Spitalskrise macht Mehrarbeit

„Die Diskussionen in den Krankenhäusern sind durchaus zu bemerken. Es ist so, dass Ambulanzen bei uns zeitweise oder überhaupt geschlossen werden. Es melden sich bei uns immer mehr Leute, die keinen Termin bekommen“, erzählte Dr. Momen Radi, Internist und Allgemeinmediziner in Innsbruck, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte Tirols, der Ärzte Krone.
So habe man in Innsbruck an der Klinik die Nierenambulanz zurückgefahren. Gehört habe er auch, dass Hypertoniker und Patienten mit Stoffwechselerkrankungen keine Termine mehr in den Ambulanzen bekommen hätten.
Kein Wunder: In Innsbruck gibt es ähnliche Diskussionen an der Medizinischen Universität rund um Ärztedienstzeiten, Gehaltsausgleich für entfallende Nachtdienste und aus den neuen Arbeitszeitregelungen resultierende Personalengpässe wie an der MedUni Wien.

Ärzte da, aber nicht für’s Kassensystem

Doch auch dort tut sich – durch die restriktive Kassenpolitik – eine Schere auf. „In einzelnen Fachbereichen haben wir zu wenige Stellen, zum Beispiel bei den Augenärzten und Kinderärzten. Wir suchen auch Psychiater. Aber wir finden sie nicht für Kassenstellen. Das will keiner“, sagte Radi. Der Internist und Allgemeinmediziner ist es sprichwörtlich leid, der Gesundheitspolitik mit ihren sich ständig wiederholenden Gebetsmühlenklängen zuzuhören, die davon spricht, dass „sowieso genug Ärzte vorhanden“ seien. „Ärzte gibt es. Aber man muss fragen, ob sie auch versorgungsrelevant werden.“
Hinzu kommen noch systemimmanente Probleme bei der Vergabe dringend nachzubesetzender Kassenstellen. Das Punktesystem hätte hier seine Tücken. Das sei zwar prinzipiell transparent, bringe aber Schwierigkeiten mit sich, weil man aufgrund der Punktezahl der Bewerber, nicht nach deren Kapazität in der Grundversorgung auswählen müsste. Dadurch hätte man auch bei bis dato gut besetzten Fächern wie zum Beispiel Internisten in der Stadt zunehmend Versorgungsengpässe mit langen Wartezeiten.

Reformen nur bei Crash!

Radi sieht schließlich ein deutliches Versagen beim Gewährleisten der entsprechenden Leistungen bzw. beim Leistungsausbau in der niedergelassenen Praxis: „Der Arzt, der selbst mehr arbeitet, wird vom System nicht geschätzt, sondern sogar dafür bestraft, dass er mehr leistet. Wie wir an den Krankenhäusern sehen können, gehen Änderungen nur, wenn vorher ein Crash kommt. Man tut erst etwas, wenn der Hut brennt.“
Ganz sicher: Dass wieder mehr medizinische Leistungen aus den Krankenhäusern bzw. deren Ambulanzen in die niedergelassene Praxis kommen, das wünschen sich die niedergelassenen Ärzte seit Jahren. Mit der Gesundheitsreform wurde das auch als Ziel der Gesundheitspolitik formuliert.
Dr. Thomas Fiedler, Obmann der Kurien der niedergelassenen Ärzte in Oberösterreich: „Die Politik drängt sehr auf Auslagerung von medizinischen Leistungen aus den Krankenhäusern. Aber dass Geld nachfolgt, davon habe ich noch nichts gehört.“ Dabei sei ja gerade diese Auslagerung von Leistungen im Grunde sinnvoll und viele Jahre lang gefordert worden. Man müsse sie nur realisierbar machen. Doch die aktuelle Situation ist uneinheitlich. Das zeigt sich beispielsweise in Salzburg und in der Steiermark. „Bei uns haben sich bisher noch keine Auswirkungen durch das neue Arbeitszeitgesetz für die Spitalsärzte gezeigt“, sagte der Niedergelassenen-Kurienobmann in Salzburg, Dr. Walter Arnberger. Das liege offenbar daran, dass man in Salzburg endlich der Abwanderung von noch mehr Spitalsärzten entgegen gesteuert hätte und das derzeit mit deutlichem Engagement betreibe.
Ähnlich auch Dr. Reinhold Glehr, nunmehr 2. Vizepräsident der ÖGAM in seinem Umfeld in der Steiermark. „25 km von mir entfernt ist das Krankenhaus Oberwart. Und da sehe ich, dass die Chirurgie Leistungen, die sie früher erbracht und mit guter Qualität durchgeführt hat (z.B. Doppler-Ultraschall-Gefäßuntersuchungen), nicht mehr macht. Ich schaue dann, dass die Patienten einen Termin in Graz bekommen.“

Mehr Patienten

„Ich merke seit einem halben Jahr eine deutliche Frequenzsteigerung in meiner Praxis. Das war im vierten Quartal und hat im ersten Quartal heuer angehalten. Ich habe um die hundert Patienten mehr. Die Tendenz ist ungebrochen. Die Gesundheitspolitik steckt den Kopf komplett in den Sand“, sagte der Wiener Kurienobmann-Stellvertreter Dr. Norbert Jachimowicz gegenüber der Ärzte Krone.
In zehn Jahren sei die Zahl der Hausarzt-Kassenstellen in Wien um 80 zurückgegangen. Dabei habe die Bevölkerung um 200.000 Personen zugelegt. Jachimowicz hat darüber hinaus seine Ordination in Wien-Alsergrund, im Umfeld des AKH mit den derzeit heiß umkämpften Zuständen in den Universitätskliniken. Die niedergelassenen Fachärzte könnten vermehrten Bedarf auch kaum abfangen. „Die Leute kommen jetzt auch öfter zu mir, weil sie den nächsten Facharzttermin erst in drei Wochen oder später bekommen.“

„Gehens, zum Hausarzt, der macht alles für Sie“

Dr. Gert Wiegele, Stellvertretender Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, schilderte seine Erfahrungen in Kärnten: „Da gibt es an den Spitälern bestimmte Ambulanzen, da kommt man nur noch mit komplizierten Anmeldeverfahren oder nur noch über Facharztzuweisung hin.“
In der niedergelassenen Medizin wiederum ließen sich technische Leistungen besser abrechnen, was dort mögliche Kapazitätsausweitungen einfacher mache. „Aber die Betreuungs- und Sprechmedizin von uns Hausärzten ist halt nicht messbar“, sagte Wiegele.
Katastrophales höre er immer wieder aus den überlasteten Spitälern. „Dort heißt es immer häufiger zu den Patienten: ‚Gehens’ zum Hausarzt, der macht alles für Sie.“ Es sehe so aus, als wolle man das österreichische Gesundheitswesen ins Chaos führen. Erst dann werde man eventuell bemerken, was geändert gehört.

 

 

Leistung ohne Geldverlagerung

Ganz wie Wiegele meint auch Fiedler, dass von dem ständig zu hörenden Slogan „Geld folgt Leistung“ nichts zu bemerken ist. Ein genaues Bild über Leistungseinschränkungen in den Spitälern bzw. Spitalsambulanzen in Oberösterreich gebe es noch nicht. Aber: „Es gibt offenbar Ambulanzen, die schauen, dass Patienten nur noch mit fachärztlichen Überweisungen genommen werden.“ Das kränke wiederum die Allgemeinmediziner, die ja dann an Spitalsambulanzen überwiesen, wenn sie dies für notwendig hielten und in der niedergelassenen Praxis (Fachärzte) Probleme nicht abgedeckt werden könnten.
Freilich, auf ein Problem hat in diesem Zusammenhang erst vor Kurzem Fiedlers Kurienobmann-Stellvertreter, Dr. Wolfgang Ziegler, hingewiesen: In die niedergelassene Praxis ausgelagerte Spitals- und/oder Ambulanzleistungen haben kein „Mascherl“. Mehrarbeit kann man identifizieren, die Zusatzbelastung im Einzelfall wohl kaum …