Tankstellenshopping in der Apotheke

Ich gebe es zu: Ich bin kein Fan von Nachtdiensten. Nie gewesen, obwohl, oder vermutlich eher gerade weil, ich die ersten 14 Jahre meines Berufslebens in einer 2er-Turnus-Apotheke zugebracht habe und als leitende Apothekerin das wenig vergnügliche Vergnügen hatte, alle 4 Wochen mit Sack, Pack und Topfpflanze (kein Witz, war zeitweise mit im Gepäck) Freitagfrüh die Apotheke zu betreten, in dem Wissen, erst Montagabend wieder den Fuß in die Freiheit setzen zu können.

Ich bin also quasi der Nachtdienst-Obelix der Pharmazeuten. Also als Jungapothekerin zu viel davon abbekommen. Aber als pflichtbewusste Pillenverscherblerin mit grundsätzlich dauerpositivem Mindset übernachte ich nach wie vor regelmäßig in der schnuckeligen Klappbettnische hinter dem Chefbüroschreibtisch. Allerdings jetzt in einem 25er-Rad. Ja, ich gebe Ihnen Recht: Das kann man aushalten. Immerhin weiß man, worauf man sich arbeitszeitentechnisch einlässt, wenn man den Apothekerberuf ergreift.

Bequemlichkeit schlägt Finanzvernunft

Was mich aber in letzter Zeit zunehmen ärgert, ist das sich aufdrängende Gefühl, dass gerade die U30-Generation den Nachtdienst als Äquivalent zum Tankstellenshop sieht.

Gefühlt (also sehr subjektiv) haben vorrangig jüngere Mitbürger:innen wenig Probleme damit, dass die Produkte an der Tankstelle ein wenig mehr kosten, der Einkauf an der „Tanke“ dafür aber auch ein Mehr an Komfort bringt (50–100 m kürzerer Fußweg vom Auto zum Geschäft, den Rückweg mitgerechnet also immerhin 100–200 m und außerdem … Nein, sonst fällt mir kein Argument ein – sorry). Nach 23:00 besteht mein Notfallklientel fast ausschließlich aus Nach-der-Jahrtausendwende-Geborenen, die zum Großteil ein (in Deutschland „das“!) Nasenspray kaufen.

Letzte Woche klingelt so ein Frischführerscheinpärchen um 4:00, verlangt ebenjenes Sprühding, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, und zahlt dafür 6,06 Euro. Jup, richtig gelesen. In Deutschland beträgt der Nachtzuschlag nämlich heiße 2,50 Euro, und das Objekt der Begierde war blöderweise gerade bei uns in Aktion.

Adäquater Nachtzuschlag

Bei meinem letzten Österreich-Besuch staunte ich nicht schlecht, als mir eine Kollegin (Danke, liebe Karin!) von den aktuellen Zuschlägen in Österreich berichtete. 12 Euro zwischen 1:00 und 7:00! Wie konnte mir das entgehen? Wo waren die Freudenfeuer, Leuchtraketen und China-Böller? Die glückseligen Tänze und laut schallenden Chöre?

In jedem Fall beglückwünsche ich Sie dazu, liebe österreichische Kolleginnen und Kollegen. Und ich gebe es zu: Ich beneide Sie sehr. Nicht wegen des zusätzlichen Klingelns in der Kasse, sondern weil es eine Form der Wertschätzung unserer Leistung ist – und mehr als gerechtfertigt.

Die Apotheke ist nämlich kein Tankstellenshop.