Nicht für die Apotheke, für das Leben lernen wir

In Deutschland ist es für Schüler und Schülerinnen obligat, während ihrer Pflichtschulexistenz 2 bis 3 Berufspraktika zu absolvieren. Es wird dann von der Schule eine Woche vorgegeben, in der die Arbeitskräfte von morgen in ihren Wunschberuf hineinschnuppern können…oder in einem Betrieb die Zeit absitzen.

Immer wieder nie wieder

Grundsätzlich finde ich das eine super Sache: junge Leute lernen die Arbeitswelt kennen. Und zwar nicht nur an einem Tag, sondern während einer ganzen Woche. Sie erleben dadurch hautnah, wie es ist, in einem Team zu arbeiten. Sie erleben aber auch hautnah, wie es ist, zu arbeiten. Deshalb nehme ich immer wieder gerne Praktikanten an – auch wenn ich mir ganz oft, wenn die Woche rum ist, sage, dass es der Letzte war.

Denn da sind wir auch schon beim Kern des Themas: der Arbeitseifer!

Dieser korreliert häufig, aber nicht immer, mit dem ersten Eindruck. Und nach 6 Jahren und bestimmt zwei Dutzend Praktikanten kann ich sagen: ich wurde noch nie positiv überrascht.

Natürlich ist mir bewusst, dass so ein 14-jähriger Jungmensch sich nicht die Apotheke als Praktikumsplatz aussucht, weil das der absolut obercoolste Arbeitsplatz in seinem Playstation-Universum ist, sondern weil die Eltern das vorgeschlagen haben; oder eine Freundin bereits bei uns ein Praktikum überlebt hat; oder die Apotheke da war, als der Jungmensch grübelnd auf Praktikumsplatzsuche die Straße entlangschlurfte.

Einmal antanzen bitte

Ich erwarte vor Zusage der Stelle immer ein persönliches Vorstellen. Nicht weil ich Angst hätte, mein Praktikant könnte einen halben Liter Farbe unter und ein Kilo Altmetall in der Gesichtshaut haben. Ist mir in diesem Fall ziemlich wurscht. Es geht darum, eine gewisse Ernsthaftigkeit in die Sache zu bringen. Wenn es dem Teeny nicht die Mühe wert ist, auf ein Antrittsgespräch vorbeizukommen, ist es mir nicht die Mühe wert, ihm dann die Abläufe in der Apotheke zu erklären.

Wobei ich schon Praktikant:innen hatte, die denn „Heb deinen Hintern hoch und komm vorbei“-Test bestanden hatten, dann aber trotzdem nur wenig Erklär-Aufmerksamkeit von mir bekamen. Denn bei manchen Kandidaten stellt sich sehr schnell heraus, dass ihre vorrangige Qualität in dekorativer Sesselzierung und gelangweiltem „weiß ich doch“ oder „geht mir am *** vorbei“ – Lächeln besteht.

Das geht mir dann wieder sehr schnell am A vorbei und der Praktikant verbringt die Woche mit Kleingeld in unsere Kassenautomaten Nachfüllen (Münzeinzeleinwurf! Macht vor allem bei 1C und 2C richtig viel Spaß), Stoffbeutel falten (da gibt es ganz ausgefeilte Techniken), Rechnungen nach Alphabet sortieren und (eine Arbeit die wirklich nur Spezialkandidaten machen müssen) Regale abstauben.

Doch die Hoffnung lebt!

Es gibt aber Gott sei Dank auch die Ausnahmen. Jene jugendlichen Lichtgestalten, die mich nicht ganz an der Zukunft der Menschheit zweifeln lassen. Pünktlich, freundlich, mit einer schnellen Auffassungsgabe, interessiert und im besten Sinne willig. Das sind Praktikanten, die dürfen dann auch mal das Schaufenster in Eigenregie dekorieren, Verkostungen durchführen und alleine die Botengänge zu den Arztpraxen erledigen.

Und wie es der Zufall so will, haben wir just in dem Moment, als ich Ihnen dieses nicht immer freudvolle Szenario in Buchstaben meißle, die allerentzückendste, allerfreundlichste und allerschlauste Praktikantin überhaupt. Eine – ich wag es kaum laut auszusprechen – die sogar mitdenkt!

Für die Apotheke und für das Leben

Ob es diese Praktikantin oder eine/r ihrer Vorgänger*innen dann später einmal wirklich berufsmäßig in die Apotheke zieht, ist für mich im Moment des Praktikums zweitrangig. Mir geht es darum, dass die jungen Leute sehen, was für ein breites Spektrum die Apotheke bedient und welch vielfältigen Leistungen wir bieten. Das dürfen sie dann gerne nach außen in ihre Familien und zu ihren Freunden tragen. Und ganz grundsätzlich sollen sie auch sehen, was „arbeiten“ bedeutet.

Ich erinnere mich noch an meinen ersten Ferialjob mit 16. Damals war ich der letzte Wurstel an einem Fließband, wo Fertigparkettbretter erzeugt wurden. Ich war nie wieder so motiviert, zu lernen, wie nach diesem Sommer!

Wenn die „ich bin schön, ich brauch nichts zu können“ – Fraktion „nur“ die Erkenntnis mitnimmt, dass man ohne Ausbildung und Leistung allenfalls für drittklassigen Hilfsleistungen eingesetzt wird, habe ich meine Aufgabe als Praktikumsplatz auch erfüllt – finde ich.