Letztes Mal ging es hier bei mir um das Thema Organspende. Aber es muss ja nicht gleich ein ganzer Gewebebrocken sein, von dem man sich aus Überlebenshilfszwecken trennt. Da gibt es auch einfachere und mindestens genauso lebenswichtige Optionen. Mit dem kleinen Unterschied, dass man selbst den Zeitpunkt der Spende bestimmt und nach 30 Minuten relativ unbeschadet die Prozedur durchlaufen hat. Jawohl, ich spreche vom Blutspenden.
Und man mag es kaum glauben: sogar hier gibt es Unterschiede zwischen meinen beiden (Wahl-)Heimatländern!
Ich hole an dieser Stelle ein wenig aus: meine Sympathie zum Blutspenden kam genauso wie jene zu „Nierndl mit Hirn“ (eine kulinarische Kreation, die aus der richtigen Küche kommend eine wahre Köstlichkeit ist – dürfen Sie mir ruhig glauben, falls es ihre Geschmacksknospen noch nie selbst erfahren durften): mein Vater hat mich als Kind mitgenommen und ich fand’s cool, ohne zu wissen, was da genau stattfindet. Bei „Nierndl mit Hirn“ hatte ich keinen Schimmer, wo sich das, was auf meinem Teller herumschwappte, ehedem befunden hatte. Beim Blutspenden parkte mich mein Vater immer irgendwo am Rand, ließ sich dann selbst anzapfen und nahm mich anschließend mit in die Katakomben des heimatlichen Stadtsaals, wo es Würstel und Mannerschnitten bis zur totalen Sättigung gab. Blutspenden war super.
Daher hatte ich auch wenig Berührungsängste, als mich mein Vater mit 18 Jahren fragte, ob ich mit ihm zur Blutspende mitkommen wolle (die Papa-Begleitung war da schon ein paar Jahre zuvor eingestellt worden). Und in schöner Regelmäßigkeit fand ich danach selbstständig den Weg zur mobilen Zapfsäule in meinem Heimatörtchen wie auch in die Blutspende-Zentrale in Wien (das sollten Sie sich übrigens mal gönnen, wenn Sie Blutspender sind. Ja, meine ich ernst. So komfortabel, wie sie dort Flüssigkeit abgeben, können Sie sie an den besten Plätzen nicht aufnehmen).
Dann kam mein Exodus nach Germanien und erstmal eine Zeit lang keine Spende meines besten Safts. Warum auch immer, denn – und da sind wir schon beim ersten großen Unterschied – während in Österreich das Rote Kreuz nur 2–3-mal im Jahr (geschätzt) seine Feldbetten in unserem Stadtsaal ausklappte, sind es hier in meinem unwesentlich größeren Wohn- und Wirkstädtchen mindestens 4 Termine im Jahr. Kaum ist die Nadel rausgezogen, bekomme ich schon die Verständigung für den nächsten Spendentermin.
Ich gebe es zu: nicht jeden nehme ich wahr, denn so easy peasy das Spenden an sich auch ist, merke ich doch am nächsten Tag eine ordentliche körperliche Leistungseinschränkung. Aber einen Termin schaffe ich immer, meist sogar zwei im Jahr.
Deshalb kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass auch das ganze Spendeprozedere in Deutschland anders abläuft. Also nicht das ganze. Der wesentliche Teil (stechen – Beutel mit 500 ml füllen – Verband drauf) ist gleich, davor und danach aber sind große Unterschiede. Und – Sie werden es kaum glauben – auch in diesem Punkt ist Deutschland (wieder einmal) viel komplizierter als Österreich.
Bevor man nämlich in die Horizontale kommt, muss man 4 (!) Kontrollpunkte absolvieren. Der erste ist allerdings Corona geschuldet und dient lediglich der Bestätigung der elektronischen Voranmeldung sowie der Maskenausgabe (egal was vor deiner Nase hängt: es muss getauscht werden).
Dann kommt die eigentliche Registrierung mit Ausweiskontrolle und die Aushändigung des mehrseitigen Fragebogens, wie er auch in Österreich allen Blutspendern freudvoll bekannt ist. Nächste Station ist Fragebogen abgeben – Fieber messen – Blutkontrolle –Blutdruckmessen (gibt’s genau so in Ö), und dann geht’s zu meiner „Lieblingsstation“: zum Arztgespräch.
In einer Art Wahlkabine sitzt Herr oder Frau Doktor meist in (deutlich) fortgeschrittenem Alter und beäugt den ausgefüllten Fragebogen. Wenn wie in meinem Fall keine Auffälligkeiten da sind (noch nicht mal schwanger gewesen und angesichts des Geburtsjahres auch kaum ein potenzielles unbekanntes Spende-Risiko), fühlt sich das medizinische Vis-à-vis jedes Mal (!) bemüßigt, mit mir irgendeine Konversation zu betreiben, die meist mit meiner ausländischen Herkunft und den damit einhergehenden Aufenthalten in ebenjenem Ausland in den letzten 6 Monaten zu tun hat. Immerhin weiß ich jetzt, dass es im Burgenland offensichtlich irgendeine Mücke gibt, die in Österreich keinen interessiert, die in Deutschland aber die Blutspende verhindern kann.
Na gut, geht vorbei, ist aber schon irgendwie nervig. Außerdem flutscht man leider nicht von einer Station zur nächsten, sondern muss immer wieder zwischendurch auf Wartesesselchen in jeweils einer anderen Ecke der Spendenhalle Platz nehmen.
Und das geht nach der Spende gleich weiter. Während ich in Österreich von der Zapfsäule direttissimo zur Labestation weitergehen konnte, folgt in Germanien nochmals eine Zwangspause an der Seitenlinie. Manchmal gibt’s sogar jugendliches Geleit von der Spendepritsche weg durch wirklich bemühte Jungrotkreuzler, die mich unterhaken wollen. Wollen. Noch kann ich selbst gehen, danke. Da bin ich eigen. Vermutlich zu viel Kontakt zu Rollatorschiebern tagsüber.
Den Unterschied zwischen deutschen und ausländischen Blutspendern erkennt man aber nicht nur am gestützten Gang durch den Saal, sondern auch daran, dass der germanische Zapfarm ab dem Moment der Verbandsumwickelung nach oben schnellt. Und dort auch die nächsten 5 Minuten bleibt.
Mag ja sinnvoll sein, sieht für mein ungewohntes Ösiauge auch nach Jahren noch ziemlich gewöhnungsbedürftig aus. Dann sitzt (oder liegt – auf Betten natürlich) man also an der Wand entlang, und nicht wenige halten dabei ihren gelöcherten Arm weiter in die Luft. Ich verdünnisiere mich stets ziemlich schnell aus dieser „Recreation Area“ und überhole dabei mit innerer Genugtuung mindestens 5–6 Armhochhalter.
Der Volumsverlust-Ausgleich danach variiert je nach Spendenstation zwischen Wurstsalat vom Buffet (bei mir) und Kotelett vom Holzkohlenrill (im Nachbarort). In Coronazeiten gibt’s aber überall nur Lunchpakete und der Inhalt ist bei mir ähnlich sexy wie bei den sonst kulinarisch beneideten Nachbarn.
Letztendlich ist das aber egal, denn Blutspenden geht man nicht wegen der Verpflegung, sondern aus sozialem Antrieb. Und wenn Sie es bis jetzt nicht gewagt haben, grundsätzlich aber spendefähig sind, kann ich Sie nur dazu motivieren, es zu wagen. Die leichte körperliche Schwäche in den folgenden Stunden (und es sind nur ein paar Stunden) nehme ich gerne in Kauf für das Wissen, mit meinem halben Liter Blut bis zu drei Menschenleben retten zu können.
Der Aufwand ist echt überschaubar – in Österreich noch mehr als in Deutschland. Ich weiß, es fällt Ihnen schwer, das zu glauben, aber die kleine Alpenrepublik ist in so vielen Punkten so viel unkomplizierter.