Allergologie aktuell: von der Diagnose zur Therapie

Allergien sind ein aktuelles Thema. Gerade jetzt stehen wir wieder am Beginn der Pollensaison 2015. Im folgenden Beitrag wird über aktuelle Trends und Leitlinien zur Allergiediagnostik und -therapie berichtet.

Allergiediagnostik

Anamnese und Beschwerdekalender: Den wichtigsten Baustein in der Allergiediagnostik stellt weiterhin die Anamnese dar. Durch sie ist ein Großteil von Allergien bereits im Patientengespräch auszuschließen. Die Anamnese bildet auch die Grundlage für eine weitere gezielte allergologische Diagnostik.
Eine weitere gute Möglichkeit, um angegebene Beschwerden einer Allergie zuzuordnen, ist das Führen eines Beschwerdekalenders. Hier gibt es auch durch eine Pollen-App des österreichischen Polenwarndienstes die Möglichkeit derdigitalen Dokumentation.

Der Haut-Pricktest: Der Pricktest ist weiterhin meist der erste Standardtest einer In-vivo-Diagnostik. Hier werden standardisierte Lösungen auf den Unterarm aufgetropft und in die oberste Hautschicht mittels Lanzette eingeritzt. Das Ergebnis ist nach 15–20 Minuten ablesbar.

Gesamt-IgE und spezifisches IgE: Die Bestimmung des Gesamt-IgEs spielt eine untergeordnete Rolle. Für drei Indikationen ist sie dennoch vernünftig. Zunächst zur Dosisfindung bei der Therapie mit Anti-IgE bei schwerem Asthma bronchiale. Weiters als Teil der Diagnostik und des Monitorings der ABPA (Allergische bronchopulmonale Aspergillose). Zuletzt auch zur Relativierung der Höhe der spezifischen IgE. Ein sehr hohes Gesamt-IgE kann zu einer falschen Erhöhung anderer spezifischer IgE führen und die Spezifität des Ergebnisses daher vermindern.

Komponentendiagnostik: Eine große Neuerung der letzten zehn Jahre stellt die zunehmend häufiger werdende Analyse der Komponenten verschiedener Allergene dar. Gerade bei der Diagnostik und Risikoabschätzung von Nahrungsmittelallergien ist sie heute bereits unverzichtbar geworden. Bei Patienten mit Sensibilisierungen gegen diverse Pollen kann bei unklarer Anamnese die Komponentendiagnostik helfen, relevante Allergene einzugrenzen und von Kreuzsensibilisierungen zu unterscheiden. Diese Kreuzsensibilisierungen werden bei Pollen meist durch Komponenten der Gruppe Profiline oder Polcalcine hervorgerufen und finden sich in verschiedenen Pflanzen wieder. Bei den Birkenpollen ist dafür das Bet v2 bzw. Bet v4 ein Vertreter, bei Gräserpollen Phl p12 bzw. Phl p7. Im Unterschied dazu sind bei einer „echten“ Allergie gegen Gräser- bzw. Birkenpollen v.a. die Hauptallergene Phl p1 und Phl p5 bzw. bei den Birkenpollen Bet v1 positiv. Vor allem bei der Unterscheidung von Beifuß- und Ragweedallergien können die Komponenten von großer Hilfe sein, da hier eine starke Überlappung des Pollenflugzeitraumes zu beobachten ist. Extrakte von Beifuß und Ragweed sind sehr oft kreuzreaktiv, während die Hauptallergene Art v1 (Beifuß) bzw. Amb a1 (Ragweed) keine Kreuzreaktionen miteinander aufweisen und somit eine bessere Diskriminierung ermöglichen. Dies kann auch für die Auswahl der geeigneten spezifischen Immuntherapie von Nutzen sein.

Der Allergen-Chiptest: Seit wenigen Jahren ist ein Allergie-Chiptest auf dem Markt. Mit diesem können über 110 Komponenten von ca. 50 Allergenquellen gleichzeitig analysiert werden. Dies kann dem Spezialisten helfen, das Sensibilisierungsmuster bei polysensibilisierten Patienten besser zu verstehen. Auf der anderen Seite birgt es die Gefahr, irrelevante Sensibilisierungen (z.B. gegen Insektengifte oder Nahrungsmittel) bei Patienten aufzudecken, die eher zur Verwirrung als zum besseren Verständnis beitragen. Eine intensive Besprechung durch einen gut geschulten Arzt ist hier fast immer notwendig. Einige wenige Komponenten sind zur Zeit ausschließlich am Chiptest verfügbar, wie z.B. Api m4 (das Mellitin der Biene) oder die Hauptallergene der Kiwi (Act d1, 2, 5) und des Sesams (Ses i1). Bei diesen doch sehr spezifischen Fragestellungen wird man daher auch zum Chip greifen.

Allergietherapie

Die drei Säulen der Allergietherapie bestehen aus Allergenkarenz, symptomatischer Therapie und spezifischer Immuntherapie. Auf die Karenz kann aus Platzgründen hier nicht näher eingegangen werden.

Symptomatische Therapie

Rhinokonjunktivitis: Die allergische Rhinokonjunktivitis wird meist mit lokalen Antihistaminika (v.a. bei vorherrschendem Juckreiz und Sekretfluss) oder lokalen Steroiden (v.a. bei Behinderung der Nasenatmung) behandelt. Seit etwa einem Jahr steht auch ein Kombinationsnasenspray zur Verfügung, der die Vorteile des intranasalen Antihistaminikums und des Steroids verbindet. Auch eine systemische Therapie mit Antihistaminika (als Bedarfsmedikation bzw. oftmals besser als Dauertherapie während der Pollensaison) oder Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA) ist möglich. (Siehe auch ARIA-Leitlinien).

Urtikaria: Die Therapie der Urtikaria wird in den AWMF-Leitlinien ausführlich dargestellt und soll hier aus Platzgründen nicht behandelt werden.

Asthma bronchiale: Der GINA-Report 2014 brachte hier ein paar Neuerungen zu den früheren Leitlinien.

  • Die Definition von Asthma wurde geändert, wobei hier v.a. das heterogene Krankheitsbild hervorgehoben wird. Die bronchiale Überempfindlichkeit verliert etwas an Bedeutung.
  • Eine besondere Bedeutung wird auf die Verbesserung des Asthmamanagements (Inhalationstechnik, Compliance, Strategien für das Selbstmanagement etc.) gelegt.
  • Einbeziehen der Altersgruppe von Kindern jünger als sechs Jahre in das Asthmamanagement mit einem eigenen Stufenplan zur Therapie
  • Beschreibung des relativ neu definierten „Asthma-COPD overlap syndrome“

Der neue Stufenplan zur Asthmatherapie wird in der Abbildung dargestellt. Auffällig ist hierbei die Breite der Stufe 2, ein Hinweis, dass ein Großteil der Patienten in diese Therapiestufe fällt. Gerade bei Kindern treten die LTRA zugunsten der inhalativen Kortikosteroide (ICS) eher in den Hintergrund. Besonders bei allergieassoziierten Beschwerden sind die ICS den LTRA überlegen. Etwas an Stellenwert gewonnen, hat Anti-IgE (Omalizumab) in Stufe 5, wo es hier noch vor oralen Steroiden empfohlen wird.

 

 

Spezifische Immuntherapie

Die spezifische Immuntherapie (SIT) ist eine der interessantesten Therapiesäulen der Allergietherapie, da hier eine kausale Therapie und eine direkte, nachhaltige Immunmodulation bis hin zur Toleranzentwicklung erreicht werden kann. Dennoch kommt die SIT noch immer relativ selten zum Einsatz, obwohl in vielen Bereichen bereits die Wirksamkeit und Verträglichkeit gut dokumentiert ist. Gerade auf diese Aspekte nimmt auch die ganz aktuelle Leitlinie verschiedener österreichischer, deutscher und Schweizer Fachgesellschaften Bezug (Pfaar O et al., Allergo J Int 2014).

Indikationen: Voraussetzung für eine SIT ist eine nachgewiesene IgE-vermittelte Sensibilisierung sowie ein klarer Zusammenhang zwischen klinischer Symptomatik und auslösendem Allergen. Eine kurze Erkrankungsdauer und ein junges Lebensalter sind prognostisch günstige Faktoren. Aufgrund der zugrunde liegenden Datenlage wird eine SIT bei Kindern erst ab einem Alter von fünf Jahren empfohlen (Ausnahme sind Insektengifte). Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht mehr.

Kontraindikationen: Die wichtigsten Kontraindikationen für den Patienten mit Atemwegsallergien sind ein teil- oder unkontrolliertes Asthma bronchiale oder eine schlechte Compliance. Des Weiteren werden maligne neoplastische Erkrankungen mit aktuellem Krankheitswert, schwere Autoimmunerkrankungen, Kontraindikationen für Adrenalin, Behandlung mit Betablockern und schwere Reaktionen nach SIT in der Vergangenheit angeführt. Im begründeten Einzelfall ist aber eine SIT auch bei vorliegenden KI zugelassen, wenn der Nutzen das mögliche Risiko übersteigt.

Welche Allergene: Es können Allergene zur Anwendung kommen, die 1. verfügbar sind, 2. wo eine Allergenkarenz nicht oder nur unzureichend möglich ist und 3. bei welchen die Wirksamkeit gezeigt wurde. Im Großen und Ganzen schließt das die Gruppe der Insektengifte (Biene, Wespe), Pollen (insb. Gräser, Bäume, Beifuß, Ragweed) und Hausstaubmilben ein. Für Schimmelpilze und Tierepithelien liegen nur sehr wenige Wirksamkeitsdaten und oft eine unzureichende Standardisierung vor, sodass hier die Indikation sehr restriktiv erfolgen soll.

Sublingual oder subkutan: Die Entscheidung, ob eine sublinguale (SLIT) oder subkutane (SCIT) Therapie gewählt wird, hängt einerseits von den zur Verfügung stehenden Präparaten, andererseits auch von der Eignung für den jeweiligen Patienten ab. Sehr gute Wirksamkeitsdaten gibt es hier für die relativ neuen Gräsertabletten sowie für manche Baumpollen-Präparate. Bei Milben sollte derzeit noch auf die subkutane Form zurückgegriffen werden, in naher Zukunft werden aber auch hier Tabletten zur Verfügung stehen, deren erste Studienergebnisse schon sehr vielversprechend sind.
Manchen Patienten ist die tägliche Einnahme von Tabletten oder Tropfen lieber, als sich alle paar Wochen eine Injektion vom Arzt geben zu lassen, bei anderen ist die notwendige tägliche Einnahme bei der SLIT sehr schwierig und die SCIT daher vorzuziehen. Gerade bei Asthma bronchiale ist die Studienlage für die SLIT noch unzureichend, und es sollte hier die SCIT vorgezogen werden.

Zusammenfassung

Allergien beschäftigen viele niedergelassene Ärzte und Patienten. Die Diagnostik beruht auf den Säulen der Anamnese, In-vivo- und In-vitro-Testung. Für spezielle Fragestellungen ist die Komponententestung und in ausgesuchten Fällen auch der Chiptest hilfreich. Die drei Säulen der symptomatischen Therapie sind Allergenkarenz, symptomatische (medikamentöse) Therapie und spezifische Immuntherapie. Zu vielen dieser Bereiche geben Leitlinien genaue Angaben über Dosierungsschritte. Gerade die spezifische Immuntherapie ist eine sehr elegante, nachhaltig wirksame Methode, die in Zukunft noch eine größere Rolle spielen wird.