Ein kleiner Stich für den Apotheker – ein großer Stich für die Apothekerschaft …? Teil 2

Willkommen zurück, liebe Leserin und lieber Leser. Erinnern Sie sich noch an die letzte Kolumne? Als ich endlich, ENDLICH kurz davorstand, meine erste Impfung abzufeuern?

Nun war es also fast so weit. Ich hatte mein eigenes Räumchen mit Tisch, Laptop, Kühlbox mit zweierlei Impfstoffen (normal und Hochdosis), Infoblätter zu den Impfungen, Stempel, Desinfektionstupfer, Pflaster (normal und Mickey-Mouse-Motiv), 2 Kulis und eine Liege. Letzteres war das Schwierigste an der ganzen Planung: Um Impfen zu dürfen, ist nämlich ein Raum mit Liege gefordert. Und damit scheiden die allermeisten Beratungskämmerchen vermutlich aus.

Ich hatte das Glück, dass uns von dem Einkaufscenter, in dem meine Impf-Herbergs-Apotheke angesiedelt ist, ein Raum in unmittelbarer Nähe zur Offizin zur Verfügung gestellt wurde (okay, vermutlich hat es geholfen, dass ich seit 6 Jahren unter derselben Adresse anzutreffen bin wie der Center-Manager …), in dem auch bequem eine stabile Liege Platz fand.

Keine Spur mehr von Aufregung

Die Räumlichkeiten waren also top, das Equipment auch und von der Apotheke wusste ich, dass das Interesse durchaus groß war und bereits die ersten fixen Anmeldungen eintrudelten. Und ganz plötzlich war meine Nervosität wie weggeblasen und ich freute mich einfach nur noch, als würde ich gleich einen neuen Kontinent entdecken oder zu einer Weltumsegelung aufbrechen oder irgendetwas ähnlich Epochales.

Vielleicht erinnern Sie sich noch, wie es war, als Sie Ihr erstes Stäbchen in eine Testnase eingeführt haben? Das Kribbeln vor meiner ersten Impfung war ungefähr 10-mal stärker. Und dann kam er tatsächlich durch die Türe: mein allererster Impfling. Ein Mann Anfang 50, gut gelaunt, in entspannter Plauderstimmung und mit einem Oberarm, auf dem mehr Haare wuchsen als auf den meisten Männerköpfen desselben Alters. Ich kam mit meinem kleinen Alkoholtupfer kaum richtig auf der Epidermis an, und das abschließende Pflaster schwebte locker 5 mm über der eigentlichen Einstichstelle. Noch dazu eines mit Goofy-Motiv – ich hatte nämlich bei der Vorbereitung die neutralen weißen in der Apotheke vergessen. Aber der Stich selbst funktionierte super. In einer geschmeidigen Bewegung versenkte sich die Nadel bis zum Ansatz im Oberarm. Irgendwie hatte ich nämlich befürchtet, dass es Widerstand geben würde, oder die Nadel zu lang wäre oder … jedenfalls waren alle meine Bedenken umsonst gewesen.

Impfen ist kein Hexenwerk

Auch beim gleich darauffolgenden Impfling Nummer 2 lief alles problemlos, bei der jungen Frau danach ebenso und bei den weiteren 3, die in den zwei anberaumten Stunden noch kamen, dito. Die Gepieksten waren bester Laune (auch nach dem Stich), bedankten sich höflich und zeigten sich allesamt erfreut über die tolle Möglichkeit, sich einfach und schnell in der Apotheke (oder in meinem Fall halt gleich neben der Apotheke) im Vorbeigehen gegen Grippe impfen zu lassen.

Ich möchte noch erwähnen, dass meine Impflinge aus allen Schichten und allen Altersgruppen entstammten: von der frisch ausgelernten Hörakustikerin (die eigentlich nur ihrem Vater den Impfpass bringen wollte und dann auch gleich die Gelegenheit nutzte) über die Aldi-Expansionsleiterin und den arbeitslosen Migranten bis zur Pensionistin waren alle Bereiche in diesem kleinen Sample vertreten. Aber eben alle haben unaufgefordert zum Ausdruck gebracht, wie gut ihnen dieses Angebot in der Apotheke gefällt.

Für alle ein Gewinn

Nach meinem ersten Einsatz kann ich also sagen: Der Aufwand ist nicht ohne – sowohl was die räumlichen Voraussetzungen als auch die Administration angeht – aber machbar. Und der Akt des Impfens per se ist wirklich kein Hexenwerk. Da kann man sich als Apotheker gut dranwagen. In Summe bin ich daher mehr denn je überzeugt, dass das Impfen in den Apotheken eine absolute Win-win-Situation ist: für die Apotheke, weil sie sich einmal mehr als zentraler, niederschwelliger Anlaufpunkt in Gesundheitsbelangen etablieren kann, für unsere Kunden, die schnell und unkompliziert den Impfschutz erlangen, aber auch für das Gesundheitssystem: Denn alleine in meinem ersten Grüppchen gab die Hälfte der Frischgeschützten an, dass sie die Situation beim Schopf gepackt haben und sonst vermutlich nicht Grippeimpfen gegangen wären.

Mehr davon!

Ich hoffe sehr, dass diese kleine Modellprojekt-Blase, in der ich mich gerade bewegen darf, in den nächsten Jahren richtig groß wird und sich über Länder- und auch Indikationsgrenzen hinweg ausdehnt. Und ganz zum Schluss möchte ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen noch sagen: Wenn sich Ihnen die Chance zum Impfen bietet, greifen Sie zu! Auch wenn es anfangs vielleicht eine kleine Überwindung darstellt: Ich weiß, dass Sie das mindestens so gut können werden wie ich. 😊