Denn langsam, aber sicher bewegt sich auch Deutschland in Richtung Lockerungen. Und wie in Österreich wird auch hierzulande immer häufiger als Zugangskriterium für die (nach wie vor sehr zahlreichen) nicht vollständig Geimpften ein „tagesaktueller“ Schnelltest gefordert.
Wobei lange Zeit nicht klar war, was man unter „tagesaktuell“ zu verstehen hat. Mittlerweile hat sich die 24-Stunden-Gültigkeit weitestgehend etabliert. Für viele stellt sich nun die Herausforderung, 24 Stunden vor ihrem geplanten Friseurbesuch eine Teststelle zu finden.
Noch vor wenigen Wochen war dies tatsächlich eine Tour de Force. Mittlerweile hat sich das Angebot aber wesentlich gebessert. Nach wie vor bietet nur etwa ⅓ aller öffentlichen Apotheken diesen Service an und freilich nicht immer zu der Zeit, wo es dem Kunden gerade genehm wäre. Sie kennen bestimmt die Kandidaten, die um 10:15 vor der Tara stehen und sofort getestet werden wollen, weil sie um 11:00 den Friseurtermin haben. Diese Gleichgültigkeitsakrobaten gibt es auch bei uns. Sie werden aber immer weniger, denn im Laufe der letzten Wochen entstand in Deutschland das Phänomen der „Testzentren“.
Was nach groß organisierter Massentestung klingt, kann von der Teststraße im angemieteten Ladenlokal mit mehreren Nasenbohrern gleichzeitig bis hin zum kleinen Pagodenzelt am Tankstellenparkplatz mit einem Tester in Ganzkörper-Plastikverpackung unter der prallen Sonne reichen.
So vielfältig wie die Ausgestaltungen sind auch die Betreiber. Während anfangs nur medizinisches Personal sowie Apothekenmitarbeiter nach Aufschulung und Rot-Kreuzler als Stäbchenführer anerkannt waren, kann mittlerweile jeder, dessen Ansuchen beim Gesundheitsamt positiv beschieden wird, mit entsprechender Kurzschulung seine Nasenbohrdienste anbieten.
Jeder Bundesbürger darf einmal pro Woche gratis den Dienst eines „Testzentrums“ in Anspruch nehmen. Wie das kontrolliert wird? Gar nicht. Man vertraut da auf die Ehrlichkeit der Testnasen – und freilich auch der Anbieter. Denn so wie jeder ohne Vorweis irgendeiner Berechtigung getestet werden kann, so erfolgt auch die Abrechnung alleine aufgrund der Angaben der Betreiber.
Und diese rekrutieren sich mittlerweile aus diversen Berufsgruppen, die man auf den ersten Blick nicht unbedingt dem Gesundheitsbereich zuordnen würde. Vor allem Messebauer, aber auch Vertreter anderer Corona-gebeutelten Branchen pflanzen ihre Testzelte auf diverse Supermarkt-, Bahnhofs- und Tankstellen-Parkplätze. Als Stäbchenführer verdingen sich meist Studenten, die in ihre Plastikschutzfolie gehüllt entweder schlotternd im oder schwitzend vor dem Zelt nach potenziellen Testnasen Ausschau halten.
Aufgrund des immensen Angebots wundert es nicht, dass die Termintreue mehr und mehr zu wünschen übriglässt. Unlängst stand ich am Abend nach 10 langen Arbeitsstunden in meiner PSA-Vollvermummung in meiner „Test-Offizin“, und vier angemeldete Personen in Folge glänzten durch Nichterscheinen. Eine kecke Vermutung, dass sie vielleicht tagsüber an so einem Testzelt vorbeimarschiert sind, das ohne Voranmeldung – aber eben auch ohne Temperaturkontrolle und mit bescheidenem Fachwissen – mal kurz den benötigten Abstrich vornimmt. Wieso also nicht die Gelegenheit beim Schopf packen? Die Apotheke braucht’s ja eh nicht.
Und ich bin mittlerweile wirklich am Überlegen, ob wir’s „brauchen“. Während das Shell-Tankstellen-Parkplatz-Zelt nämlich in der Regel keine Miete zahlt und mit recht überschaubaren Personalkosten vermutlich schnell in die Gewinnzone steuert, geht die Rechnung bei mir mit einer Abgeltung von 16,– brutto pro Testling inklusive Materialaufwand, Betriebskosten und Fachpersonaleinsatz nur noch schwer auf. Aber vermutlich legen die meisten Testbürger keinen Wert auf Facharbeiter, wenn man ohnehin nur einen Wisch für den Friseur braucht. Ein Schelm, wer denkt, dass da vielleicht sogar die Qualität versprechende Apotheke gar nicht so gerne angesteuert wird … nur so ein Gedanke …