Spitalsärzte 2017 – Forderungen: bessere Arbeitsbedingungen, Kostenwahrheit Leistungswahrheit

Überlaufene Ambulanzen, überbordende Bürokratie, steigende Arbeitsverdichtung: Die Spitalsärzteschaft steht vor großen Herausforderungen, die es 2017 zu bewältigen gilt. Gebetsmühlenartig wiederholen die Vertreter der Spitalsärzteschaft die Probleme, an denen es im Spitalsalltag krankt. Die geplanten Einsparungen im Zuge der Gesundheitsreform bringen zusätzliche Schwierigkeiten mit sich. Die Liste der Forderungen für 2017 ist daher lang. Dr. Harald ­Mayer, Bundeskurienobmann, mahnt vor gravierenden Folgen, wie weiteren Engpässen in der Ausbildung und Leistungsverknappung, die letztlich in einer Zweiklassenmedizin ­münden.

Demografische Veränderungen

Die Politik ist gefordert, in der Gesundheitsplanung den demografischen Veränderungen Rechnung zu tragen: Zum einen wird mit der steigenden Lebenserwartung (prognostiziert sind 4,5 Jahre bis 2060) auch der Bedarf an medizinischen Leistungen weiterwachsen (Stichwort: chronische Erkrankungen im Alter).
Zum anderen ist aber auch die demografische Entwicklung im Bereich der Ärzteschaft zu berücksichtigen: Waren im Jahr 2005 nur 11% der Spitalsärztinnen und -ärzte über 55, so sind heute bereits über 20% über 55 Jahre alt. „In den kommenden 10 Jahren wird uns eine Pensionierungswelle überrollen. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, wird das dramatische Konsequenzen für die medizinische Versorgung haben“, warnt Mayer. Die Situation sei absehbar. „Insbesondere auch weil der Nachwuchs nicht in der Form nachkommt, wie man ihn jetzt brauchen würde, weil durch die Studienbeschränkungen auch weniger Mediziner fertig werden.“
Um den medizinischen Nachwuchs ins Boot zu holen bzw. dafür zu sorgen, dass Jungärztinnen und Jungärzte auch im Land bleiben, müssten die Arbeitsbedingungen verbessert werden. „Derzeit herrschen in den Spitälern Bedingungen, die es für ältere Kollegen nicht sehr attraktiv machen, länger zu arbeiten als unbedingt notwendig. Und junge KollegInnen nutzen die Chancen der Zeit, die sich ihnen bieten, und verlassen Österreich. Zwar nicht, weil sie bei uns zu wenig verdienen, sondern weil sie in anderen Ländern eine bessere Ausbildung bekommen!“, so Mayer.

Mangelt es der Politik an kompetenten Konzepten?

Die von der Politik geplanten Einsparungen im Zuge der Gesundheitsreform bringen zusätzliche Schwierigkeiten mit sich. „Die Politik verspricht uns gleichbleibende, ja sogar bessere Qualität im Gesundheitswesen bei sinkenden Kosten. Das ist eine Rechnung, die einfach nicht aufgehen kann“, sagt Mayer.
Die Ärzteschaft hat bereits Ende 2016 im Rahmen einer groß angelegten Informationskampagne unter dem Schlagwort „Weniger ist nicht mehr“ auf diese Diskrepanz hingewiesen. Nach wie vor fehle ein ausgefeiltes Versorgungskonzept für Spitäler und niedergelassenen Bereich. Es fehle an einem wissenschaftlich aufbereiteten, abgestimmten Strukturplan Gesundheit, es fehle an Konzepten für den Zugang zu und für die Verfügbarkeit von allen notwendigen Leistungen im intra- und extramuralen Bereich nach patientenorientierten und qualitätsgesicherten Kriterien, es fehle an Konzepten für die Lösung der Nahtstellenproblematiken. Stattdessen gebe es Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten, inflationäre Gesetzesbestimmungen wie z. B. über 30 unterschiedliche Dienstrechte und 10 Krankenanstaltengesetze. „Das ist bürokratischer und organisatorischer Irrsinn. Man muss hier ansetzen und vereinheitlichen“, betont Mayer. Auch die Abgrenzungsprobleme zwischen intra- und extramuralem Bereich sowie zwischen den Bereichen Gesundheit und Soziales müssten angegangen werden. „Die angesprochenen Problembereiche betreffen ja nicht nur uns Ärzte, sondern auch andere Gesundheitsberufe und in letzter Konsequenz immer auch die Patienten!“
Besonders kritisch sieht Mayer die neuen Art.-15a-Vereinbarungen samt Begleitgesetzen und den ÖSG, den Österreichischen Strukturplan Gesundheit. Letzterer sollte, so Mayer pointiert, wohl besser Österreichischer Sparplan Gesundheit heißen. „Denn über die Erreichbarkeitskriterien sollen hier jetzt wieder Möglichkeiten geschaffen werden, um die periphere Versorgung auszudünnen!“ Und diese Mög­lichkeiten werde man auch nutzen, ist Mayer überzeugt: „Sonst bräuchte man es nicht festschreiben, wenn man es nicht auch irgendwo nutzen ­wollte.“
Ein weiteres Problem sieht er darin, dass die Politik zwar behaupte, dass Gesundheit für alle kostenfrei rund um die Uhr zur Verfügung stehe. „Nur ist die Wirklichkeit eine ganz andere: Man verknappt, man reduziert die Betten, man reduziert das Personal, man reduziert die Anwesenheit der Ärzte, was dazu führt, dass die Überlastung der Anwesenden noch weiter steigt und zu weiterer Unzufriedenheit führt.“

Sparstift oder medizinischer Fortschritt?

„Anstatt sich um strukturelle Probleme zu kümmern, setzt die Politik den Sparstift an“, so Mayer. So ist die jährliche Erhöhung des Gesundheitsbudgets bekanntlich an das Wirtschaftswachstum gekoppelt. „Und das in einer Zeit, in der die medizinische Versorgung zwar immer besser, aber dank des medizinischen Fortschritts auch kostspieliger wird“, kritisiert Mayer. ­Offenbar habe die Politik ein Problem mit dem medizinischen Fortschritt.
Bei einer realen Steigerung der Gesundheitskosten um 5% pro Jahr war die erlaubte jährliche Steigerung bis jetzt mit 3,6% gedeckelt und wurde nun auf 3,2% reduziert. „Wenn man sagt, man nimmt dem System kein Geld weg, aber führt nur nicht mehr zu, dann wissen wir, dass das zu wenig ist, um die Qualität weiter zu halten. Oder es gibt nicht mehr alles für alle.“
Mayer geht davon aus, dass der bisher noch relativ kleine Anteil an privaten Gesundheitsausgaben künftig weiterwachsen werde. „Wir gehen mit Windeseile in eine echte Zweiklassenmedizin.“ Nur – wenn das der Wunsch der Politik sei, dann müsse sie sich auch dazu bekennen. „Wir wollen keinesfalls als leistungserbringende Ärzteschaft die Mangelverwalter sein und den PatientInnen die schlechten Botschaften überbringen, für die wir gar nichts können.“

Was fordert die Bundeskurie Angestellte Ärzte?

  • keine weiteren Einsparungen (wie längere Wartezeiten, eingeschränktes Angebot, Krankenbetten am Gang etc.)
  • Die Politik muss der Bevölkerung reinen Wein einschenken: Kostenwahrheit/­Leistungswahrheit sowie transparente ­Informationen über Leistungs­einschränkungen.
  • Entlastung der Spitalsambulanzen durch Ausbau des wohnortnahen Angebots
  • Verbesserung der ärztlichen Arbeits­bedingungen sowohl für ältere als auch für jüngere Ärztinnen und Ärzte
  • familienfreundliche Lösungen und ­Zukunftsperspektiven für den ­medizinischen Nachwuchs
  • Weg vom ökonomischen Zwang bei ­ärztlichen Entscheidungen! Die Ärzteschaft ist nicht der Mangelverwalter des Gesundheitssystems.
  • strukturierter Weg des Patienten durch das System
  • Entlastung der Ärzteschaft von Tätigkeiten, die an Pflegepersonal delegiert werden können; Gesamtverantwortung soll beim Arzt liegen.
  • Entlastung von Bürokratie durch Einsatz von Dokumentationsassistenten, durch ­administrative Unterstützung und ­moderne IT-Lösungen
  • Weiterentwicklung jener Aspekte, die sich bewährt haben und die gut funktionieren (z. B. Lehrpraxis)
  • Einbindung der Ärzteschaft in die ­Weiterentwicklung der medizinischen ­Versorgung
  • Umsetzung des von der Bundeskurie ­erarbeiteten Konzepts „Spitalsarzt 2025“
  • Beseitigung von Doppel- und Mehrfach­zuständigkeiten im Gesundheitswesen: über 30 unterschiedliche Dienstrechte, zehn Krankenanstaltengesetze. Es braucht klare rechtliche Rahmenbedingungen, ­klare Zuständigkeiten, klare Konzepte für die Zukunft.
AutorIn: Susanne Hinger

Klinik 01|2017

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2017-03-08