Flüssige Zuckerbomben enttarnt

Das vorsorgemedizinische Institut SIPCAN („Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition“) führt seit mehr als fünf Jahren jährlich eine Studie zum Zuckergehalt in Getränken durch. Bundesweit wird das Getränkeangebot in (verschließbaren) PET-Gebinden sowie Kartonverpackungen von 0,20 bis 0,75 Liter analysiert.
Für die aktuelle Studie wurden über 750 im Handel befindliche Produkte kontrolliert. Neben Limonaden, Eistees und gespritzten Fruchtsäften wurden unter anderem auch Sportgetränke und Energy-Drinks unter die Lupe genommen. Dafür wurde sowohl direkt die Industrie kontaktiert als auch vor Ort in den Supermärkten recherchiert.

Orientierung schaffen

Eine Besonderheit der Studie ist, dass neben der transparenten Darstellung des Zuckergehaltes auch klare Kriterien für die Produktauswahl festgelegt wurden. Die Experten von SIPCAN haben in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium und weiteren Institutionen alltagstaugliche Orientierungskriterien erarbeitet, die sich unter anderem nach den aktuellen WHO-Empfehlungen richten. „Der Zuckergehalt pro 100 mlGetränk soll bei maximal 7,4 g liegen, und es dürfen keine Süßstoffe enthalten sein“, erklärt Studienleiter und Vorstand von SIPCAN Univ.-Prof. Prim. Dr. Friedrich Hoppichler. „Süßstoffe haben die Aufgabe Zucker zu ersetzen, sind aber nicht als Freibrief einzustufen. Damit lassen sich zwar Kalorien einsparen, aber es findet wie bei Zucker eine Gewöhnung an eine bestimmte Süße statt.“

Erste Erfolge: 1 kg weniger Zucker pro Jahr,aber weiterer Handlungsbedarf

Die Studienergebnisse zeigen, dass aktuell 43,6% der Getränke im Handel den genannten Kriterien immer noch nicht entsprechen. „Im zeitlichen Verlauf können jedoch positive Veränderungen beobachtet werden. Seit 2012 ist der Anteil der Produkte, die maximal 7,4 g Zucker pro 100 ml und keine Süßstoffe enthalten von 45,9% auf 56,4% gestiegen“, berichtet Hoppichler. Der durchschnittliche Zuckergehalt verringerte sich seit 2012 um 9,7% von 7,36 g auf aktuell 6,65 g pro 100 ml. „Umgerechnet auf den pro Kopfverbrauch an nichtalkoholischen Getränken (ohne Wasser) bedeutet dies, dass jeder Österreicher pro Jahr 1 kg Zucker weniger trinkt. Mit der eingesparten Zuckermenge könnte man mit Zuckerpäckchen eine Strecke von Wien nach Paris auslegen“, so Hoppichler.

Das österreichische Modell: Schritt für Schritt und Information statt Strafe

Der Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft Univ.-Prof. Prim. Dr. Hermann Toplak sieht in der positiven Entwicklung die konstante Arbeit der letzten Jahre. „Die Ergebnisse zeigen klar, dass der Konsument Getränke mit weniger Zuckergehalt annimmt und bereit ist, sich an weniger Süße zu gewöhnen. Gleichzeitig greift die Industrie unser „österreichisches Modell“ auf und bringt Produkte auf den Markt, die den vorgegebenen SIPCAN-Kriterien entsprechen“, so Toplak weiter.

Das österreichische Modell …

  • hat eine klare Linie: maximal 7,4 g Zucker pro 100 ml. Dieser Richt- und Zielwert ist für die Industrie umsetzbar und schmackhaft für die Konsumenten,
  • fördert eine schrittweise Reduktion der Süße, damit sich der Konsumentengeschmack anpassen kann,
  • informiert, anstatt mit Strafsteuern zu agieren.

Auf diese Weise wird die gesündere Wahl schrittweise die leichtere und gleichzeitig genussvolle Wahl.

Machbare Ziele als entscheidendes Kriterium

„In Österreich sehen wir, dass eine Zuckerreduktion in Getränken auf Basis klarer Orientierungskriterien, die sowohl für die Industrie als auch für den Konsumenten erreichbar sind, in der Praxis funktioniert“, so Hoppichler. Mit der vorgegebenen Menge von maximal 7,4 g Zucker pro 100 ml sei dies gut gelungen. Ein nachvollziehbares Beispiel für eine wirksame Zuckerreduktion bei einem bestehenden Produkt ist der in Österreich beliebte Eistee. Im zeitlichen Verlauf der letzten Jahre konnte immer wieder eine kleine schrittweise Reduktion des Zuckergehalts einzelner Produkte beobachtet werden. Das Resultat ist ein um 16% verringerter Zuckergehalt.
Beide Fachärzte fordern die Industrie auf, diesem positiven Beispiel zu folgen und in bereits auf dem Markt erhältlichen Produkten, den Zuckergehalt schrittweise zu senken, ohne jedoch die so erreichte Reduktion der Produktsüße, durch den Einsatz von Süßstoffen wieder künstlich nach oben zu treiben. Denn das langfristige Ziel sollte nicht nur eine Einsparung an Kalorien sein, sondern auch dem Konsument die Möglichkeit zu geben, sich an eine geringere Süße und somit eine gesündere Lebensmittelauswahl zu gewöhnen. Hier wäre es zielführend, wenn auch die durch Süßstoffe erreichte Süße für den Konsumenten transparent dargestellt und einen Vergleichswert von 7,4 g Zucker pro 100 ml nicht übersteigen würde. Auf diese Weise könnten sich die Konsumenten auch bei süßstoffhaltigen Getränken für weniger süße Produkte entscheiden. „Neu eingeführte Produkte sollten den vorgegebenen Kriterien in jedem Fall entsprechen“, sind sich Toplak und Hoppichler einig.
Die Studienergebnisse werden auf www.sipcan.at als „Getränkeliste“ zum kostenlosen Download oder als Onlinesuche zur Verfügung gestellt.

 

 

Praktische Getränke-APP für den täglichen Einkauf

Wer sich unterwegs im Supermarkt oder im Restaurant orientieren möchte, hat auch die Möglichkeit die Studie als Datenbank in Form einer kostenlosen APP am Smartphone zu installieren. Zu finden im App Store für Apple bzw. Play Store für Android mit dem Suchbegriff „SIPCAN“.