Leberherd als Zufallsbefund – Therapie

Der Leberherd als Zufallsbefund wird hier im Sinne eines echten Zufallsbefundes abgehandelt. Es wird demnach nicht auf Erkrankungen eingegangen, die nur selten als zufällig entdeckter Leberherd auftreten (wie z. B. das cholangiozelluläre Karzinom), sondern wir erläutern hier die therapeutischen Optionen des zufällig (z. B. im Rahmen einer Gesundenuntersuchung beobachteten Leberherdes. Wie im Kapitel Diagnostik hervorgehoben, spielt auch für die chirurgische Therapie das Vorliegen einer Leberzirrhose eine entscheidende Rolle. Da auch die Leberzirrhose nicht zum Hauptaugenmerk diese Abhandlung gemacht werden soll, sei vorweggeschickt, dass eine Leberresektion (Ausnahme: Leber-Wedge-Resektion, Resektion der linkslateralen Segmente II/III, Hemihepatektomie links) nur bei einer Leber im Stadium der Zirrhose Child A überhaupt in Frage kommt. Eine erweiterte rechtsseitige Leberresektion oder eine Trisektorektomie sollte überhaupt nur bei einer Leber ohne Zirrhosezeichen durchgeführt werden. In allen Fällen sollte bei rechtsseitiger Leberresektion und v. a. bei erweiterter rechtsseitiger Leberresektion eine Volumetrie der verbleibenden Lebersegmente und evtl. funktionelle Tests wie z. B. ein LIMAXTest durchgeführt werden.

Hepatozelluläres Karzinom (HCC)

Das hepatozelluläre Karzinom wird in den allermeisten Fällen bei Patienten mit vorbestehender Lebererkrankung/Leberzirrhose entdeckt. Das HCC in einer nicht-zirrhotischen Leber ist weiterhin eine sehr seltene Ausnahme. Die chirurgische Therapie eines HCC hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Leberzirrhose und Stadium der Leberzirrhose
  • Anzahl und Lokalisation der HCC-Herde
  • Grunderkrankung der Leber
  • Alter und Komorbiditäten des Patienten

Beim HCC in einer Zirrhose Child A kann eine Resektion in Erwägung gezogen werden. Die Indikation hängt von der Grunderkrankung ab und ist hier im Wesentlichen auf eine nicht- Hepatitis-Zirrhose und insbesondere auf eine Fettleberzirrhose beschränkt. Das Ausmaß der größtmöglichen Resektion hangt vom verbleibenden Lebervolumen, der Leberfunktion und den Komorbiditäten ab. Obwohl hier die Entscheidung individuell getroffen werden muss, kann als Regel angenommen werden, dass eine Wedge-Resektion, eine Resektion der Segmente II und III sowie eine Hemihepatektomie links in den allermeisten Fällen und eine Hemihepatektomie rechts nur in selteneren Ausnahmefällen durchgeführt werden kann. Eine Embolisation der rechten Pfortader zur Augmentation der linken Lebersegmente ist im Stadium der Zirrhose auch keine Option, um die Operationsindikation zu erweitern, zumal die Hypertrophie der linken Lebersegmente aufgrund der Zirrhose nur insuffizient ist.
Umgekehrt ist heute die Listung zur Transplantation bei Fettleberzirrhose Child A nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. In einer rezenten Arbeit konnte gezeigt werden dass die Ergebnisse nach Resektion vergleichbar sind mit der Transplantation.1 Angesichts der Organknappheit kann nun nur bei Irresektabilität die Indikation zur Transplantation gesehen werden. In diesen Fällen (ebenso wie beim HCC in der Hepatitis-Zirrhose) ist eine „Bridging-Therapy“ im Sinne einer Chemoembolisation oder Radiofrequenzablation anzuraten und das Tumorwachstum einzudämmen und im Falle einer Listung zur Transplantation die Limitierung des Tumorausmaßes innerhalb der Grenzen zur Indikation für die Transplantation zu halten.2 Auch wenn der Beweis eines besseren Gesamt überlebens durch „Bridging-Therapy“ in Vorbereitung zur Transplantation noch aussteht, kann aufgrund eigener Einzelfallbeobachtungen auf einen positiven Effekt gehofft werden.
Ein HCC in einer nicht-zirrhotischen Leber sollte ohne Eingehen von Kompromissen mit einer Leberresektion und Hiluslymphknotendissektion behandelt werden. In jedem Fall sollte die präoperative Abklärung durch eine intraoperative Sonografie zum Ausschluss zusätzlicher Leberherde erweitert werden.

Metastasen

Stellten kolorektale Lebermetasen maligner Raumforderungen bis vor einigen Jahren noch eine Kontraindikation zur chirurgischen Therapie dar, ist heutzutage die Therapie der Wahl – R0-Resektabilität und Abwesenheit ausgedehnter extrahepatischer Metastasierung vorausgesetzt – die Entfernung derselben mittels anatomischer Leberresektion in Kombination mit einer Chemotherapie. Bei initial nicht resektablen Metastasen, die hauptsächlich einen Leberlappen betreffen, kann durch Ansprechen auf eine neoadjuvante Chemotherapie sekundär eine Resektabilität erzielt werden. Zusätzliche chirurgische Strategien bei initial nicht resektablen Fällen sind die portalvenöse Embolisation des betroffenen Lappens, um eine Hypertrophie des verbleibenden Leberanteils zu erzielen, und ein zweizeitiges Vorgehen. Im Zeitraum, der für die Regeneration der verbleibenden Leber notwendig ist, kann eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Perkutane Radiofrequenzablation (RFA) sollte aufgrund der höheren Rezidivrate nur bei kleinen Metastasen (< 3 cm), und zwar in Einzelfällen (z. B. Komorbiditäten als Kontraindikation zur Resektion) oder bei multiplen, bilobären Metastasen in Kombination mit einer Resektion durchgeführt werden. Bei diffuser Lebermetastasierung sollten die Patienten einer palliativen Chemotherapie zugeführt werden.
Resektable Metastasen neuroendokriner Tumoren sollten in toto chirurgisch entfernt werden. Bei nicht-resektablen Metastasen werden interventionelle Therapien wie RFA oder arterielle Chemoembolisation eingesetzt. In Einzelfällen kann in Abwesenheit extrahepatischer Manifestationen eine Transplantation in Betracht gezogen werden. Rezente Daten zeigen einen deutlichen Überlebensvorteil und längeres rezidivfreies Überleben nach Resektionen hepatischer Metastasen von Mammakarzinomen und Magenkarzinomen und weisen somit auf die notwendigkeit hin, alle Patienten mit hepatischer Metastasierung jeglicher maligner Prozesse multidisziplinär zu evaluieren.3–6

Zysten

Die Mehrheit der diagnostizierten Leberzysten ist asymptomatisch und bedarf keiner weiteren Therapie. Bei einer Größe von ≥ 4 cm ist eine Wiederholung des Ultraschalls nach 3 Monaten zu empfehlen, um eine eventuelle Größenprogredienz festzuhalten. Indikation zur Therapie stellen Symptome dar, die meist bei großen Zysten auftreten, und Größenprogredienz, da Zystadenome, Zystadenokarzinome oder andere seltene maligne, zystische Raumforderungen differenzialdiagnostisch in Frage kommen. Die Therapie der Wahl nach Ausschluss einer Malignität ist die laparoskopische Zystenabdeckelung, wobei bei schwerer Zugänglichkeit oder bei komplexen Zysten die konventionelle Chirurgie noch immer ihren Platz hat. Die früher häufig durchgeführte perkutane Punktion mit/ohne Injektion sklerosierender Mittel ist aufgrund hoher Rezidivraten und schwerer Komplikationen durch die Injektionen nicht mehr empfohlen. Zystadenome sollten aufgrund der 15%igen Entartungswahrscheinlichkeit mittels Enukleation (extraanatomische Leberresektion) in toto reseziert werden. Die Therapie der Wahl bei Zystadenokarzinomen ist hingegen die anatomische Leberresektion, welche einen kurativen Therapieansatz darstellt.
Die Therapie der ebenfalls oft asymptomatischen und somit differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehenden Hydatidenzysten besteht aus einer Kombination aus dem Antihelminthikum Albendazol und der laparoskopischen oder konventionellen Resektion, wobei bei solitären, gut zugänglichen Zysten die perkutane PAIR-Therapie (Puncture, Aspiration, Injection, Reaspiration) eine Alternative zur chirurgischen Therapie darstellt. Keiner Therapie bedürfen nur kleine, verkalkte, asymptomatische Zysten.7–10

Hämangiom

Mit einer Inzidenz von bis zu 20 % stellt das Hämangiom die häufigste Leberraumforderung dar, wobei sie bei Frauen 5-mal häufiger auftritt. Asymptomatische Läsionen < 5 cm bedürfen keiner regelmäßigen nachsorge. Unabhängig von der Größe (als Riesenhämangiom werden Hämangiome > 10 cm Durchmesser beschrieben) stellen asymptomatische Hämangiome nie eine Indikation zur chirurgischen Therapie dar. Wie bei allen diagnostisch gesicherten benignen Lebertumoren sollten bei Symptomen andere Diagnosen ausgeschlossen werden (z. B. Cholezystolithiasis, Hiatushernie). Indikationen zur Resektion stellen schwere Symptome (z. B. Cholestase, Schmerzen) und Komplikationen (z. B. Blutungen, Ruptur) dar, aber auch eine nicht eindeutige Diagnose. Aufgrund beschriebener Größenzunahmen während der Schwangerschaft wird die prophylaktische Resektion eines Riesenhämangioms vor einer geplanten Schwangerschaft empfohlen. Hämangiome können – konventionell oder laparoskopisch – durch parenchymsparende Tumorenukleation sowie durch anatomische Lebersegmentresektion entfernt werden. Bei symptomatischen, nicht resezierbaren Riesenhämangiomen können die Patienten erfolgreich mit einer Lebertransplantation behandelt werden. Das Kasabach-Merritt- Syndrom (Einblutung, Thrombozytopenie und disseminierter intravasaler Koagulopathie) stellt eine äußerst seltene Komplikation der Hämangiome dar und wird durch arterielle Embolisation behandelt (Mortalitätsrate < 40 %).7, 11

Adenome

Leberadenome treten gehäuft bei Frauen nach langjähriger Einnahme von Kontrazeptiva ein. Bei eindeutiger radiologischer Diagnose und Größenprogredienz bzw. einem Durchmesser von über 3–5 cm sollte eine Resektion durchgeführt werden.12 Bei radiologischem Verdacht und entweder Größenprogredienz oder kritischer Größe kann in Einzelfällen (z. B. zur genetischen oder immunohistochemischen Zusatzuntersuchung) eine Biopsie zur Festlegung der Therapie durchgeführt werden. Falls eine Einblutung stattgefunden hat, sollte ebenfalls die Resektion durchgeführt werden. Eine sichere Diagnose und v. a. der sichere Ausschluss eines Karzinoms ist in diesen Fällen nicht gewährleistet. Die Resektion sollte gleich wie beim Karzinom durchgeführt – also mit ausreichendem Sicherheitsabstand und nach anatomischen Grenzen – durchgeführt werden. Bei bilobären Adenomen mit Größenprogredienz kann nach histologischer Abklärung auch eine Lebertransplantation in Erwägung gezogen werden.

Fokal-noduläre Hyperplasie (FNH)

Die FnH tritt in 10–20 % multifokal auf und ist in bis zu 75 % der Fälle asymptomatisch. Komplikationen im Sinne einer Ruptur, eines progressiven Wachstums, portaler Hypertension oder Blutung sind selten, und maligne Entartung wurde nicht beschrieben. Somit stellt das konservative Vorgehen auch bei der FnH den Goldstandard in der Therapie dar. Um eine mögliche Wachstumstendenz festzuhalten, sollte 6 bis 12 Monate nach der Erstdiagnose eine Wiederholung der Bildgebung erfolgen. Bei nicht vorhandener Progredienz bedarf es keiner weiteren Langzeitbeobachtung. Größenwachstum (> 8 cm) und Zunahme/ Auftreten von Symptomen bei verdrängend wachsenden FnH-Knoten stellen eine Indikation zur chirurgischen Resektion dar, insbesondere bei jungen Frauen mit Kinderwunsch, wenn auch die Assoziation mit Kontrazeptiva/ Hormonen kontrovers diskutiert wird. neben der konventionellen chirurgischen Technik werden in hepatobiliären Zentren in ausgewählten Fällen auch laparoskopische Resektionen durchgeführt, die – bei gleicher Morbiditätsrate (bis zu 24 %) – den Vorteil einer kürzeren Rekonvaleszenzzeit, geringerer narbenhernieninzidenz und nicht zuletzt besserer kosmetischer Ergebnisse mit sich bringt. Parenchymsparende Enukleationen der FnH können aufgrund der oft den Tumor umgebenden großen Venen ein erhöhtes Blutungsrisiko mit sich bringen.7, 11

 

FACT-BOX

Die Leberresektion beim Karzinom soll in  Abhangigkeit von der Ausdehnung, dem  Vorhandensein/Stadium einer Leberzirrhose,  der Grunderkrankung und Ko-Morbiditaten  durchgefuhrt werden.  Adenome sollten bei Gro.enprogredienz  oder einem Durchmesser von uber 3 cm  reseziert werden. Zysten, Hamangiome und  fokale nodulare Hyperplasien stellen nur in  Ausnahmefallen und bei Gro.enprogredienz  bzw. Malignitatsverdacht eine Operationsindikation  dar.

 

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