlich kommen nicht-indikationsgemäße antimykotische Substanzen wie Amphotericin, Caspofungin oder Vorikonazol oder auch Wirkstoffkombinationen wie Amphotericin/Flucytosin in Betracht, dies natürlich nur in strenger Indikationsstellung durch Spezialisten.