Moderne Pneumologie – praxisrelevant und patientenbezogen

Viele Sitzungen wie z. B. Osteoporose und  COPD, Highlight Rheumatologie und alternative  Therapien der Schlafatemstörungen  zeigten, dass sich die moderne Pneumologie  im aktiven Dialog mit anderen Spezialdisziplinen  befindet.
Eine Besonderheit der diesjährigen Jahrestagung  war die Einladung von Medizinstudenten  zu interaktiven Hands-on-Kursen (Bronchoskopie,  Spirometrie und klinisch-physikalische  Untersuchung), welche mit großem Interesse  angenommen wurde. Weiters bekamen erstmalig  interessierte Wiener BürgerInnen die  Möglichkeit, in der „begehbaren Lunge“ ein  begehbares Organmodell eines der wichtigsten  Organe des menschlichen Körpers besichtigen  zu können.

Luftqualität und  Lungengesundheit 

„Umweltverschmutzung beeinflusst das Leben  von jedem Menschen“, mit diesen Worten  eröffnete der Epidemiologe Prof. Torben Sigsgaard,  Dänemark, die Sitzung „Luftqualität  und Lungengesundheit“. Umweltverschmutzung  ist durch den Transport von Partikeln und  Gasen wie z. B. Ozon, Stickoxid, Kohlenmonoxid  grenzüberschreitend. Die höchsten Konzentrationen  werden durch den Menschen selbst  verursacht, vor allem bei Verbrennungsvorgängen,  wie sie beim Heizen oder beim Transport  entstehen.
Innovative Studien konnten zeigen, dass bereits  durch einfache Methoden, wie die Restriktion  des Verkaufs von Kohle, die kardiopulmonale  Morbidität und Mortalität der Einwohner von  Dublin, Republik Irland verbessert werden  konnte. Longitudinale Studien, welche die  „long-terms effects“ der Umweltverschmutzung  untersuchen, sind jedoch leider kaum vorhanden.  Daher sind die Daten der bislang  einzigen, größten epidemiologischen Studie  aus der Schweiz, der SAPALDIA-Studie, welche  von Prof. Erich Russi, Schweiz, präsentiert  wurden, besonders interessant. Diese Studie  konnte zeigen, dass die langfristige Exposition  von Feinstaubpartikeln (PM 10 und PM 2,5)  einen signifikanten Einfluss auf den Abfall der  Lungenfunktion mit der Zeit, vor allem im Bereich  der kleinen Atemwege, hat. Dieser  Einfluss ist jedoch sehr variabel im Sinne  einer gesteigerten, individuellen Empfindlichkeit  („susceptibility“). Die Reduktion von Feinstaub  und ein daraus resultierender, positiver Effekt  auf den natürlichen Abfall der Lungenfunktion  sind, unter anderem, abhängig von genetischen  Prädispositionen. In naher Zukunft wird sich  die Forschung daher auf individuelle, genetische  Faktoren fokussieren, um die Entstehung von  chronischen Lungenerkrankungen wie COPD  und Asthma ein Stück weit mehr entschlüsseln  zu können. 

Tabakentwöhnung und  Nichtraucherschutz

Ein wesentlicher Faktor für die Entstehung  von chronischen Lungenerkrankungen ist der  Zigarettenrauch (aktiv und passiv). Prof.  Russi stellte zu seiner Verwunderung fest,  dass in Wien an vielen öffentlichen Plätzen  und Restaurants weiterhin kein flächendeckender  Nichtraucherschutz etabliert ist. „Im Vergleich  zu Europa steht Österreich bei der  Umsetzung von Tabakkontrollmaßnahmen unrühmlich  auf den hintersten Plätzen“, berichtet  Dr. Thomas Hering, Deutschland, der in der  Sitzung „Tabakentwöhnung und Nichtraucherschutz“  die Resultate der europäischen  EQUIPP-Studie präsentierte. Diese Studie  untersucht die Umsetzung der Framework  Convention on Tobacco Control der WHO,  die freiwillige internationale Richtlinien zur  Eindämmung der Tabakepidemie veröffentlichte.  Unter anderem wurden diese Richtlinien auch  von Österreich unterzeichnet. Das Ziel ist  es, heutige und zukünftige Generationen vor  den „verheerenden, gesellschaftlichen, umweltrelevanten  und wirtschaftlichen Folgen  des Tabakkonsums und Passivrauchens durch  verschiedenste Maßnahmen zu schützen“.  Die größten Defizite in Österreich sind die  fehlende Anerkennung der Nikotinsucht als  Erkrankung sowohl von Seiten der Gesellschaft,  aber auch von medizinischem Personal, fehlender  Kostenersatz der Nikotinersatztherapie,  regionale Unterschiede der Tabakentwöhnungsprogramme,  fehlende zentrale Organisationsstrukturen  und die ungenügende Einbindung  von Hausärzten in die Tabakentwöhnung.  Daraus resultierend haben österreichische  Experten Empfehlungen präsentiert  und die Umsetzung dieser durch PneumologInnen  empfohlen, um in Zukunft den Nichtraucherschutz  in Österreich zu verbessern  und dem internationalen Standard anzupassen. 

Update  Asthma bronchiale 

Dass nicht nur Umwelt und Rauchen (aktiv  und passiv) einen negativen Einfluss auf die  Lungenfunktion in der Kindheit haben und  somit die Entstehung von respiratorischen  Erkrankungen im Erwachsenenalter fördern,  sondern auch respiratorische Viren ursächlich  bei der Entstehung von Asthma sein können,  berichtet Prof. Maximilian Zach, Österreich,  in der Sitzung „Asthma bronchiale – Update“.  So ist bekannt, dass manche Säuglinge und  Kinder mit rezidivierenden Bronchitiden eine  Prädisposition zur Entwicklung von obstruktiven  Lungenerkrankungen im Alter haben. Auslöser  für Bronchitiden sind vor allem der Respiratory  Syncytial Virus (RSV) und die Rhinoviren  (RV). Ob die Infektion mit diesen Viren eine  Schädigung der Atemwege und eine daraus  resultierende Asthmaentwicklung zur Folge hat, oder ob durch eine bestehende (genetische)  Prädisposition zum Asthma eine Manifestation  einer virusinduzierten Bronchitis  möglich macht, ist mit der derzeitigen Datenlage  nicht festzulegen. Ebenso ist die (eventuell kumulative) Rolle der allergischen  Prädisposition in diesem Zusammenhang  noch weitgehend ungeklärt. Tatsache ist:  die Entwicklung von Asthma kann nicht nur  durch eine genetische Prädisposition bedingt  sein, da in den USA nachgewiesen wurde,  das die Asthmawahrscheinlichkeit auch vom  Zeitpunkt der Geburt bzw. Alter bei der winterlichen  Virusepidemie abhängig ist. Prof.  Zach stellt in Zusammenschau der derzeitigen  Datenlage die Hypothesen auf, dass durch  RSV-Infektionen die Entwicklung von rezidivierendem  Giemen (im Sinne eines nicht-allergischen  Asthmas) oftmals induziert wird  und RV-Infektionen, Meilensteine in der Entstehung  eines allergischen Asthma sein  könnten. Dies hätte in der frühzeitigen Detektion  und weiterführenden Therapie von  prädisponierten Personen (Entwicklung einer  obstruktiven Lungenerkrankung im Erwachsenenalter)  wichtige Implikationen. 

Der individuelle  COPD-Patient 

Die Komplexität der Entstehung von chronischen  obstruktiven Lungenerkrankungen und die betonte  individuelle Auswirkungen auf den Patienten  wurde in der Sitzung „Who is COPD?“  ausführlich beleuchtet. „Patienten mit COPD  sind unterschiedlich“, sagt Prof. Emiel Wouters,  Niederlande. Er präsentierte die exklusiven  Daten der ECLIPSE-Studie, welche longitudinal  erstmalig mehrere Tausende COPD-Patienten  untersucht. Patienten mit derselben Erkrankung  haben unterschiedliche Phänotypen, und dies  muss auch in einem ganzheitlichen Kontext  (von der Therapie bis zur Rehabilitation) beachtet  werden.
Ein besonders interessanter Ansatz war die  Vorstellung der „4 P Medizin“ von Prof. Alvar  Agusti, Spanien. Er betonte die Komplexität  der COPD auf klinischer, zellulärer und molekularer  Ebene. Die Notwendigkeit der multidimensionalen  Betrachtung dieser schwerwiegenden  Erkrankung über die eingeschränkte  Lungenfunktion hinaus, unter Einbindung verschiedenster  Ko-Morbiditäten wird dem Patienten  zu Gute kommen. Die „4 P Medizin“  (Personalized, Predictive, Preventive, and Participatory)  inkorporiert die individuelle Entwicklung,  die Empfindlichkeit gegenüber auslösender  Noxen und den Einsatz von innovativen  Methoden in Diagnostik und Therapie unserer  Patienten in Zukunft.