Testen für Idealisten

Ich wollte eben schreiben „dem Schnelltesten“, aber schnell läuft hier in Deutschland leider gerade gar nichts. Während Sie, meine geschätzten österreichischen Kolleginnen und Kollegen, bereits flächendeckend Stäbchen in die Nase bzw. den Rachen führten, war Deutschland noch in der Test-Brache. Erst Anfang Februar kam so etwas wie das apothekerliche Erwachen. Allerdings mit einer sehr langen Dehn- und Streckphase. Anfangs war es eine überschaubare Zahl von Berufsgenossen, die ihr Pillenstübchen oder einen angemieteten Raum zu Testzwecken öffneten.

Auf die Plätze, fertig, rein!

Inspiriert von Ihrem Eifer in Österreich, der (wie immer) über die Sozialen Medien zu mir nach „Germanien“ schwappte, lag ich meinem Chef wochenlang in den Ohren, dass wir doch auch auf diesen Testzug aufspringen sollten. Und der war anfangs trotz Schneckentempo ein recht lukrativer. Für Lehrer und Erzieher gab es spezielle Berechtigungsscheine, die uns wohlfeile 30 Euro je Nase in die Kasse spülten. Der gemeine Bürger durfte sich zu dem Zeitpunkt noch nicht auf Bundeskosten rachenkitzeln lassen. Wollte er dies aus eigenem Antrieb (oder dem des Chefs oder der Grenzüberschreitung) tun, verbuchten wir sogar 35 Euro an die Privatperson.

Bald folgten dann verordnungsgestützte Gratis-Testangebote für Kontaktpersonen in Quarantäne, Berufspendler und Wahlhelfer, die von Bund bzw. Land mit nicht mehr ganz so generösen 18 Euro (brutto selbstverständlich) abgegolten wurden.

Der Test-Wert-Verfall

Und dann kam Mitte März die Verlautbarung, dass sich fortan jeder und jede in Deutschland Lebende einmal wöchentlich testen lassen dürfe. Natürlich mussten dann die Preise angepasst werden, und deshalb bekommt man als Teststelle seit 1. 4. nur noch mickrige 16 Euro pro durchgeführtem Test. Davon verstehen sich 4 Euro für Materialkosten (maximal! Die Materialkosten müssen nachgewiesen werden. Sie dürfen an dieser Stelle gerne lachen – würde ich auch, wenn’s nicht so traurig wäre) und 12 Euro für den Arbeitsaufwand (alles inkl. MwSt. versteht sich). Mit einer derartigen Vergütung schaffen wir gerade eine kostendeckende Abwicklung – vorausgesetzt, dass auch alle angemeldeten Testnasen erscheinen. Denn die Zahl der No-Shows steigt kontinuierlich. Ein Gratis-Test steht in der Wertigkeit des Bürgers offensichtlich nicht besonders weit oben.

So verwundert es nicht, dass die Begeisterung der Apothekerschaft enden wollend ist. Bei uns im Ort gibt es 3 Apotheken, und wir sind die einzige, die testet. In manchen Kleinstädten findet sich gar keine, bundesweit betätigt sich derzeit angeblich ein Drittel aller Pillenstübchen auch als Nasenbohranstalt.

Egal, wer testet

Leider wird auch von Stadt, Land und Bund wenig Unterstützung angeboten. Bei uns im Ort testet nun seit 2 Wochen (!) das Rote Kreuz täglich 2 Stunden abends – und kann sich vor Anfragen kaum retten.

Die Not (befeuert von der Zurückhaltung der Apotheken) ist mittlerweile so weit gediehen, dass coronabedingt arbeitslose Messebauer plötzlich zu Testzentrenbetreibern mutieren und flächendeckend ihre Zelte in die Landschaft pflastern. Die Qualifikation der Mitarbeiter ist meist überschaubar, die Resultate liest man häufig in der Tageszeitung. So kam es, dass ein Testbetrieb ungewöhnlich viele Positiv-Fälle meldete … bis sich herausstellte, dass der Stäbchenführer dachte, dass „C“ auf der Testkassette steht für „Corona“.

Tja, wie heißt es so schön: You pay peanuts – you get monkeys.