Auf Einsatz bitte

Jüngst war ich als „Austausch-Praktikantin“ bei einer Freundin in Österreich in deren Apotheke zu Gast. Eigentlich wollte ich mir ein Bild vom E-Rezept machen. Es gab aber etwas anderes, das meine Aufmerksamkeit viel mehr anzog.

Ehe ich Sie jedoch mit meiner Erkenntnis beglücke, muss ich doch sagen, dass ich vom E-Rezept auf der E-Card ziemlich beeindruckt war und bin. Ja, ich weiß, da läuft noch nicht alles zu 100 % geschmeidig, aber doch um vieles smoother (um es mal in schönem Neudeutsch zusagen) als in Deutschland. Wobei wir hierzulande sowieso noch Lichtjahre von „smooth“ entfernt sind. Wäre schon schön, wenn digital überhaupt mal irgendetwas laufen würde.

Who the fuck is Einsatz?

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Als ich da so auf meinem Beobachtungsposten neben der Tara stand und versuchte, das Ö-Szenario mit meiner D-Pillenstube zu überblenden, fiel mir eine Situation auf, die so gar nicht ins schwarzrotgoldene Schema passen wollte: Der Kunde holt ein Medikament auf Einsatz.

Sie staunen jetzt vielleicht, und Deutsche Kolleginnen und Kollegen würden das auch tun – allerdings aus anderen Gründen. Was in Österreich nämlich so selbstverständlich ist, dass die EDV-Anbieter eine eigene Funktion dafür ins Kassenprogramm einbinden, ist in Deutschland nicht existent. Gehen Sie hier in eine Apotheke und sagen Sie, Sie hätten gerne *wasauchimmer* auf Einsatz. Man wird Sie anschauen, als hätten Sie chinesisch gesprochen.

Den Terminus „auf Einsatz“ gibt es hierzulande nicht. Und mal Hand aufs Herz, liebe heimatliche Kolleginnenschaft: Wie oft wird bei Ihnen ein Einsatz nicht aufgelöst? Ist also de facto ein Privatverkauf? Ohne Rezept?

Kein Notfall-Paragraf

So eine Vorgehensweise (also Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung) ist im Verständnis der deutschen Apothekerinnen und Apotheker ein absolutes No-Go. Das wird hier auch wirklich (meist) restriktiv gelebt. Ein Umstand, den ich erst lernen musste und den ich während meiner Filialleiter-Zeit zugegeben ein bisschen salopper gehandhabt habe als so mancher Kollege. Ich weiß, ich kann Ihnen das im Vertrauen sagen und Sie werden mich nicht verraten … nicht wahr? (Stellen Sie sich jetzt bitte wahlweise einen sehr strengen Blick vor oder etwas Welpenaugenaufschlagähnliches – je nachdem, was bei Ihnen besser funktioniert.)

Vermutlich würde meine Einstellung umgehendes Teeren und Federn durch die Deutsche Kammer zur Folge haben, aber ich verstehe meinen Beruf so, dass ich Leuten helfen möchte. Und wenn das „nur“ ein junges Mädel ist, das verzweifelt vor mir steht, weil sie „die Pille“ im Urlaub liegen hat lassen und so schnell keinen Arzttermin bekommt. Wenn die Verschreibung plausibel ist, dann bin ich gewillt, hier zu helfen. Und wenn man morgens merkt, dass das gerade die letzte Schilddrüsentablette war und der Arzt gerade in Urlaub ist, dann kann man natürlich sagen, dass sich erwachsene Menschen das eben besser einteilen müssen. Man kann aber auch den menschlichen Aspekt voranstellen. Und am Ende gibt es dann ja sogar noch den Notfallparagrafen für Härtefälle – in Österreich!

Ich kann das jetzt wirklich nicht mit letzter Gewissheit sagen, aber eine derartige Carte blanche für die Arzneimittelabgabe ist mir hier in Deutschland noch nicht untergekommen.

Besser vorbereiten

Welche Lehre möchte ich Ihnen mit meinem kleinen Bericht mitgeben? Nein, nicht, dass die deutschen Apotheker und Apothekerinnen alle sehr gesetzestreu und korrekt sind. Nein, ich würde es auch nicht anders formulieren wollen (also vielleicht schon, aber ich mache es nicht – meine Kolumne wird auch in Deutschland gelesen).

Aber wenn Ihre Kundinnen und Kunden (oder auch Sie selbst) nach Deutschland fahren wollen: Denken Sie an eine gute, ausreichende Medikamentenversorgung. Die Hintertüre mit „auf Einsatz“ gibt es hier nämlich nicht!