Zur bevorstehenden Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG)

Die sog. Assisted Reproductive Technology (ART) hat naturgemäß Auswirkungen auf eine Vielzahl von Bereichen des menschlichen Lebens und Werthaltungen. Tatsächlich handelte es sich deshalb auch beim Dekurs um die ART im Wesentlichen um einen Einschränkungsdiskurs, wobei es vor allem um 3 Dimensionen von Einschränkungen ging:

  1. die Frage nach der Zulässigkeit von Anwendungsformen (d. h. was erlaubt sein soll)
  2. die Frage nach dem legitimen Zugang zu den jeweiligen Anwendungsverfahren (d. h. wer die Anwendungsverfahren in Anspruch nehmen dürfen soll – alleinstehende Frauen, Personen in Lebensgemeinschaften, in Ehen etc.)
  3. die Frage der Durchführungsregelungen (d. h. wie die Praxis der ART geregelt werden soll)

Nun zur rezenten Situation, bei der es aktuell um die Fragen nach dem Zugang (also der 2. Dimension) geht: Dazu ist anzuführen, dass das FMedG ja ausschließlich Personen in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts erlaubt, die ART in Anspruch zu nehmen (§ 2 Abs. 1 FMedG); ausgeschlossen vom Zugang sind demnach alle alleinstehenden Frauen (das Gesetz spricht hier nur von alleinstehenden Frauen, nicht jedoch von alleinstehenden Männern) und gleichgeschlechtliche Paare.

Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft als Anlassfall: Am 22. Feb. 2010 wandten sich eine österreichische Staatsbürgerin (Erst-Antragstellerin) und eine deutsche Staatsangehörige (Zweit-Antragstellerin) – sie waren im August 2008 vor dem Standesamt Krefeld/Deutschland eine Lebenspartnerschaft eingegangen – an das Bezirksgericht Wels.
Die Antragstellerinnen brachten u. a. vor, die Erst-Antragstellerin wolle durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung unter Verwendung des Samens eines Dritten ein Kind empfangen. Demgemäß wurde beantragt, die Zustimmung der Zweit-Antragstellerin zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung der Erst-Antragstellerin unter der Verwendung des Samens eines Dritten gerichtlich zu Protokoll zu nehmen.
In der Antragsbegründung führten sie aus, dass ein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der als verfassungswidrig beanstandeten Bestimmungen nicht offen stehe. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe unmissverständlich ausgesprochen, dass Diskriminierungen von (verheirateten) gleichgeschlechtlichen Paaren gegenüber (unverheirateten) verschiedengeschlechtlichen Paaren mit Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar und daher unzulässig seien.
Das Bezirksgericht Wels wies den Antrag (Beschluss vom 2. Juni 2010) mit der Begründung ab, dass es Zweck des § 2 Abs. 1 FMedG sei, die gemeinsame Elternschaft zweier Personen gleichen Geschlechts auszuschließen. In 2. Instanz bestätigte das Landesgericht Linz die erstinstanzliche Entscheidung, jedoch wurde der Revisionsrekurs zugelassen, mit der Begründung, dass eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob das Verbot der medizinisch unterstützten Fortpflanzung bei gleichgeschlechtlichen Paaren gegen die Bestimmung der EMRK oder gegen sonstiges österreichisches Verfassungsrecht verstoße, nicht existiere; zudem sei diese Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Antrag des OGH auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH): Aus Anlass der Behandlung des gegen diesen Beschluss erhobenen Revisionsrekurses beschloss der Oberste Gerichtshof (OGH) einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu stellen. Der OGH regte an, die Wortfolge „von Personen verschiedenen Geschlechts“ in § 2 Abs. 1 FMedG als verfassungswidrig aufzuheben.
Diesen Antrag wies der VfGH (Erkenntnis vom 2. Oktober 2012) als unzulässig zurück. Begründend führte er aus, der Antrag des OGH sei hinsichtlich des Umfangs der zur Aufhebung der beantragten Bestimmungen so abgesteckt, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung nicht beseitigt würde, da auch eine Reihe anderer Paragraphen des FMedG verfassungswidrig seien. Die Abgrenzung des Prüfungsgegenstandes habe so zu erfolgen, dass auch alle mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar in Zusammenhang stehenden Bestimmungen erfasst werden. So zeige eine weitere Sichtung des FMedG, dass darin noch andere Bestimmungen zu finden sind, die die befürchtete Verfassungswidrigkeit zu verwirklichen vermögen.

Um eine neuerliche Zurückweisung wegen eines zu ­geringen Anfechtungsumfangs zu vermeiden, stelle der OGH daher den Antrag, den Anfechtungsumfang auch auf § 8 FMedG auszudehnen, weiter auch auf die §§ 14, 3, 15 und 18 FMedG; in eventu wäre das gesamte FMedG verfassungswidrig. Bedenken des OGH:

  • Die Beschränkung des § 2 Abs. 1 FMedG verschließe Frauen, die mit einer Frau in einer Partnerschaft leben, eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung und schließe diese damit von der Möglichkeit aus, Kinder zu haben und aufzuziehen. Dies verstoße gegen das Recht der Antragstellerinnen auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) und gegen den Gleichheitssatz (Art. 8 Bundesverfassung).
  • Betont wird weiters, dass das Recht, ein Kind zu bekommen und sich zur Erfüllung des Kinderwunsches die Errungenschaften der Fortpflanzungsmedizin zunutze zu machen, zu den von Art. 8 EMRK geschützten Rechten zähle. Dieses Recht wird durch die Beschränkung der nach dem FMedG an sich zulässigen Mittel der Fortpflanzungsmedizin auf Paare verschiedenen Geschlechts eingeschränkt.
  • Im Übrigen liege eine Verschiedenbehandlung gegenüber den Regelungen über die Adoption vor, wonach die Herstellung eines nicht auf eine biologische Verbindung rückführbaren Eltern-Kind-Verhältnisse durch (Einzel-)Adoption sowohl für eine(n) alleinstehende(n) Homosexuelle(n) also auch in einer eingetragenen Partnerschaft möglich und erlaubt ist. (Anmerkung: Außerhalb der Ehe steht es ja Einzelpersonen offen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, durch Adoption ein Eltern-Kind-Verhältnis zu begründen.)

Aufgrund des Antrages des OGH kam der VfGH zusammenfassend zur Entscheidung, dass die von Seiten des OGH genannten Bestimmungen des FMedG als verfassungswidrig aufzuheben sind und es offensichtlich ist, dass die Ausweitung der Zulassung der artifiziellen Insemination auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften von Frauen weitere Maßnahmen des Gesetzgebers erfordere.

FAZIT: Die bevorstehende Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes sollte zum Anlass genommen werden, entsprechend dem Positionspapier der drei österreichischen „IVF-Fachgesellschaften“ (publiziert unter www.ivf-gesellschaft.at), auch eine Änderung anderer Teile des FMedG, so u. a. bzgl. Eizellspende, Samenspende im Rahmen der IVF sowie Präimplantationsdiagnostik vorzunehmen. Das Positionspapier wurde bereits allen wichtigen politischen Entscheidungsträgern übermittelt.

 

PS: Der am 13. 11. 2014 (nach Gyn-Aktiv-Redaktionsschluss) in Begutachtung geschickte Reformentwurf der beiden Koalitionspartner zum FMedG geht über die Vorgaben des VfGH noch hinaus und schafft grundsätzlich liberalere Regeln. So wird nicht nur die Samenspende auch für lesbische Paare erlaubt, sondern auch die Samenspende Dritter im Rahmen einer IVF, die Eizellspende und die Präimplantationsdiagnostik (unter strikten Vorgaben). Verboten bleiben Leihmutterschaft sowie Samen- und Eizellspende für alleinstehende Personen. Weiteres zum Thema in der nächsten Gyn-Aktiv-Ausgabe.(red)