Brentuximab Vedotin (Adcetris®) in der Therapie des Hodgkin-Lymphoms: Der Rezidivneigung effektiv entgegenwirken

Nach der Diagnose eines M. Hodgkin sollte idealerweise bereits im Primärsetting Heilung erreicht werden, da die Chance auf Kuration mit jeder Linie abnimmt. Brentuximab Vedotin (Adcetris®) kann im ersten und zweiten Rezidiv zur Outcome-Verbesserung beitragen, wie am 11. International Symposium on Hodgkin Lymphoma diskutierte Daten belegen.

Beim Großteil der Patienten mit Hodgkin-Lymphom (HL) lässt sich bereits im Frontline-Setting eine Heilung erzielen. Therapeutische Herausforderungen resultieren im Rezidivfall, für den kein etablierter Standard zur Verfügung steht. Hier kommt häufig die autologe Stammzelltransplantation (ASCT) zur Anwendung, diese führt jedoch nur in der Hälfte der Fälle tatsächlich zur Heilung. 1
Nach dem Versagen der Zweitlinientherapie gestaltet sich die Situation noch schwieriger. „In dieser Situation gilt nur die allogene SCT als kurativ“, konstatierte Prof. Dr. Daniel Molin, Akademiska Sjukhuset, Uppsala, Schweden. „Allerdings geht sie mit beträchtlicher Mortalität und Morbidität einher, und die Heilungschancen sind begrenzt.“ Wenn möglich sollte der Krankheit daher bereits im ersten Rezidiv definitiv Einhalt geboten werden, damit sich die Notwendigkeit einer allogenen SCT gar nicht ergibt.

Fünfjahresdaten der AETHERA-Studie

Im ersten HL-Rezidiv kann die Therapie mit dem CD30-Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab Vedotin (BV) zu einer Optimierung der Outcomes beitragen. Die randomisierte AETHERA-Studie prüfte BV als Konsolidierung bei Patienten nach Hochdosistherapie und ASCT, die mindestens einen von drei Risikofaktoren für eine Progression aufwiesen.2 Der Vergleich erfolgte mit Placebo. In der Gesamtgruppe verbesserte sich das progressionsfreie Überleben (PFS; primärer Endpunkt) signifikant in Form einer Reduktion des Risikos für Progression und Tod um 43 % (HR: 0,57; p = 0,0013). Molin: „Deutlichere Benefits mit Risikoreduktionen um jeweils rund 60 Prozent wurden für Patienten mit mindestens zwei bzw. drei definierten Risikofaktoren für ein ASCT-Versagen dokumentiert.“
Der Experte präsentierte die rezent publizierten Fünfjahresergebnisse der AETHERA-Studie.3 Im experimentellen Arm war das mediane PFS noch nicht erreicht worden, im Kontrollarm betrug es 15,8 Monate (HR: 0,521). „Nach fünf Jahren wiesen 59 versus 41 Prozent der Patienten Progressionsfreiheit auf.“ Die separate Analyse je nach Anzahl der Risikofaktoren erbrachte einen Vorteil der BV-basierten Therapie bei Patienten mit ≥ 2 Faktoren (HR: 0,424) und ≥ 3 Faktoren (HR: 0,39). Molin betonte die Notwendigkeit eines Nebenwirkungsmonitorings, speziell in Bezug auf die Manifestation einer peripheren sensorischen Neuropathie; diese trat im BV-Arm als häufigste Toxizität auf, zeigte jedoch eine ausgeprägte Rückbildungstendenz.2 „Nach fünf Jahren gaben 90 Prozent der Patienten eine Verbesserung oder Rückbildung an.“ In 73 % verschwand die Symptomatik gänzlich. Die ESMO-Guidelines empfehlen eine Konsolidierung mit BV nach ASCT bei Patienten mit definierten Risikofaktoren (primäre Krankheitsprogression, frühes Rezidiv < 12 Monate nach dem Ende der Erstlinientherapie, extranodaler Befall zum Zeitpunkt des Rezidivs).4
Gegenstand der Forschung ist aktuell die Bestimmung der optimalen Sequenz aus Chemotherapie, BV, ASCT und PD-1-Inhibitortherapie bei Patienten mit rezidiviertem HL. „Das ist noch gar nicht beantwortet“, so Molin. Weiters stehen Kombinationen und die CAR-T-Zelltherapie auf dem Prüfstand.

Was tun im zweiten Rezidiv?

Im Setting des rezidiviertem/refraktärem HL nach erfolgter ASCT empfehlen die ESMO-Guidelines entweder die allogene SCT (Allo-SCT) oder die Verordnung von BV, die gegebenenfalls von einer allo-SCT gefolgt sein kann.4 Nach einem weiteren Rezidiv kommen hier die PD-1-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab sowie Gemcitabin in Frage. „Bisher konnte kein Standard definiert werden“, betonte Dr. Anna Sureda, Institut Català d’Oncologia – L‘Hospitalet de Llobregat, Barcelona, Spanien.
Die Zahl der in Europa durchgeführten allogenen Transplantationen stieg laut EBMT Lymphoma Database zwischen 2004 und 2014 stetig an, fällt jedoch seither wieder ab. Sureda: „Es fehlen prospektive klinische Studien, die den Benefit der Allo-SCT belegen würden.“ Retrospektive Daten demonstrieren eine Steigerung des Gesamtüberlebens (OS) gegenüber der Chemo-/Radiotherapie (p = 0,031).5 Wie sich zeigte, entfaltet die Allo-SCT besondere Benefits bei jungen Patienten mit chemosensibler Erkrankung.6

Eine langfristige Krankheitskontrolle

bei Rezidiv nach ASCT ist auch mit BV als Monotherapie möglich, wie die Analyse einer Phase-II-Studie vor Augen führt.7 „Nach fünf Jahren fand sich eine OS-Rate von 41 Prozent und eine PFS-Rate von 22 Prozent“, erklärte Sureda. „Anhaltende Remissionen traten unabhängig von der Durchführung einer konsolidierenden Allo-SCT ein.“ Bei Progression nach ASCT und BV-Therapie bedingten die PD-1-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab hohe Ansprechraten.8, 9
Sureda hob die Bedeutung der Entwicklung neuer Strategien zum Zweck der weiteren Outcome-Optimierung hervor. Beispielsweise bietet BV als Bridging sogar bei massiv vorbehandelten Patienten eine ausreichende Krankheitskontrolle für die Durchführung einer Allo-SCT mit intensitätsreduzierter Konditionierung. Einer retrospektiven Analyse zufolge erzielten alle 18 behandelten Patienten ein Engraftment und befanden sich nach einem Jahr am Leben.10 Die 12-Monats-PFS-Rate lag bei 92,3 %. Auch nach vielen Linien kann die Gabe von BV eine Heilung ermöglichen (s. Kasuistik 1).

Kasuistik 1

Prof. Dr. Daniel Molin, Akademiska Sjukhuset, Uppsala, Schweden

Bei einer 18-jährigen Patientin wurde 2002 die Diagnose eines nodulär sklerosierenden HL im Stadium II A gestellt. Im Anschluss an die Frontline-Therapie mit vier Zyklen ABVD und Radiotherapie blieb die Patientin vier Jahre in Komplettremission, danach kam es jedoch in rascher Abfolge zu Rezidiven, zwischen denen mit unterschiedlichen Therapien nur kurze progressionsfreie Intervalle erzielt wurden. In der Zweitlinie erfolgte eine ASCT. Weitere Linien umfassten unter anderem Gemcitabin, Vinblastin, Everolimus und Bendamustin. Im Fünftlinien-Setting erfolgte ein Anlauf im Hinblick auf eine allogene SCT, von dieser musste allerdings aufgrund einer Progression abgesehen werden. Eine neuerliche Bendamustin-Gabe zwischen Juli und Dezember 2010 bildete die Elftlinientherapie. Ab März 2011 gelangte BV mit palliativer Intention zum Einsatz. Die Patientin entwickelte eine gute klinische Response, die im März 2012 eine allogene SCT ermöglichte. Seither besteht eine Komplettremission. Die Patientin hat mittlerweile geheiratet, ist ins Ausland gezogen und arbeitet Vollzeit.

Kasuistik 2

Prof. Dr. Peter Borchmann, Universitätsklinikum Köln, Deutschland

Eine 20-jährige Frau entwickelte im März 2016 ein nodulär sklerosierendes HL (Stadium IV A), das Hochrisikomerkmale aufwies. Es wurden sechs Zyklen eBEACOPP ohne konsolidierende Radiotherapie verabreicht; unter der Behandlung resultierte eine partielle Remission. Zum Zeitpunkt der Progression im Dezember 2016 präsentierte sich die Erkrankung im Stadium IV B (neue Knochenläsionen, generalisierte Lymphadenopathie, Anämie) im Sinne eines refraktären HL mit hohem Risiko. Im Anschluss an eine Zweitlinientherapie mit BV-DHAP wurde eine ASCT vorgenommen. Zwar trat danach eine Komplettremission ein, von ärztlicher Seite wurde jedoch aufgrund des sehr hohen Risikos eine allogene SCT empfohlen. Dies lehnte die Patientin ab, und auch das Zeitfenster für den Start einer BV-Konsolidierung verstrich. Nachdem sich die Patientin für eine Watch-and-wait-Strategie entschieden hatte, befindet sie sich nun nach mehr als drei Jahren nach wie vor in Remission.

Kasuistik 3

Dr. Anna Sureda, L’Hospitalet de Llobregat, Barcelona, Spanien

1999 wurde bei einem 38-jährigen Mann die Diagnose eines nodulär sklerosierenden HL im Stadium II A gestellt. Nach der Frontline-Therapie mit sechs Zyklen ABVD verblieb der Patient fünf Jahre in Komplettremission. Im Jänner 2005 erzwang ein Rezidiv die Durchführung einer ASCT. Weitere zehn Jahre später, als der Patient 54 Jahre alt war, trat ein Rezidiv ein (Stadium IV B; Befall von Milz, Pleura, Knochen; B-Symptome). Im Rahmen einer klinischen Studie kam im Dezember 2015 eine Drittlinientherapie mit Pembrolizumab zum Einsatz. Nach sechs Zyklen erzielte der Patient eine partielle Response, wurde jedoch nach zehn Zyklen wieder progredient. In der Viertlinie gelangten vier Zyklen BV gefolgt von einer allogenen SCT mit Fludarabin-Melphalan-Konditionierung zur Anwendung. Zum Zeitpunkt der Präsentation der Kasuistik befand sich der Patient seit 25 Monaten in Komplettremission.

Quelle: 11. International Symposium on Hodgkin Lymphoma, Symposium der Fa. Takeda, 28. Oktober 2018, Köln

  1. von Tresckow B, Moskowitz CH, Semin Hematol 2016; 53(3): 180–185
  2. Moskowitz CH et al., Lancet 2015; 385(9980): 1853–1862
  3. Moskowitz CH et al., Blood 2018;pii: blood-2018-07-861641 [Epub ahead of print]
  4. Eichenauer DA et al., Ann Oncol 2018; 29 (Suppl 4): iv19–iv29
  5. Castagna L et al., Biol Blood Marrow Transplant 2009; 15(4): 432–438
  6. Sureda A et al., Haematologica 2012; 97(2): 310–317
  7. Chen R et al., Blood 2016; 128(12): 1562–1566
  8. Armand P et al., J Clin Oncol 2018; 36(4): 1428–1439
  9. Chen R et al., J Clin Oncol 2017; 35(9): 2125–2132
  10. Chen R et al., Blood 2012; 119(26): 6379–6381

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