Wind of Change 2022

War bereits 2021 ein Jahr der großen Veränderungen (vorrangig dem großen C geschuldet und in den meisten Fällen ohne Option auf freiwillige Verweigerung), stellt 2022 das nochmals in den Schatten.

In 20 Jahren offizineller Pillenüberreichung kann ich mich nicht erinnern, nur ein einziges Mal so viele fundamentale Veränderungen erlebt zu haben wie in diesem Jahr in Deutschland. Dabei war mir bis vor Kurzem noch nicht einmal alles bewusst.

Veterinär-Gegenwind

Als ich Anfang Dezember auf der Suche nach einem schlauen Thema für meinen Instagram-Kanal war (fühlen Sie sich herzlich eingeladen, dort vorbeizuschauen), brachte mich meine tatsächlich schlaue Kollegin auf die Idee, über das geänderte Tierarzneimittelgesetz zu berichten. „Denn das wissen ganz viele nicht“, so ihr freundlicher Hinweis. Ich war eine von den „ganz vielen“, obwohl das neue TAMG bereits im Jänner in Kraft getreten war – mit einer Änderung, die massiv die Apotheken betrifft, denn für veterinäre Zwecke dürfen seit Jahresbeginn keine rezeptfreien Humanarzneimittel ohne tierärztliche Verschreibung abgegeben werden. Das gilt auch für Homöopathika. Ich erinnere ich mich noch gut an meine Zeiten in Österreich, wo die gute Sitte gelebt wurde, dass das Hunderl für sein rotes Auge Refobacin auch ohne Rezept bekam. Für den deutschen Wauzi gibt´s jetzt nicht einmal mehr Euphrasia-Tropfen. Na gut, man muss nicht alles verstehen

Impf-Flaute

Ebenso wenig verstehe ich das geringe Interesse meiner Landes-Berufsgenossen, wenn es um das Thema Impfen geht. Was für ein Meilenstein wurde da bitte 2022 gesetzt?! Endlich ist die schier unbezwingbar erschienene Mauer gefallen, dass auch wir Apotheker:innen die Nadel versenken dürfen und nicht nur die Vorzimmerdoktores. Sowohl Corona als auch Grippe können jetzt landauf landab von allen Apotheker:innen geimpft werden – oder besser gesagt: könnten. Denn tatsächlich machen es nur wenige – aus diversen Gründen: weil der Platz fehlt, oder das Personal, oder weil es der liebe Arzt in der überüberübernächsten Querstraße nicht möchte.

Das hat 2022 noch nicht geändert: unsere apothekerliche Unterwürfigkeit gegenüber den Ärzt:innen. Verstehen Sie mich nicht falsch: ich bin ein großer Fan von interdisziplinärer Zusammenarbeit – aber auf Augenhöhe.

Personal-Vakuum

Eines haben wir in diesem Jahr aber von anderen Berufsgruppen gelernt: das Streiken. Ok, das Streikerln. Auch hier herrschte (wieder mal, aber wen wundert das) große Uneinigkeit unter dem roten A. Doch immerhin: Einige hatten brav einen halben Tag geschlossen und dem Volk gezeigt, wo der Bartl die Medikamente holt – in der illoyalen Nachbarapotheke oder im Internet.

Dort wird vermutlich demnächst noch mehr gekauft, denn 2022 war bzw. ist auch das große Mangeljahr. Es fehlt nicht nur an wichtigen Medikamenten sondern auch an Personal. Und dieser Zustand lässt den Blick durch die Raketennebelschwaden ins neue Jahr 2023 nicht allzu rosig aussehen.

Aber mehr dazu das nächste Mal.