Erinnern Sie sich noch an meinen letzten Artikel über die eben in Deutschland freigegebenen „abrechenbaren pharmazeutischen Dienstleistungen“? Wenn nicht, lesen Sie nochmals schnell nach.
So, nachdem wir nun alle am selben Informationsstand über die Theorie sind, möchte ich Sie über die Praxis ins Bild setzen.
Wenn Sie jetzt nämlich denken, dass ob dieses epochalen Vorstoßes der Kammer ein großer Jubel durch die Apothekerschaft hallte und allerorts Freudenfeuer vor den Offizin-Schiebetüren abgefackelt wurden, haben Sie sich getäuscht. Nicht einmal ein kleines Glücksgrunzen war zu hören.
Der Grund liegt vermutlich zu einem (nicht unwesentlichen) Teil bei den Apotheken selbst, sind wir doch nicht ganz zu Unrecht als konservativ und (von Ausnahmen abgesehen) in der Masse als wenig fortschrittsfreudig bekannt. Aber ein zweiter Faktor vermiest die Aufbruchstimmung noch viel mehr: nämlich die Reaktion der Ärzteschaft.
Ist es für mich beim Impfen noch irgendwie nachvollziehbar, dass sich der eine oder die andere Dottore bzw. Dottoressa ihrer allmächtigen Alleinherrschaft im Nadelversenken beraubt fühlt, kann ich das bei den pharmazeutischen Dienstleistungen leider gar nicht verstehen. Und die Ärzteschaft findet es nicht nur suboptimal super, dass Apotheken Medikationsmanagement abrechnen dürfen, sie machen massiv dagegen Stimmung. In einem Bundesland hat die Ärztekammer ihre Mitglieder dazu angehalten, sämtliche (berichteten) Apothekenfehler bei Abgabe oder Beratung schriftlich festzuhalten und zu melden. Woraufhin – wenig erstaunlich – die Apotheker:innen ihrerseits dazu übergegangen sind, Fehler der Ärzt:innen aufzuzeichnen.
Liebe Ärzt:innen, liebe Apotheker:innen, echt jetzt? Müssen wir uns wirklich in ein derartiges Denunzianten-Spiel treiben lassen? Klar machen wir in der Apotheke Fehler. So wie auch bei den Ärzt:innen Fehler auftreten. Deshalb gibt es das 4-Augen-Prinzip. Deshalb hat sich die Trennung von Verschreibung und Dispensierung seit Jahrhunderten bewährt. Sollten wir nicht lieber noch mehr Hand in Hand für das Wohl und die Gesundheit unserer Kund:innen und Patient:innen arbeiten?
„Ja, das liebe Geld“, werden Sie jetzt vielleicht sagen. Nun, für den größten Zankapfel, das Medikationsmanagement, darf die Apotheke wohlfeile 90 Euro abrechnen. Klingt auf den ersten Blick tatsächlich ziemlich spektakulär. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man aber, dass dafür eine (Apotheker-)Arbeitszeit von ca. 1,5–2 Stunden zu veranschlagen ist (Patienten-Erstgespräch und Follow-up, dazwischen die genaue Analyse von mindestens 5 verschiedenen Medikamenten – bei weniger hat man noch keinen Anspruch). Finanziell also nicht so prickelnd – ganz abgesehen davon, dass man diese Zeit in der aktuell angespannten Personalsituation überhaupt einmal aufbringen können muss.
Da finde ich persönlich die 20 Euro für die Einschulung auf Inhalationsgeräte oder auch die 11,20 Euro für die Betreuung des Hypertonie-Patient:innen attraktiver – relativ gesehen. Denn absolut betrachtet ist es immer noch ein überschaubarer Lohn für ziemlich viel (vor allem bürokratische) Arbeit.
Weil sich jetzt also das Gesamt-Setting aus massiv opponierender Ärzteschaft und mäßiger finanzieller Abgeltung als bedingt sexy für die Apotheken präsentiert, ist auch das Angebot dieser neuen abrechenbaren Dienstleistungen überschaubar.
Ich habe einmal eine kleine Umfrage unter meinen Instagram-Kolleg:innen gestartet, und nicht einmal die Hälfte ist bereits auf den neuen Zug aufgesprungen. Dabei wage ich zu behaupten, dass mein Social-Media-Umfeld zum aktiven und begeisterungsfähigeren Teil der deutschen Apothekerschaft zählt.
Und weil von Apothekerseite wenig Werbung dafür gemacht wird, ist auch das Kundeninteresse recht bescheiden.
Meine Apotheke ist übrigens auch (noch) nicht mit im „Pharmazeutische Dienstleistungen“-Boot. Ginge es nach mir, würden wir die neuen Möglichkeiten groß im Schaufenstermonitor bewerben. Aber mein Chef will nicht. Aus Angst vor den Ärzt:innen.