Prostatakarzinom ESMO 2018

Prof. Dr. Gero Kramer

12-Jahres-Update der GETUG-12-Studie: Weitere Bestätigung für frühzeitige Gabe von Docetaxel

Fizazi K. et al., Villejuif, FR, Abstract# 791O;

Die nach 12 Jahren Follow-Up aktualisierten Daten einer prospektiven, randomisierten Phase- III-Studie, die den Nutzen einer Docetaxel-basierten Chemotherapie in Kombination mit einer Androgenentzugstherapie (ADT) bei Patienten mit lokalisiertem, Hochrisiko-Prostatakarzinom (GETUG-12) untersuchte, wurden präsentiert. Dabei wurde auch erstmals die klinische Rezidivrate analysiert. Die Kombinationstherapie einer ADT mit 4 Zyklen Docetaxel zeigte nicht nur eine signifikante Reduktion des rezidivfreien Überlebens, sondern auch der klinischen Rezidivrate. Kritisch sind die geringe Anzahl an Chemotherapiezyklen und die für eine sinnvolle Überlebenszeitanalyse noch zu kurze Nachbeobachtungszeit anzumerken.


ERA 223: Keine Empfehlung für Kombination Radium 223 plus Abirateron

Smith M.R. et al., Boston, USA, Abstract# LBA30;

In dieser prospektiven, randomisierten Phase-III-Studie wurde der Effekt der Kombination von Radium 223 mit Abirateron + Prednisolon auf die symptomatische skelettale Ereignisrate bei Patienten mit asymptomatischem oder mild symptomatischem, Chemotherapie-naiven, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (CRPC) untersucht. Die Kombination verbesserte weder das Überleben ohne symptomatische skelettale Komplikationen noch das Gesamtüberleben; führte aber zu einer höheren Frakturrate, insbesondere an nicht von Metastasen betroffenen Skelettabschnitten, und bei Patienten ohne knochenprotektive Medikation, i.e. Bisphosphonate oder Denosumab. Bei Patienten mit CRPC ist, unabhängig von der Therapie, auf eine adäquate Prophylaxe von osteoporotischen und Skelettmetastasen-assoziierten Komplikationen zu achten. Die Kombination von Radium 223 und Abirateron wird nicht empfohlen.


Cabazitaxel versus Abirateron/Enzalutamid als Erstlinie: Phase-II-Studie frühzeitig beendet

Chi K.N. et al., Vancouver, CAN, Abstract# 792O;

In dieser randomisierten Phase-II-Studie wurden Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistenten Prostatakarzinom und ungünstigen Prognosefaktoren entweder mit Cabazitaxel oder Abirateron/Enzalutamid in der Erstlinie behandelt. Die Studie wurde bei 95 randomisierten Patienten vor Erreichen der geplanten Rekrutierungszahl beendet. Es zeigte sich ein lediglich Trend für einen klinischen Benefit zugunsten von Cabazitaxel, aber eine signifikante Assoziation von zirkulierender Tumor-DNA und Prognose. Praxisrelevante Daten zur Sequenzierung beim CRPC werden in Kürze von den Ergebnissen der CARD-Studie zur Evaluation von Cabazitaxel vs. Enzalutamid/Abirateron erwartet.


Neue Standards beim hormon-sensitiven metastasierten Prostatakarzinom

Parker CC et al., London, UK, Abstract # LBA5_PR;

Die Überlebensdaten aus einer Subgruppenanalyse zur Strahlentherapie des Primärtumors für Patienten mit neu diagnostiziertem, metastasiertem Prostatakarzinom aus der STAMPEDE-Studiengruppe wurden vorgestellt. Die Strahlentherapie des Primärtumors verbesserte signifikant das Überleben bei Patienten mit niederer Tumorlast und wird für diese Patientengruppe als neue Standardtherapie empfohlen. Patienten mit hoher Tumorlast profitierten nicht von einer Strahlentherapie des Primärtumors.

Hoyle A et al., UK, Abstract # LBA4;

In dieser retrospektiven Analyse der STAMPEDE-Studiengruppe wurden Patienten mit hormonnaivem, metastasiertem Prostatakarzinom, die mit Abirateron/Prednisolon + ADT vs. Placebo + ADT behandelt, stratifiziert nach den LATITUDE-Kriterien in Niedrig und Hoch-Risikopatienten. Es zeigte sich ein signifikanter Überlebensbenefit für die Kombination Abirateron/Prednisolon + ADT; sowohl für die Hoch- als auch für Niedrigrisikogruppe, sodass für letztere Abirateron/Prednisolon als neue Standardtherapie empfohlen wird.


Dr. Nicolai Hübner

TRITON2: Erste Ergebnisse der Phase-2-Studie zu Rucaparib bei Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) und einem genetischem Defekt der homologen Rekombination (HRR)

Abida W et al., New York, US, Abstract # 793PD;

Rucaparib ist ein PARP1-Inhibitor, der bei Patienten nach mindestens einer Androgenrezeptor-gezielten Therapie und einer Taxan-haltigen Therapie getestet wird. Patienten müssen außerdem einen nachgewiesenen Gendefekt für die homologe Rekombination aufweisen (z.B. BRCA1, BRCA2 oder ATM). Primärer Endpunkt war ein objektives Ansprechen auf die Therapie.

Das mediane Follow-Up lag bei 3,7 Monaten bei insgesamt 52 behandelten Patienten. Die vorliegenden Ergebnisse des primären Endpunktes (Ansprechen) beziehen sich allerdings ausschließlich auf die Patienten mit einer BRCA 1/2-Mutation, von denen 23 Patienten auswertbar waren. 11/23 Patienten hatten ein Ansprechen im Serum (PSA-Abfall ≥50%). 5/11 Patienten mit signifikantem PSA-Abfall hatten ein objektives radiologisches Ansprechen nach RECIST 1.1. Als Nebenwirkungen traten hauptsächlich Übelkeit (ca. 48%) und Müdigkeit (ca.44%) auf.

Fazit: In dieser massiv vortherapierten Patientengruppe mit schlechter Prognose konnte ein objektives Ansprechen auf einen neuen Therapieansatz gezeigt werden. Es sind zwar noch weitere Studien und reifere Daten notwendig, um den Stellenwert zu objektivieren, jedoch gibt diese erste Auswertung genug Grund für Optimismus für neue Therapien beim mCRPC.


SPARE: Abirateron + Prednison und ADT vs. Abirateron + Prednison alleine  bei progredientem, metastasiertem, chemotherapienaivem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom

Ohlmann C et al., Bonn, D, Abstract # 810P;

In der Studie wurden Patienten unter Androgendeprivationstherapie (ADT) beim Eintreten der Progredienz (bzw. Kastrationsresistenz) randomisiert und erhielten entweder Abirateron+Prednison und weiterhin ADT oder Abirateron+Prednison ohne Fortführung der ADT. Primärer Endpunkt war das 12 Monats- progressionsfreie Überleben (PFS). Es wurden insgesamt 67 Patienten mit einem medianen PSA von 23,9 ng/dL randomisiert, bei einem medianen Follow-Up von 14,9 Monaten. In dieser Zeit gab es zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede bezüglich PSA-Ansprechen (67,6% vs. 72,7%), Zeit zur PSA-Progression (266 vs. 420 Tage) oder Behandlungsdauer (288 vs. 336 Tage). Ergebnisse zu den Nebenwirkungen liegen noch nicht vor.

Kommentar: ADT wird momentan im kastrationsresistenten Stadium durchgehend fortgeführt, da alle bisherigen Studien immer in Kombination mit ADT durchgeführt wurden. Diese Studie zeigt, dass ein Beenden der ADT nicht zu schlechteren Ergebnissen führt. Die absoluten Zahlen sind derzeit sogar besserer ohne Kombination mit ADT, allerdings können aufgrund der geringen Patientenzahl keine definitiven Schlüsse diesbezüglich gezogen werden, und das Ergebnis ist auch nicht statistisch signifikant. Es zeigt aber, dass dingend weitere Studien notwendig sind, um den tatsächlichen Wert der ADT im kastrationsresistenten Stadium zu untersuchen.


Prävalenz von klinisch relevanten Keimbahnmutationen beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom

Hahn M et al., Salt Lake City, USA, Abstract # 841P;

Es wurden von 352 Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom klinische Daten und Keimbahn-DNA-Proben gesammelt und 35 Gene auf klinisch relevante (behandelbare) Alterationen untersucht. Insgesamt konnten bei 26/352 (7,4%) Patienten Alterationen gefunden werden, von denen 11 Patienten Mutationen in BRCA1, BRCA2 und ATM hatten (Gesamt-Prävalenz 3,1%). Die klinischen Charakteristika der Patienten waren ähnlich bei Patienten mit und ohne Mutationen und zeigten keine signifikanten Unterschiede.

Kommentar: Die Zahl der Patienten mit relevanten Mutationen der Keimbahn ist niedriger als bisher publiziert, was auch darauf schließen lässt, dass zukünftige PARP-Inhibitor-Studien eine sehr lange Rekrutierungszeit haben werden. Diese Studie bezieht sich allerdings nur auf Keimbahnmutationen und es könnte sein, dass dieselben Mutationen als somatische Mutationen wesentlich häufiger im Tumor vorhanden sind. Aufgrund der niedrigen Zahl an Patienten mit Mutationen in dieser Studie ist der Vergleich der klinischen Charakteristika nicht aussagekräftig, und es ist gut möglich, dass bei größeren Patientenzahlen die Unterschiede (insbesondere bei Metastasierung bei Erstdiagnose) signifikant werden.


CTC-basierte Biomarker und PSMA-gezielte Bildgebung bei Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom

Morris M.J. et al., New York, US, Abstract # 842P;

Bei 51 Patienten wurden zirkulierende Tumorzellen (CTCs) analysiert und mit PSMA-gezielter Bildgebung (über 99m-Tc-EC0652) sowie der Standard-Bildgebung mit CT und Knochenscan verglichen. Nur 41/51 der Patienten hatten vorhandene CTCs im Blut und nur bei 19 (37,2%) konnten PSMA-positive CTCs nachgewiesen werden. Bei diesen Patienten wurde PSMA (Prostataspezifisches Membranantigen) aber auch nur auf 33% der CTCs nachgewiesen. Zugleich hatten alle Patienten mit nachweisbaren CTCs PSMA-positive Läsionen in der Bildgebung.

Kommentar: Dieser massive Unterschied in der PSMA-Expression auf CTCs und in der Bildgebung zeigt die große Heterogenität der Erkrankung. Diese Tatsache lässt darauf schließen, dass eine PSMA-gezielte Therapie nicht in der Lage ist, alle CTCs auszuschalten, was sich auf die Behandlung von Mikrometastasen auswirken könnte. Diese Ergebnisse haben wichtige Folgen für zukünftige PSMA-gezielte Therapien und für die Interpretation von PSMA-gerichteter Bildgebung.