RHEUMATOLOGIE UND ORTHOPÄDIE – UNZERTRENNBAR?

Entgeltliche Einschaltung

  • Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Orthopädie und Rheumatologie sowie eine frühzeitige Zuweisung können zur optimalen Versorgung der Patienten beitragen.
  • In der orthopädischen Rheumatologie liegt der Fokus zunehmend auf gelenkserhaltenden Operationen.
  • Die radiologische Bildgebung hilft bei der Differenzierung, ob Beschwerden rein inflammatorisch bedingt sind oder durch eine mechanische Einschränkung aufgrund eines deformierten Gelenks auftreten.
  • Für alle rheumatologischen Patienten ist nach einer orthopädischen Operation eine Rehabilitation empfohlen.

 


Welche Empfehlungen gibt es zu orthopädischen Eingriffen bei rheumatologischen Patienten und wie hat sich die Situation im Laufe der letzten Jahrzehnte geändert?

Insgesamt werden chirurgische Interventionen bei Rheumapatienten seltener durchgeführt. Viele rheumaorthopädische Eingriffe, die während meiner Ausbildungszeit noch hochfrequent waren, spielen mittlerweile keine Rolle mehr. Operationen, die Gelenke ersetzen – wie Prothesen und Versteifungen – sind stark rückläufig und der Gelenkserhalt steht zunehmend im Vordergrund. Viele Schädigungen, die Patienten früher erlitten, treten heutzutage nur mehr selten auf, da mittlerweile wirksame systemische Therapien zur Verfügung stehen. Durch diese innovativen systemischen Therapien wird die rheumatische Erkrankung selbst sehr gut kontrolliert und man hat zusätzlich mehr Spielraum und bessere Erfolgsaussichten bekommen, dem Patienten mit einer Synovektomie Erleichterung zu verschaffen, das Ergebnis zu stabilisieren und das Gelenk zu erhalten. Orthopädische Eingriffe kommen meist dann in Frage, wenn Patienten trotz systemischer Therapie in einem einzelnen Gelenk nicht beherrschbare Beschwerden aufweisen. Wir haben beispielsweise bei einem RA-Patienten mit hohem Rheumafaktor, der trotz MTX-Therapie in der linken Schulter eine nicht beherrschbare Synovitis entwickelte, erfolgreich eine arthroskopische Sanierung durchgeführt, woraufhin die Beschwerden unter Kontrolle gebracht wurden. In so einem Fall macht ein orthopädischer Eingriff viel Sinn. Ist ein Gelenk aber bereits derart beschädigt, dass die Bewegungskette eingeschränkt ist und die mechanische Funktionalität nicht mehr gegeben ist – beispielweise ein eingebrochener Hüftkopf oder ein Knie mit massiver Streckhemmung –, ist der Gelenksersatz nach wie vor der Goldstandard.

Wie viele Rheumapatienten brauchen heute, wo bereits sehr wirksame Therapien zur Verfügung stehen, überhaupt noch eine chirurgische Intervention?

Ich kann es nur mit eigenen Zahlen beantworten: Von unseren interdisziplinär behandelten rheumatologischen Patienten braucht heutzutage schätzungsweise etwa einer von 30 Patienten eine chirurgische Intervention. Natürlich muss man diesbezüglich aber auch die Patientenselektion beachten – wir sind keine rheumatologische Spezialambulanz.

Sehen Sie als Orthopäde die Patienten mit RA, PsA oder axSpA rechtzeitig, die eine orthopädisch chirurgische Intervention brauchen? Wann wäre der optimale Zeitpunkt für eine OP, um Folgeschäden zu vermeiden?

Ja, da wir generell im engen Austausch mit der Rheumatologie stehen. Natürlich kann immer wieder einmal ein Patient übersehen werden, auch bedingt durch die COVID-Lockdowns, da zum Teil die Spezialambulanzen geschlossen waren. Generell gilt, dass, wenn die Beschwerden durch eine systemische Therapie nicht beherrschbar sind, eine frühe Synovektomie angezeigt ist. Hat ein Patient aber viele Herde, beispielsweise an mehreren Gelenken sowie Beschwerden an den Achillessehnen und Sehnenscheiden, dann ist eine chirurgische Herangehensweise nicht sinnvoll und es wird versucht, die Krankheitsaktivität durch Modifikation der systemischen Therapie in den Griff zu bekommen. Meist lassen sich so alle Herde effektiv behandeln. Bei anhaltenden Beschwerden in einem einzelnen Gelenk kann nach MR-Abklärung arthroskopisch oder möglichst schonend operiert werden.

Welche Rolle spielt die radiologische Differentialdiagnostik in Orthopädie und Rheumatologie?

Die bildgebende Differentialdiagnostik spielt eine sehr -wichtige Rolle, da es darum geht, zu differenzieren, ob die Beschwerden tatsächlich rein inflammatorisch bedingt sind oder es sich um eine mechanische Einschränkung aufgrund eines bereits deformierten Gelenks handelt. Dies ist wichtig, um die geeigneten Interventionen und das weitere Vorgehen entsprechend festzulegen.

Wie sieht die Rehabilitation nach einer orthopädischen Operation aus?

Für Rheumapatienten ist eine Rehabilitation nach einer orthopädischen Operation unbedingt zu empfehlen – auch nach einer kleinen Synovektomie oder einer Zehenversteifung. Grundsätzlich unterscheiden sich die Möglichkeiten bei rheumatologischen Patienten nicht von jenen nach ande-ren Operationen am Bewegungsapparat, angefangen von der ambulanten Frührehabilitation über die niedergelassenen Ambulatorien bis hin zur Rehabilitation an spezialisierten Zentren. Wichtig wäre auf alle Fälle, dass ein internistischer Rheumatologe zur Einschätzung der systemischen Therapie verfügbar ist, entweder direkt im Haus oder konsiliarisch. Es ist nämlich immer wieder eine Herausforderung, zu unterscheiden, ob Schmerzen durch einen Schub ausgelöst werden oder eine Folge des Trainings sind. In der Regel kommt – je nach individueller Belastbarkeit des Patienten – ein Mix aus physikalischen Therapien wie Stromtherapie, Ultraschall oder Wärme- bzw. Kältebehandlung sowie aktiven Bewegungstherapien zur Anwendung. Zu den Bewegungstherapien zählen u. a. Heilgymnastik und Physiotherapie. Auch die Aquagymnastik bietet viele Vorteile, da der Bewegungsapparat geschont wird, ohne dass ein Risiko für Stürze besteht.

Welche präventiven Maßnahmen haben sich in der orthopädischen Rheumatologie etabliert?

Das Wichtigste ist sicher, die Patienten rechtzeitig zum Rheumatologen zu überweisen und differenzialdiagnostisch nichts zu übersehen. Insbesondere die PsA stellt eine große diagnostische Herausforderung dar und hier ist frühzeitig ein interdisziplinärer Austausch gefragt. Ansonsten sind natürlich alle gesundheitsförderlichen Maßnahmen empfehlenswert.

Wann soll der Rheumatologe zum Orthopäden überweisen und welche Patienten soll der Orthopäde dem Rheumatologen vorstellen?

Der Rheumatologe sollte einen Patienten dem Orthopäden zuweisen, wenn Beschwerden in einem einzelnen Gelenk nicht beherrschbar sind, vor allem dann, wenn es sich um ein großes Gelenk oder ein Gelenk der Hand handelt. In diesem Fall sind eine frühzeitige MR-Abklärung und ein orthopädisches Konsil sinnvoll. Dies erfolgt in der Regel nicht bei einem niedergelassenen Orthopäden, sondern intramural. Umgekehrt sollte der Orthopäde einen Patienten mit Enthesiopathien dem Rheumatologen zuweisen, wenn über einen Zeitraum von etwa drei Monaten mit konservativen Maßnahmen keine Besserung erzielt werden kann. Das gilt gleichermaßen für Achillessehnenschmerzen, Plantarfasziitis, Tendovaginitis oder einen Tennisarm. Grundsätzlich ist der niedergelassene Orthopäde oftmals der erste Ansprechpartner für Patienten mit Schmerzen am Bewegungsapparat. Unter diesen befinden sich natürlich auch Patienten, die eine noch nicht diagnostizierte rheumatische Erkrankung haben. Wann immer dieser Verdacht im Raum steht, sollte der Orthopäde den Patienten zur Diagnoseabsicherung und gegebenenfalls natürlich zur Therapieeinstellung zum Rheumatologen überweisen.

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen dem Rheuma-tologen und dem Orthopäden optimiert werden, um den Patienten die bestmögliche Versorgung anzubieten?

Intramural wären sicherlich interdisziplinäre Boards nach dem Vorbild von Tumorboards sinnvoll, in denen sich Rheumatologen, Orthopäden und eventuell auch Dermatologen austauschen und Patientenfälle besprechen können. Auch im niedergelassenen Bereich ist ein enger interdisziplinärer Austausch sehr fruchtbringend, da man schneller und besser lernt, bestimmte Situationen entsprechend einzuschätzen. Generell ist der enge Austausch zwischen den Fachgruppen insbesondere in der heutigen Zeit der zunehmenden Spezialisierung äußerst wichtig.

Welche Hilfestellungen können Patienten dabei unterstützen, zwischen belastungsbedingten Schmerzen und rheumatologischen Schmerzen zu unterscheiden?

Diese Unterscheidung ist oftmals sehr schwierig. Eine frühe und vollständige bildgebende Abklärung ist bei Vorliegen von Red Flags jedenfalls auch bei jungen Patienten empfohlen, wird in der Praxis aber nicht immer so gehandhabt. Bleibt die Bildgebung ohne Befund, sollten die Patienten engmaschiger geführt werden. Zusätzlich kläre ich umfassend über die rheumatologischen Krankheitsbilder und die entsprech-enden Symptome auf. Auch die Protokollierung etwaiger Symp-tome wie Nachtschmerz und Gelenkssteifigkeit ist empfehlenswert, sodass man einen besseren Überblick über Krankengeschichte und Symptomverlauf hat, an dem man sich etwas profunder orientieren kann.

 

Fact-Box

  • In der orthopädischen Rheumatologie liegt der Fokus zunehmend auf gelenkserhaltenden Operationen. Bei eingeschränkter mechanischer Funktionalität eines Gelenks stellt der Gelenksersatz aber nach wie vor den Goldstandard dar.
  • Orthopädische Eingriffe können dann sinnvoll sein, wenn Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen trotz systemischer Therapie in einem einzelnen Gelenk nicht kontrollierbare Beschwerden aufweisen. In diesem Fall sollte der Rheumatologe den Patienten an die Orthopädie zuweisen. Sind die Beschwerden durch eine systemische Therapie nicht beherrschbar, so ist eine frühe Synovektomie angezeigt.
  • Der Orthopäde sollte einen Patienten dann dem Rheumatologen zuweisen, wenn bei Enthesiopathien mit konservativen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten keine Besserung erzielt werden kann.
  • Eine Rehabilitation nach einer orthopädischen Operation ist für alle rheumatologischen Patienten unbedingt empfehlenswert. Zur Anwendung kommen aktive Bewegungstherapien sowie physikalische Therapien. Wichtig wäre, dass im Rahmen der Rehabilitation auch ein internistischer Rheumatologe zur Verfügung steht.
  • Ein enger interdisziplinärer Austausch zwischen Orthopädie und Rheumatologie sowie eine frühzeitige Zuweisung kann zur optimalen Versorgung der Patienten beitragen.

 


PP-AU-AT-0345 Oktober 2021

Mit freundlicher Unterstützung der Eli Lilly GmbH

Entgeltliche Einschaltung