Rezidivierender HWI: Eine Herausforderung in der täglichen Praxis

HWI können nach ihrer Lokalisation (Urethritis, Zystititis, Pyelonephritis) oder nach ihrer klinischen Manifestation (asymptomatische Bakteriurie, unkomplizierter/komplizierter Harnwegsinfekt, Urosepsis) klassifiziert werden. Als „kompliziert“ bezeichnet man Harnwegsinfekte, welche mit einer anatomischen und/oder funktionellen Abnormalität der Harnwege oder mit einer prädisponierenden Grunderkrankung assoziiert sind. Das Keimspektrum der aufsteigenden Harnwegsinfekte hat sich in den letzten Jahren nicht geändert. Es dominiert E. coli mit 70–95 % aus der Gruppe der gramnegativen Enterobakterien, seltener finden sich Proteus mirabilis und Klebsiella pneumoniae. Der am häufigsten isolierte grampositive Keim ist Staphylococcus saprophyticus (5–19 %), seltener finden sich Enterococcus faecalis oder Staphylococcus aureus.
Die berichteten Symptome einer unkomplizierten akuten Zystitis sind allgemein bekannt: schmerzhafte Miktion mit Drangsymptomatik und erhöhter Miktionsfrequenz, leichtes bis mittelschweres Krankheitsgefühl, suprapubischer Schmerz, übel riechender Urin und eventuell Hämaturie.

Die Diagnose erfolgt in der Regel durch Anamnese, körperliche Untersuchung und Harnuntersuchung. Eine Sonographie des Harntraktes sollte bei Verdacht auf einen komplizierten Harnwegsinfekt durchgeführt werden. Die Harndiagnostik sollte aufgrund der meist akuten Symptomatik schnell erfolgen. Mittels Farb­umschlag am Harnteststreifen gelingt in der Praxis der rasche Nachweis infektionstypischer Parameter wie Leukozyten, Blut, Protein oder Nitrit. Die Methode der Wahl ist der einwandfrei gewonnene Mittelstrahlurin. Nur wenn die einwandfreie Gewinnung des Mittelstrahlurins nicht möglich ist oder die gewonnene Probe keine eindeutige Interpretation zulässt, sollte der Harn über den sterilen Einmalkatheterismus gewonnen werden.

Die unkomplizierte akute Zystitis: Sowohl eine Zystitis, eine Urethritis (Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrheae, Herpes simplex oder eine Vaginitis (Candida spp. oder Trichomonas vaginalis) können akute dysurische Beschwerden bei einer nicht schwangeren, prämenopausalen Frau verursachen. Die Unterscheidung zwischen diesen drei Entitäten ist meist durch Anamnese und körperliche Untersuchung zu treffen.
Während bei der akuten Zystitis der imperative Harndrang und der suprapubische Schmerz im Vordergund stehen, weisen übel riechender vaginaler Fluor, Juckreiz, Dyspareunie, ein neuer sexueller Partner sowie ein protrahierter Verlauf der Beschwerden eher auf eine Urethritis oder Vaginitis hin.
Eine rezente Studie untersuchte die Epidemiologie sowie Empfindlichkeit uropathogener Keime bei 4.264 Patientinnen mit unkomplizierter akuter Zystitis in Österreich, acht anderen europäischen Ländern sowie in Brasilien. Wie erwartet, war das häufigste isolierte Uropathogen in 76 % der Fälle E. coli, gefolgt von Enterococcus faecalis (4,0 %), Staphylococcus saprophyticus (3,5 %), Klebsiella pneumoniae (3,5 %) und Proteus mirabilis (3,4 %). Allerdings zeigten sich in vielen Ländern bedrohlich hohe Resistenzraten gegen Fluorochinolone, Amoxicillin/Clavulansäure, Trimetoprim sowie Co-Trimoxazol. Lediglich für die drei Substanzen Fosfomycin, Pivmecillinam und Nitrofurantoin konnte in allen untersuchten Ländern eine konsistent hohe In-vitro-Wirksamkeit gegen E. coli nachgewiesen werden (im Länderdurchschnitt 95–98 %, für Österreich sogar 100 %), weshalb die Autoren für die empirische Therapie der unkomplizierten akuten Zystitis zur Gabe einer dieser drei Substanzen raten.

Die Therapieempfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) sind in der Tab. aufgeführt, wobei aufgrund der bekannten, regional unterschiedlichen Resistenzlagen eine Einschränkung gilt: sowohl Fluorochinolone als auch Trimethoprim oder Co-Trimoxazol sollten nur dann als empirische Therapie verschrieben werden, wenn die ­lokale E.-coli-Resistenzrate unter 10 bis 20 % liegt.
Die Indikation für eine zusätzliche spasmoanalgetische Therapie ist je nach Patientin individuell zu stellen. Obwohl häufig eine Steigerung der Diurese zum „Auswaschen“ der Keime aus dem Harntrakt empfohlen wird, ist der mögliche Nutzen einer gesteigerten Hydrierung im akuten Infekt nicht bewiesen. Für die Routinenachsorge genügt in der Regel eine Harnstreifenuntersuchung nach einer Woche. Bei Patientinnen, deren Symptome nicht abklingen oder innerhalb von zwei Wochen wiederkehren, wird eine Harnkultur mit einem Antibiogramm empfohlen, ebenso sollte das initiale Antibiotikum gewechselt werden und die neue Therapiedauer mindestens 7 Tagen betragen.

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Von einer rezidivierenden Zystitis spricht man bei drei Infektionen in den letzten 12 Monaten bzw. zwei Infektionen in den letzten sechs Monaten. Durchschnittlich entwickeln 20–30 % der Frauen, welche einmal an einer Zystitis erkrankt sind, innerhalb eines Jahres eine bakterielle Reinfektion. Die Behandlung der rezidivierenden Zystitis stellt in der täglichen Praxis im Gegensatz zur unkomplizierten einmaligen Zystitis eine besondere Herausforderung dar.

Zu den Risikofaktoren, an rHWI aufgrund einer echten Reinfektion zu erkranken, zählt für sexuell aktive prämenopausale Frauen der Gebrauch von Spermiziden, häufiger Geschlechtsverkehr, eine Erstinfektion vor dem 15. Lebensjahr und rezidivierende Infekte der Mutter. Auch eine Meatusstenose kann über Wirbelbildung im Harnstrahl eine Aszension von Keimen in die Blase fördern. Für den Kliniker von eher untergeordnetem Interesse sind eine Reihe von genetischen Faktoren, wie etwa die Expression von HLA-A3 und Lewis-Blutantigenen, die reduzierte Expression von Interleukin-8-Rezeptoren oder die Nichtsekretion von Blutgruppenantigenen im Harn und Speichel.
Protektiv wirkt hingegen ein niedriger Harn-pH und eine periurethrale und perineale Besiedlung mit grampositiven Laktobazillen, wodurch eine Aszension von uropathogenen Keimen der Darmflora erschwert wird. Weiters sollte auch eine ausreichende Diurese mit regelmäßiger Miktion die Bakterienkonzentration im Harn niedrig halten.
Während sich für junge Frauen mit rHWI also nur sehr selten anatomische oder funktionelle Veränderungen nachweisen lassen, konnte eine Studie bei postmenopausalen Frauen drei signifikante Risikofaktoren für Rezidivinfekte aufzeigen: Blasendeszensus, Restharnbildung und Inkontinenz.

Stufendiagnostik: Für die rezidivierende Zystitis empfiehlt sich deshalb eine urologische Stufendiagnostik, um komplizierende Faktoren zu erkennen:

körperliche Untersuchung einschließlich vaginaler Inspektion
Sonographie
Harnröhrenkalibrierung
Urethrozystoskopie
evtl. Harnröhrenabstriche (Suche nach atypischen Keimen)
evtl. urodynamische Abklärung

 

Da es sich bei rezidivierenden HWI in der Regel um echte Reinfektionen mit Aszension von Keimen handelt, ist die Wahl und Dauer der Antibiose gleich wie bei der Behandlung der erstmaligen unkomplizierten Zystitis.

Prophylaxe

Die Prophylaxemaßnahmen umfassen die Korrektur von anatomischen oder funktionellen Abnormalitäten, die Modifikation von Verhaltensweisen sowie medikamentöse Maßnahmen:

Korrektur von funktionellen bzw. anatomischen Ursachen: Hier sollte unter anderem auch an eine Meatusenge gedacht werden. Wird bei der Harnröhrenkalibrierung eine Meatusstenose diagnostiziert, ist die distale Urethrotomie Therapie der Wahl, für eine wiederholte „kassenquartalsmäßige“ Bougierung der weiblichen Harnröhre gibt es hingegen kaum wissenschaftliche Evidenzdaten.

Modifikation von Verhaltensweisen: Ein Beratungsgespräch mit der Patientin ohne Zeitdruck hinsichtlich Ernährung, Hygiene, Toilettengang und Sexualität sowie die Mitgabe eines Patientenmerkblattes hat sich in der Praxis bewährt. Obwohl viele der folgenden Verhaltensregeln wissenschaftlich nicht abgesichert sind, werden allgemein folgende Verhaltensmaßnahmen empfohlen: Ausreichende Trinkmengen von etwa 2,5 Liter/Tag, Schutz vor Unterkühlung, Vermeidung von synthetischer Unterwäsche, Toilettengang bald nach dem ersten Harndrang, Vermeidung von Obstipation, Vermeiden von Intravaginalpessaren, spermiziden Salben und Intimsprays, Reinigung des Intimbereich mit warmem Wasser ohne Zusätze, Miktion bald nach dem Geschlechtsverkehr sowie die Vermeidung von Vaginalverkehr direkt nach einem Analverkehr.

Antibiotische Prophylaxe: Eine nachweislich effektive Methode, die Rezidivrate zu senken, ist die niedrigdosierte Dauerantibiose abends oder postkoital. Die jährliche Harnwegsinfektrate kann dadurch in der Regel um bis zu 95 % reduziert werden. Leider bekommen jedoch nach dem Absetzen der Antibioseprophylaxe etwa 60 % aller Frauen einen neuerlichen HWI innerhalb von 3–4 Monaten. Die EAU-Guidelines empfehlen für die Dauerprophylaxe folgende Substanzen zur abendlichen oder postkoitalen Einnahme:
Nitrofurantoin 5–100 mg/Tag, Trimethoprim-Sulfamethoxazol 40–200 mg/Tag, Fosfomycin 3 g alle 10 Tage, Ciprofloxacin 125 mg/Tag und bei Gravidität Cephalexin 125 mg/Tag.
Wissenschaftliche Studien suggerieren, dass die Wirksamkeit von anderen Methoden, wie die medikamentöse Ansäuerung von Harn (z. B. L-Methionin, Ascorbinsäure), Preiselbeerpräparate, orale Immuntherapeutika (z. B. lysierte immunoaktive Fraktionen aus E. coli) Phytotherapeutika (z. B. Bärentraube, Goldrutenkraut) und Akupunktur, einer antibiotischen Dauerprophylaxe unterlegen zu sein scheint.

Prophylaxe mit immunaktiven Substanzen: Derzeit ist lediglich für die Substanz OM-89 (Uro-Vaxom®) eine prophylaktische Wirksamkeit gegenüber Placebo mit Studien ausreichender Qualität belegt. Die Behandlungsdauer beträgt 3 Monate. OM-89 ist ein lyophilisierter Extrakt aus verschiedenen E.-coli-Stämmen.

Prophylaxe mit probiotischen Subs­tanzen: Die vaginale Applikation von auf verschiedenen Laktobazillus-Stämmen basierenden Probiotika dient zur Wiederherstellung der physiologischen vaginalen Flora. Allerdings fehlt hier noch Evidenz hinsichtlich Art der Bakterienstämme, Dosierung und Behandlungsdauer.

Prophylaxe mit Preiselbeerpräparaten (cranberries): Einige wissenschaftliche Studien zeigten, dass die tägliche Einnahme von Preiselbeerpräparaten das Harnwegsrezidivrisiko gegenüber Placebo verringert. Der Wirkmechanismus ist nicht restlos geklärt, es wird jedoch angenommen, dass die aktive Substanz Proanthocyanidin A die Adhäsion von E. coli an das Urothel behindert.

Unterstützende alternative Maßnahmen aus der Komplementärmedizin: Komplementärmedizinische Ansätze aus der tradionellen chinesischen Medizin oder auch der Homöopathie können bei der Prophylaxe durchaus hilfreich sein, es fehlen hierzu jedoch evidenzbasierte Daten.

Topische hormonelle Therapie in der Menopause: Nach der Menopause kommt es durch Hormonabfall zu einer Atrophie des Introitus und zur Reduktion der vaginalen Döderlein-Flora, weshalb eine lokale vaginale Östrogensubstitution hier als Rezidivinfektprophylaxe durchaus empfohlen werden kann. Ein mögliches Therapieschema sind östrogenhaltige Cremen oder Ovula (0,5 mg/g Estriol) jeden Abend für 2 Wochen, danach 2-mal wöchentlich abends für 8 Monate.

 

 

Take Home Message

Rezidivierende Harnwegsinfekte führen zu einem hohen Leidensdruck der Patientinnen. Für die Behandler können sie durchaus eine therapeutische Heraus­forderung darstellen.
Die häufigsten Uropathogene sind gramnegative Keime, allen voran E. coli.Meist handelt es sich dabei um echte ­Reinfektionen mit Keimen der Darmflora ohne anatomische oder funktionelle Anomalien des Harntraktes.
Die Prophylaxe umfasst neben der Modifikation von Verhaltensweisen auch antibiotische, probiotische, immunotherapeutische, phytotherapeutische, topisch hormonelle und komplementärmedizinische Maßnahmen.
Die Wahl der empirischen antibiotischen Therapie sollte auf die regionale Resistenzlage abgestimmt sein.

Literatur beim Verfasser