Ausblick: Hier liegen die Chancen für 2017

Der Verbrauch an Arzneimitteln steigt in Österreich von Jahr zu Jahr, täglich sind es mehr als zwei Tonnen, rechnet das Umweltbundesamt in einer aktuellen Studie vor. Zwischen 1997 und 2014 stieg die Menge an Schmerzmitteln, Entzündungshemmern und Antirheumatika um 50 Prozent – auf zuletzt 245 Tonnen. Von den vom Umweltbundesamt untersuchten Arzneimittel-Gruppen sind Schmerzmittel mit über 30 % am Gesamtverbrauch die Spitzenreiter, gefolgt von Antidiabetika mit mehr als 18 % und Psychopharmaka mit knapp 14 %. Antibiotika landen mit einem Anteil von 9 % auf Platz 4. Metformin ist mit mehr als 141,5 Tonnen der verbrauchsstärkste aller in Österreich zugelassenen Wirkstoffe, sein Einsatz ist seit 1997 um 400 % gestiegen.

Wirtschaftlich niedergeschlagen haben sich diese Entwicklungen für die Apotheken im ablaufenden Jahr aber kaum. Zwar fehlen für einen kompletten Überblick noch die Monate November und Dezember, von No­vember 2015 bis Oktober 2016 gingen jedoch die Umsätze im gesamten öffentlichen Apothekenmarkt um 0,7 % auf 5,2 Milliarden Euro zurück. Verantwortlich dafür war jeweils ein Minus bei rezeptpflichtigen Produkten (–0,8 %), im Bereich Consumer Health (–0,2 %) und bei Homöopathika (–2,3 %). Im OTC-Markt stiegen zwar die Umsätze leicht um 0,5 % auf 806,5 Millionen Euro, das konnte das Gesamtminus allerdings nicht wettmachen, rechnet das Marktforschungsunternehmen „QuintilesIMS“ vor.

 

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„Derzeit lässt sich ein leicht negativer Trend im Vergleich zum Vorjahr ablesen“, sagt Mag. Christina Nageler, Geschäftsführerin der „Interessengemeinschaft österreichischer Heilmittelhersteller und Depositeure“ (IGEPHA). Sie gibt sich aber optimistisch, dass sich die Zahlen in der Endabrechnung noch ändern könnten: „Man sollte die bisher vorliegenden Marktzahlen nicht überbewerten – die Entwicklung ist immer wieder durch ein Auf und Ab gekennzeichnet. Vor allem wird deutlich, dass in den Monaten von November 2015 bis Oktober 2016 keine starke Erkältungssaison zu verzeichnen war, wodurch sich ein tendenzieller Rückgang bei bestimmten Präparaten erklären lässt. Möglicherweise sieht die Bilanz ganz anders aus, wenn die Gesamtzahlen für 2016 vorliegen.“

Tatsächlich zeigt sich beim Blick in die OTC-Märkte deutlich, dass es im größten Segment, dem Bereich der Husten- und Erkältungsmittel ein deutliches Umsatzminus von fünf Prozent gegeben hat, während es in den nachfolgenden Segmenten Magen- und Verdauungs­mittel (+7,4 %) sowie Schmerz- und Rheumamittel (+4,9 %) ein deutliches Plus gegeben hat. Deutliche Zuwächse gab es auch bei den wertmäßig schwächeren Blasenprodukten (+4,2 %), Augenpräparaten (+4,4 %) und Beruhigungs- und Schlafmitteln (+3,8 %).

Sieht man sich die Zahlen genauer an, gibt es einzelne Produkte mit einem enormen Umsatzplus wie BIOGELAT UroAkut® (+944,9 %), KIJIMEA® REIZDARM (+488,2 %), Supradyn® forte (+386,9 %), easysleep® (+338,2 %) und ellaOne® (+294,2 %). „Wir haben uns auf die intensive Zusammenarbeit mit Österreichs Apothekerinnen und Apothekern fokussiert und ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt: von intensiven Schulungen und Veranstaltungen, über starke POS-Präsenz in den Apotheken bis hin zu umfangreicher medialer Unterstützung der Neueinführungen“, bedankt sich Mag. Aleks Jovanovic, Leiter Kwizda Pharma OTC, bei den Apothekern.

 

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Die stärksten Wachstumsmärkte waren im Vorjahr jene der Migränemittel (+152,5 %), der Reizdarmprodukte (+91,7 %) und der Cholesterinsenker (+62,5 %), die ihre Zuwächse vor allem Produkten wie OMNi-BiOTiC® MIGRA (Institut Allergosan), KIJIMEA® REIZDARM (PharmaFGP), ArmoLIPID PLUS(Meda Pharma) und ARTERIN® (Omega Pharma) verdanken. Ein starkes Plus gab es auch bei Notfall-Kontrazeptiva (+26,1 %) dank ellaOne® (HRA Pharma/Sanova). „Klar erkennbar ist, dass innovative, wirksame Produkte – egal, ob es sich um Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukte oder Präparate anderer OTC-Kate­gorien handelt – bei den Kunden und Patienten großes Interesse finden“, ist IGEPHA-Managerin Nageler überzeugt. „Diese von der Self-Care-Industrie vorausschauend entwickelten Produkte sind zumeist zuver­lässige Garanten des Erfolgs.“ Die Marktzahlen zeigen ihrer Ansicht nach, dass die Motivation der Österreicher, sich für ihre eigene Gesundheit zu engagieren, hoch ist. Nageler: „Gleichzeitig ist aber noch sehr viel Potenzial zur weiteren Stärkung der gesunden Lebensführung und Prävention vorhanden.“

 

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Ähnlich sieht das auch Omega-Pharma-Geschäftsführerin Mirjana Mayerhofer: „Die Zuwächse bei ARTERIN® sind sicherlich auch Ergebnis einer kontinuierlichen Betreuung der Empfehler. Wir haben viel von unserem Budget in die Fortbildung vor allem von Allgemeinmedizinern und Internisten investiert und auch Trainings für Apotheker angeboten“, sagt Mayerhofer. Man sehe in den Zahlen nun, dass sich diese Arbeit ausgewirkt habe. Vor allem aber auch, weil Ärzte, Patienten und Apotheker sehr positive Erfahrungen mit der Wirkung der Produkte gemacht hätten. Im kommenden Jahr will Omega Pharma deshalb auch den bisherigen Weg weitergehen und verrät im Gespräch mit der Apotheker Krone, dass man plant, auch neue Produkte in weiteren Indikationen auf den Markt zu bringen.

Auch Johann Blak, Verkaufsleiter Consumer Health und Marketing Manager Pharma bei der Sanova Pharma GesmbH, sieht die Wirkung seines Wachstumsproduktes als starkes Zugpferd: „ellaOne® wurde speziell für die Notfallverhütung entwickelt. Es ist rezeptfrei erhältlich und bietet einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber der herkömmlichen Pille danach.“ ellaOne® wirke als einzige Pille danach auch dann, wenn das Risiko, schwanger zu werden, am größten ist. „Damit ist die derzeit wirksamste Pille danach ellaOne® mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat. Sie umfasst auch die zwei fruchtbarsten Tage und wirkt bis kurz vor dem Eisprung. Der Wirkstoff Ulipristalacetat wurde speziell für die Notfallverhütung entwickelt. Er kann das ansteigende LH-Hormon wieder senken und dadurch auch bei Einnahme bis kurz vor dem Eisprung diesen noch verschieben“, sagt Blak.

 

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„Ein zentraler Erfolgspunkt sind unsere Kunden und deren Bedürfnisse, die in jedem Produktlebenszyklus von hohem Stellenwert sind. Sie müssen durch das Produkt und die Marke erfüllt sein. Bei unserer jüngsten Kundenzufriedenheitsbewertung gaben 93 % der befragten Kunden an, uns zu empfehlen“, sagt Angelini Country Manager Mag. Peter Wimmer. 2017 will Angelini die Kernbereiche weiter stärken und die jüngsten Produkteinführungen erfolgreich integrieren. Dafür wolle man auch die Kommunikation zu den Kunden weiter ausbauen.
IGEPHA-Geschäftsführerin Nageler ortet im OTC-Markt für die kommenden Jahre durchaus ein großes Wachstumspotenzial: „Vor allem, wenn man berücksichtigt, wie viele Präparate in Österreich noch rezeptpflichtig sind, die in anderen europäischen Ländern bereits verschreibungsfrei abgegeben werden.“ Die IGEPHA setze sich deshalb für den Switch ausgewählter Wirkstoffe vom rezeptpflichtigen zum rezeptfreien Status ein und plädiere für einen EU-weit harmonisierten Katalog verschreibungsfrei erhältlicher Präparate, sagt sie. „Die Gesundheit wird von vielen Menschen als wertvollstes Gut geschätzt und gepflegt, daher ist die Bereitschaft groß, in wirksame, innovative Produkte zu investieren, die der Verbesserung von Gesundheit, Vitalität, Wohlbefinden, Fitness und Jugendlichkeit dienen.“ Nageler ist überzeugt, dass ein liberaleres Marktgefüge durchaus Impulse aussenden könnte, die der weiteren Belebung des OTC-Marktes förderlich sind. „Ich bin aber auch überzeugt, dass die Marktentwicklung von bereits in der Pipeline der OTC-Hersteller befindlichen Innovationen belebt werden wird. Wir leben in spannenden Zeiten, die von interessanten Trends und faszinierenden Forschungsergebnissen geprägt sind.“

 

Das gilt für QuintilesIMS-Geschäftsführerin Mag. Erika Sander nicht nur für Innovationen, sondern auch für klassische OTC-Indikationen wie Schmerz. Hier habe kaum jemand großartigen Mehrverbrauch erwartet, sagt sie im Interview, dennoch „hat Voltadol® uns eines Besseren belehrt, eine ganze Indikation belebt und ist zum Nummer-1-Produkt am Markt geworden. Ich sehe also auch hier die Innovationskraft, wirtschaftlich stabile Rahmenbedingungen und natürlich Marketing und Vertrieb als die ausschlaggebenden Komponenten für Wachstum oder eben ein Schrumpfen des Marktes.“

„Der große Erfolg, den wir mit Voltadol® haben, setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen: Voltadol® Schmerzgel und Voltadol® Forte Schmerzgel sind ausgezeichnete Produkte in Topqualität, die eine einfache und wirkungsvolle Problemlösung für viele Schmerzpatienten bieten. Wir kommunizieren klar die Produktvorteile und halten, was wir versprechen“, sagt Mag. Beatrice Sövdsnes, Brand Manager bei GSK-Gebro Consumer Healthcare GmbH. Außerdem lege man großen Wert darauf, Patienten und Konsumenten gezielt und problemorientiert anzusprechen. „Daraus entwickeln wir die passenden Kommunikationsstrategien und wählen die entsprechenden Kommunikationskanäle. An neuen Ideen wird ständig gearbeitet. Eine besondere Bedeutung hat für uns die Empfehlung der Apothekerinnen und Apotheker, die wir mit unserem umfassenden Service gerne unterstützen.“ Sövdsnes’ Ausblick auf 2017: „Schmerzen sind das ganze Jahr über ein Thema, deshalb wird auch Voltadol® im Jahr 2017 immer irgendwo zu sehen sein. Wir freuen uns schon sehr auf spannende Monate mit zahlreichen neuen Projekten, die jetzt im Moment bei uns entstehen.“

Voltadol® war auch insgesamt eine der stärksten Marken im Jahr 2016, neben Dr. Böhm®, OMNi-BiOTiC®, Bepanthen® und Pure Encapsulations®. „Die Entwicklungen sind sicherlich das Ergebnis unseres jahrelangen und nachhaltig ausgerichteten Konzeptes bei dem wir auf eine enge Partnerschaft mit den Apotheken setzen, ihnen auch Tools an die Hand geben, wie etwa in unserer Akademie, und in dem wir auf eine starke Markenpositionierung setzen“, sagt Dr. Reinhard Wagner, Marketingleiter der pro medico Handels GmbH. Dazu setze man auch auf ein schlüssiges Multichannelmanagement im Marketing, um über alle Kanäle präsent zu sein. Gleichzeitig werde viel Wert darauf gelegt, dass die hohen Qualitätsversprechen, die man für die Produkte gebe, auch erfüllt werden. Für das kommende Jahr verspricht Wagner eine konsequente Fortsetzung des Erfolgsweges und auch „einige Neueinführungen“.

 

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Es zeige sich, betont Nageler, wie kleine und mittelständische Unternehmen besonders rasch und flexibel auf Marktveränderungen reagieren können. „Auch zeigt sich, dass die Identifikation mit den Unternehmenszielen gerade in mittelständischen und familiengeführten Unternehmen sehr groß ist. Daraus ergibt sich eine hohe Innovationskraft und Kreativität, die den Erfolg der österreichischen Self-Care-Hersteller weiter stärken werden. Auf diese Weise sind daher auch kleine und mittelständige Unternehmen durchaus in der Lage, im Konzert der Großen mitzuspielen.“International sieht Erich Lehner, zuständiger Partner für Life Sciences beim Consulting- und Prüfungsunternehmen EY Österreich, allerdings einen wachsenden Fokus der großen Pharmakonzerne auf seltene Erkrankungen und teure Medikamente. „Weltweit haben 20 Prozent aller Produkte in Phase-III-Studien seltene Erkrankungen im Fokus. In Europa liegt dieser Anteil aber sogar bei 94 Prozent.“ Seine Vermutung ist deshalb, dass die Apotheken im Bereich der rezeptpflichtigen Produkte durch hochpreisige Produkte mit niedrigen Spannen in den kommenden Jahren weiter unter Druck kommen. Die Industrie gehe in Richtungen, wo sie langfristig stabile Preise und Umsätze erwarten könne, sagt Lehner. Nicht zuletzt deshalb werde auch der Druck auf die Preise bei OTC-Produkten steigen, ist er überzeugt. „Die Ausgaben pro Kopf werden eher sinken – auch im OTC-Segment.“ Lehner sieht mittelfristig für die Apotheken allerdings in der Beratung und auch in der Digitalisierung Potenzial. „Die Verknüpfung von Informationen und Daten im primären Bereich ist sicherlich ein Asset der Apotheken, das in Zukunft noch wesentlich wichtiger werden wird.“

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