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Insgesamt werden chirurgische Interventionen bei Rheumapatienten seltener durchgeführt. Viele rheumaorthopädische Eingriffe, die während meiner Ausbildungszeit noch hochfrequent waren, spielen mittlerweile keine Rolle mehr. Operationen, die Gelenke ersetzen – wie Prothesen und Versteifungen – sind stark rückläufig und der Gelenkserhalt steht zunehmend im Vordergrund. Viele Schädigungen, die Patienten früher erlitten, treten heutzutage nur mehr selten auf, da mittlerweile wirksame systemische Therapien zur Verfügung stehen. Durch diese innovativen systemischen Therapien wird die rheumatische Erkrankung selbst sehr gut kontrolliert und man hat zusätzlich mehr Spielraum und bessere Erfolgsaussichten bekommen, dem Patienten mit einer Synovektomie Erleichterung zu verschaffen, das Ergebnis zu stabilisieren und das Gelenk zu erhalten. Orthopädische Eingriffe kommen meist dann in Frage, wenn Patienten trotz systemischer Therapie in einem einzelnen Gelenk nicht beherrschbare Beschwerden aufweisen. Wir haben beispielsweise bei einem RA-Patienten mit hohem Rheumafaktor, der trotz MTX-Therapie in der linken Schulter eine nicht beherrschbare Synovitis entwickelte, erfolgreich eine arthroskopische Sanierung durchgeführt, woraufhin die Beschwerden unter Kontrolle gebracht wurden. In so einem Fall macht ein orthopädischer Eingriff viel Sinn. Ist ein Gelenk aber bereits derart beschädigt, dass die Bewegungskette eingeschränkt ist und die mechanische Funktionalität nicht mehr gegeben ist – beispielweise ein eingebrochener Hüftkopf oder ein Knie mit massiver Streckhemmung –, ist der Gelenksersatz nach wie vor der Goldstandard.
Ich kann es nur mit eigenen Zahlen beantworten: Von unseren interdisziplinär behandelten rheumatologischen Patienten braucht heutzutage schätzungsweise etwa einer von 30 Patienten eine chirurgische Intervention. Natürlich muss man diesbezüglich aber auch die Patientenselektion beachten – wir sind keine rheumatologische Spezialambulanz.
Ja, da wir generell im engen Austausch mit der Rheumatologie stehen. Natürlich kann immer wieder einmal ein Patient übersehen werden, auch bedingt durch die COVID-Lockdowns, da zum Teil die Spezialambulanzen geschlossen waren. Generell gilt, dass, wenn die Beschwerden durch eine systemische Therapie nicht beherrschbar sind, eine frühe Synovektomie angezeigt ist. Hat ein Patient aber viele Herde, beispielsweise an mehreren Gelenken sowie Beschwerden an den Achillessehnen und Sehnenscheiden, dann ist eine chirurgische Herangehensweise nicht sinnvoll und es wird versucht, die Krankheitsaktivität durch Modifikation der systemischen Therapie in den Griff zu bekommen. Meist lassen sich so alle Herde effektiv behandeln. Bei anhaltenden Beschwerden in einem einzelnen Gelenk kann nach MR-Abklärung arthroskopisch oder möglichst schonend operiert werden.
Die bildgebende Differentialdiagnostik spielt eine sehr -wichtige Rolle, da es darum geht, zu differenzieren, ob die Beschwerden tatsächlich rein inflammatorisch bedingt sind oder es sich um eine mechanische Einschränkung aufgrund eines bereits deformierten Gelenks handelt. Dies ist wichtig, um die geeigneten Interventionen und das weitere Vorgehen entsprechend festzulegen.
Für Rheumapatienten ist eine Rehabilitation nach einer orthopädischen Operation unbedingt zu empfehlen – auch nach einer kleinen Synovektomie oder einer Zehenversteifung. Grundsätzlich unterscheiden sich die Möglichkeiten bei rheumatologischen Patienten nicht von jenen nach ande-ren Operationen am Bewegungsapparat, angefangen von der ambulanten Frührehabilitation über die niedergelassenen Ambulatorien bis hin zur Rehabilitation an spezialisierten Zentren. Wichtig wäre auf alle Fälle, dass ein internistischer Rheumatologe zur Einschätzung der systemischen Therapie verfügbar ist, entweder direkt im Haus oder konsiliarisch. Es ist nämlich immer wieder eine Herausforderung, zu unterscheiden, ob Schmerzen durch einen Schub ausgelöst werden oder eine Folge des Trainings sind. In der Regel kommt – je nach individueller Belastbarkeit des Patienten – ein Mix aus physikalischen Therapien wie Stromtherapie, Ultraschall oder Wärme- bzw. Kältebehandlung sowie aktiven Bewegungstherapien zur Anwendung. Zu den Bewegungstherapien zählen u. a. Heilgymnastik und Physiotherapie. Auch die Aquagymnastik bietet viele Vorteile, da der Bewegungsapparat geschont wird, ohne dass ein Risiko für Stürze besteht.
Das Wichtigste ist sicher, die Patienten rechtzeitig zum Rheumatologen zu überweisen und differenzialdiagnostisch nichts zu übersehen. Insbesondere die PsA stellt eine große diagnostische Herausforderung dar und hier ist frühzeitig ein interdisziplinärer Austausch gefragt. Ansonsten sind natürlich alle gesundheitsförderlichen Maßnahmen empfehlenswert.
Der Rheumatologe sollte einen Patienten dem Orthopäden zuweisen, wenn Beschwerden in einem einzelnen Gelenk nicht beherrschbar sind, vor allem dann, wenn es sich um ein großes Gelenk oder ein Gelenk der Hand handelt. In diesem Fall sind eine frühzeitige MR-Abklärung und ein orthopädisches Konsil sinnvoll. Dies erfolgt in der Regel nicht bei einem niedergelassenen Orthopäden, sondern intramural. Umgekehrt sollte der Orthopäde einen Patienten mit Enthesiopathien dem Rheumatologen zuweisen, wenn über einen Zeitraum von etwa drei Monaten mit konservativen Maßnahmen keine Besserung erzielt werden kann. Das gilt gleichermaßen für Achillessehnenschmerzen, Plantarfasziitis, Tendovaginitis oder einen Tennisarm. Grundsätzlich ist der niedergelassene Orthopäde oftmals der erste Ansprechpartner für Patienten mit Schmerzen am Bewegungsapparat. Unter diesen befinden sich natürlich auch Patienten, die eine noch nicht diagnostizierte rheumatische Erkrankung haben. Wann immer dieser Verdacht im Raum steht, sollte der Orthopäde den Patienten zur Diagnoseabsicherung und gegebenenfalls natürlich zur Therapieeinstellung zum Rheumatologen überweisen.
Intramural wären sicherlich interdisziplinäre Boards nach dem Vorbild von Tumorboards sinnvoll, in denen sich Rheumatologen, Orthopäden und eventuell auch Dermatologen austauschen und Patientenfälle besprechen können. Auch im niedergelassenen Bereich ist ein enger interdisziplinärer Austausch sehr fruchtbringend, da man schneller und besser lernt, bestimmte Situationen entsprechend einzuschätzen. Generell ist der enge Austausch zwischen den Fachgruppen insbesondere in der heutigen Zeit der zunehmenden Spezialisierung äußerst wichtig.
Diese Unterscheidung ist oftmals sehr schwierig. Eine frühe und vollständige bildgebende Abklärung ist bei Vorliegen von Red Flags jedenfalls auch bei jungen Patienten empfohlen, wird in der Praxis aber nicht immer so gehandhabt. Bleibt die Bildgebung ohne Befund, sollten die Patienten engmaschiger geführt werden. Zusätzlich kläre ich umfassend über die rheumatologischen Krankheitsbilder und die entsprech-enden Symptome auf. Auch die Protokollierung etwaiger Symp-tome wie Nachtschmerz und Gelenkssteifigkeit ist empfehlenswert, sodass man einen besseren Überblick über Krankengeschichte und Symptomverlauf hat, an dem man sich etwas profunder orientieren kann.
Fact-Box
PP-AU-AT-0345 Oktober 2021
Mit freundlicher Unterstützung der Eli Lilly GmbH
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