Vaskulitis – vom Symptom zur Diagnose

Unter einer Vaskulitis versteht man eine Entzündung von Gefäßen mit Entzündungszellen in und um die Gefäßwand, begleitet von Gefäßschäden: Fibrin und Thrombin, Kollagendegeneration, Endothel- und Muskelzellnekrosen, Leuko zytoklasie. Davon zu unterscheiden ist die thrombotische Vaskulopathie, bei der es zu einer interluminalen Thrombose oder Embolie mit nachfolgender Entzündungsreaktion (sekundär) kommen kann. In der Dermatologie haben wir es hauptsächlich mit der leukozytoklastischen Vaskulitis der Haut zu tun, die histologisch durch eine fibrinoide Nekrose und Kernstaub im Sinne der Leukozytoklasie gekennzeichnet ist.

Klinisches Bild abhängig vom befallenen Gefäß

Das klinische Bild einer Vaskulitis kann sehr vielgestaltig sein. Klinische Befunde wie Knoten, Livedo-Zeichnung, Nekrosen, Ulzera oder Purpura sind bei den verschiedenen Vaskulitiden je nach Größe des befallenen Gefäßes vorhanden. Es finden sich Knoten nur bei jenen Vaskulitiden, bei denen zumindest Arterien betroffen sind (siehe Abb. 1), während wir Purpura als klinisches Symptom bei Gefäßprozessen von Kapillaren und Venolen sehen. Die Chapel-Hill-Klassifikation der primären systemischen Vaskulitiden geht anhand der Größe der Gefäße vor (siehe Tab. 1).

Diagnostik der Vaskulitis

Die Diagnostik der Vaskulitis beruht auf dem klinischen Bild, der Anamnese, den assoziierten Symptomen, der Histopathologie, den Laborparametern und bildgebenden Verfahren. Das klinische Bild kann wie folgt gekennzeichnet sein:

  • Akrozyanose
  • Raynaud-Symptomatik
  • palpable Purpura
  • Knoten, Ulzera
  • Nekrosen
  • Livedo-Zeichnung
  • Narben
  • Größe und Verteilung
  • andere: – Nagelfalzteleangiektasien
    -Temporalarterienverdickung

Die Anamnese sollte zuerst darauf abzielen, ob die Vaskulitis akutes, subakutes oder chronisches Auftreten zeigt. Weitere wichtige anamnestische Daten, die zu erheben sind, sind in Tabelle 2 angeführt.

Vaskulitiden bei akutem Auftreten (Abb. 2)

Bei akuten Vaskulitiden ist bei akraler Betonung vorwiegend an eine septische Vaskulitis zu denken. Es handelt sich dabei um eine Entzündung kleiner Gefäße im Rahmen einer Sepsis, welche Thromben im Lumen postkapillärer Venolen zeigen. Die Erkrankung tritt meist bei jungen Erwachsenen beiderlei Geschlechts auf und zeigt einzelne, weit gestreute, bevorzugt akral lokalisierte, stecknadelkopfgroße Petechien bis flächige Hautblutungen, hämorrhagische Bläschen, Krusten sowie Ulzera, die sich schubhaft innerhalb weniger Stunden manifestieren (Abb. 3). Sie gehen mit Fieber und reduziertem Allgemeinzustand einher.

Septische Vaskulitis bei Gonokokken-Sepsis ist immer mit Fieber und Arthralgien,vor allem der oberen Sprunggelenke, assoziiert und zeigt einzelne, besonders weit gestreute, hämorrhagische Pusteln an Vorfüßen, untere Extremitäten und Händen (Abb. 4).

Septische Vaskulitis bei Pseudomonas-Sepsis: Typisch für die septische Vaskulitisbei Pseudomonas-Sepsis sind ulzerierte Papeln und Plaques mit schwarzen Schorfen und hämorrhagischem Randsaum sowie rundlich ausgestanzte Ulzera oft anogenital und axillär.

Septische Vaskulitis bei Staphylokokken-Sepsis: Typischerweise finden sichbei der Staphylokokken-Sepsis überwiegend an den Fußsohlen sehr viele flohstichartige, petechiale Blutungen (Abb. 5).

Septische Vaskulitis bei der subakut bakteriellen Endokarditis: Für diese sind Janeway-Flecken und Osler-Knoten typisch. Bei Ersteren handelt es sich um kleine erythematöse oder angedeutete knotenförmige, hämorrhagische, nicht schmerzhafte Effloreszenzen an Handinnenflächen und Fußsohlen. Osler-Knoten treten nicht selten zu Hunderten als kleine hämorrhagische Knötchen und Knoten auf. Sie sind bis zu erbsengroß, entzündlich gerötet und schmerzhaft. Wegen des weißlichen Zentrums erinnern sie an urtikarielle Effloreszenzen. Prädilektionsstellen sind Finger- und Zehenkuppen und das Thenargebiet. Nicht selten finden sie sich auch an Armen und Beinen.

Thrombangitis obliterans: Akut auftreten kann auch eine Thrombangitis obliterans, typischerweise mit stark schmerzhaften Nekrosen an den Großzehen oder an den Fingern (Abb. 6).

Cholesterinembolien und Kalziphylaxie: Akut auftretende Vaskulopathien mit Zeichen von Nekrosen und Livedo-Zeichnung vor allem an den Unterschenkeln und Oberschenkeln (Abb. 7) sind Cholesterinembolien und die Kalziphylaxie.

Die Panarteriitis nodosa zeigt immer wieder Knoten und Livedo-Zeichnung, meist mit Beginn an den Fußsohlen, aber auch an den Waden und unteren Extremitäten (Abb. 8). Begleitet wird die Panarteriitis nodosa von flächenförmigen Sensibilitätsstörungen im Sinne einer Mononeuritis multiplex. Tabelle 3 zeigt die ACRKriterien zur Klassifizierung der Panarteriitis nodosa.

Die Mononeuritis multiplex tritt bei etwa zwei Drittel der Patienten mit Panarteriitis nodosa auf und ist assoziiert mit:

  • SLE
  • rheumatoider Arthritis
  • Sjögren-Syndrom
  • Sarkoidose
  • Kryoglobulinämie
  • Sklerodermie
  • lymphomatoide Granulomatose Ein Ausschluss von Trauma und Diabetes mellitus ist erforderlich. 

Chronisches Auftreten der Vaskulitis

Tritt eine Vaskulitis chronisch-episodisch auf, ist an folgende Diagnosen zu denken:

  • Hepatitis C mit Typ-II-Kryoglobulinämie
  • Kollagenosen – urtikarielle Vaskulitis → SLE – rheumatoide Vaskulitis – Erythema elevatum et diutinum – Purpura hypergammaglobulinaemica
  • lymphozytäre Vaskulitis (Purpura pigmentosa)
  • Livedo-Vaskulitis
  • Tumoren (früher Haarzellleukämie, heute myelodysplastisches Syndrom)
  • Lymphome: (Immunozytom) Typ-I-Kryoglobuline
  • Livedo-Zeichnung

Die häufigsten zwei chronisch-episodisch auftretenden und rezidivierenden Vaskulitiden sind jene bei Kollagenosen sowie jene bei der Hepatitis-C-assoziierten Vaskulitis, welche durch die in Tabelle 4 angeführten Befunde gekennzeichnet ist.

Hepatitis-C-assoziierte Vaskulitis: Typisch bei der Hepatitis-C-assoziierten Vaskulitis sind das gleichzeitige Auftreten von Purpura und Hämosiderinablagerungen sowie im Labor das Auftreten von hohen Rheumafaktoren, Komplementverbrauch und das Vorhandensein von gemischten Kryoglobulinen Typ II (Abb. 9).

Urtikarielle Vaskulitis: Bei der urtikariellen Vaskulitis finden sich in den urtikariellen Läsionen immer wieder Purpura und teilweise kokardenartig geformte Hautsuffusionen, wechselnd mit Ödemen der Haut (Abb. 10).
Vaskulitiden bei Lupus-Patienten können oft chronisch-episodischen Charakter annehmen in Form eines Chilblain-Lupus mit Vaskulitis an den Fingern oder papulösen Effloreszenzen mit sekundären Petechien an den unteren Extremitäten.

Klinische Zeichen der Vaskulitiden

Livedo-Zeichnung

Bei der Livedo-Zeichnung kommt eine Reihe von Vaskulopathien in Frage:

  • Panarteriitis nodosa
  • Morbus embolicus (Endokarditis, Polycythaemia vera rubra)
  • Calciphylaxis cutis
  • Cholesterinembolien
  • Embolia cutis medicamentosa
  • Antiphospholipid-Syndrom
  • Livedo-Vaskulitis 

Bei thrombotischen Vaskulopathien (Abb. 11) müssen wir einerseits zwischen der Livedo-Vaskulitis, dem Sneddon-Syndrom und dem Antiphospholipid-Syndrom unterscheiden, welches unterschiedliche Gefäße beteiligen kann.

Das Sneddon-Syndrom ist eine generalisierte Livedo racemosa (Abb. 12a + b). Die neurologische Symptomatik steht im Vordergrund mit einer meist subklinischen Beteiligung der inneren Organe. Meistens kommt es zu rezidivierenden zerebralen Attacken mit nachfolgenden neurologischen Defiziten. Bei 15–20 % der Sneddon-Syndrom-Fälle liegt ein Antiphospholipid-Syndrom vor.

Antiphospholipid-Syndrom: Das Antiphospholipid-Syndrom zeigt sich wie eine generalisierte Livedo racemosa, es gibt aber doch deutliche Unterschiede zwischen dem Antiphospholipid-Syndrom und dem Sneddon-Syndrom, wie in Tabelle 5 dargestellt.

Die Livedo-Vaskulitis ist eine thrombotische Mikroangiopathie, meistens in der Malleolar-Region, und ist gekennzeichnet durch die Trias: Livedo racemosa (Starburst-Phänomen) schmerzhafte Ulzera, Atrophie blanche. Sie ist rezidivierend, wird durch Hitze, Kälte, Stase und Traumen ausgelöst und tritt vorwiegend bei Frauen (Verhältnis Frauen: Männer = 3 : 1) im mittleren Alter auf. Es wird in der Pathogenese diskutiert, ob die Thrombomodulin-Rezeptoren und eine chronisch-venöse Insuffizienz in der Entstehung der schmerzhaften Ulzera wichtig sind oder die nicht vorhandene oder gering aktivierte Fibrinolyse. An eine Livedo-Vaskulitis ist dann zu denken, wenn in der Malleolar-Region ausgestanzte Ulzera mit Livedo-Zeichnung auftreten, die sehr schmerzhaft sind.

Knoten, Nekrosen, Ulzera

Die klinischen Kennzeichen von Knoten, Nekrosen und Ulzera treten bei einer Reihe von Vaskulitiden auf (Tab. 6), in denen auch die größeren Gefäße betroffen sein können. ANCA-assoziierte Vaskulitiden können kleine Gefäße betreffen, dann zeigen sie das Bild einer leukozytoklastischen Vaskulitis; sie können aber auch zu großen Nekrosen und Ulzerationen führen, wenn größere Gefäße betroffen sind.

Die Arteriitis temporalis der großen Gefäße ist gekennzeichnet durch das Auftreten von Nekrosen, Blindheit, starken Kopfschmerzen und erhöhte Blutsenkung, was sofort eine Behandlung mit Kortison notwendig macht.

Akrale Vaskulitis

Akral auftretende Vaskulitiden sind Thrombangitis obliterans, septische Vaskulitis, Morbus embolicus, Panarteriitis nodosa und der SLE Chilblain. Wenn eine Vaskulitis keine Ulzeration zeigt, müssen wir an die lymphozytäre Vaskulitis oder Purpura pigmentosa denken sowie an die Hepatitis-C-assoziierte Vaskulitis und an ein Sneddon-Syndrom.

Diagnostik

Tabelle 7 und 8 geben einen Überblick über zu bestimmende Laborparameter sowie die bildgebenden Verfahren.
Die Biopsie gibt Auskunft über die Größe des Gefäßes, ob Immunkomplexe vorhanden sind (ja oder nein) und Fibrinthrombi. Die direkte Immunfluoreszenz zeigt uns, wo die Ablagerungen der Immunkomplexe sind. In der Differentialdiagnose der diagnostischen Hilfskriterien bei Vaskulitis kann das in Abbildung 13 dargestellte Schema hilfreich sein.

Symptome anderer Organe

Sieht man sich nach den klinischen Symptomen auch die Organbeteiligung an, so fällt auf, dass beispielsweise eine Panarteriitis nodosa praktisch nie in der Lunge vorkommt, häufig in der Niere, vor allem aber im Gastrointestinaltrakt und im Herzen, während die Wegener’sche und die Churg-Strauss-Vaskulitis so gut wie nie im Gastrointestinaltrakt auftreten.

Resümee

Als klinisch tätige Dermatologen können wir anhand klinischer Kennzeichen (Auftreten, Lokalisation, morphologische Kriterien, begleitende Symptome, histopathologisches Bild und Laborparameter) eine Vaskulitis sehr schnell einordnen, ob sie gefährlich und wie sie zu behandeln ist.