Metaanalyse von RCTs – „The final truth“?

Aktuell ist eine Metaanalyse von 9 RCTs, durchgeführt von der U. S. Preventive Services Task Force (USPSTF) zu Benefits und Risken der postmenopausalen Hormontherapie (HT) in den „Annals of Internal Medicine“ erschienen.* Die Auswahl der in die Analyse inkludierten wissenschaftlichen Arbeiten basierte unter anderem auf dem Cochrane Central Register of Controlled Trials, der Cochrane Database of Systematic Reviews, auf Medline und Scopus. Insgesamt wurden 4.524 Beiträge zum Thema identifiziert, 51 Arbeiten erfüllten die von den USPSTF aufgestellten Kriterien. Im Einzelnen wurden folgende RCTs in die Metaanalyse einbezogen:

  • WHI (Women’s Health Initiative – Trial mit kombinierter Hormontherapie/„Estrogen only“-Trial) und WHI-Subanalysen
  • WHIMS (WHI Memory Study)
  • WHISCA (WHI Study of Cognitive Aging)
  • HERS (Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study),
  • ESPRIT (Estrogen in the Prevention of Reinfarction Trial)
  • EMS (Estrogen Memory Study)
  • ULTRA (Ultra-Low-Dose Transdermal Estrogen Assessment)
  • sowie WISDOM (Women’s International Study of Long-Duration Oestrogen after Menopause)

Die Crux mit den schwächelnden Basics

Von den Autoren wird festgehalten, dass jede der ausgewählten Arbeiten den strengen, von der USPSTF aufgestellten Auswahlkriterien entsprach und als geeignet angesehen wurde, spezielle Fragestellungen zu beantworten; die Interpretation der Studienergebnisse hat jedoch „sorgsam“ zu erfolgen: Einerseits wäre auf die primären (und sekundären) Studienziele, die von den einzelnen Arbeitsgruppen zu Studienbeginn festgelegt worden waren, bei Ausweitung der Studienergebnisse zu fokussieren, und andererseits wurde von der Task Force sehr deutlich auf die Schwachpunkte der einzelnen Studien hingewiesen.

Die WHI-Trials etwa waren „designt“, um den Stellenwert einer kombinierten Hormontherapie (CEE + MPA) und einer Östrogenmonotherapie (CEE-only) in Bezug auf die primäre (bzw. sekundäre) Prävention von bestimmten Krankheitsbildern zu beurteilen: Primäre Studienziele waren kardiovaskuläre Erkrankungen und Mammakarzinome, sekundäre Studienziele Knochenfrakturen, Schlaganfall, thromboembolische Ereignisse, Endometrium- und Kolorektalkarzinome sowie die Gesamtmortalität.

In die WHI aufgenommen wurden 16.608 Frauen im CEE/MPA-Trial und 10.739 Frauen im CEE-only-Trial mit einem Alter zwischen 50 und 79 Jahren.
Spezielle Charakteristika der WHI-Trials:

  • Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmerinnen betrug bei Studienbeginn 63 Lebensjahre.
  • In die Studie aufgenommen wurden ausschließlich Frauen ohne „Wechselbeschwerden“.
  • Die Teilnehmerinnen der CEE-only-Trials wiesen überproportional häufig Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen (bzw. bereits durchgemachte Erkrankungen) auf, so z. B. einen höheren BMI, Hypertonie, hohe Cholesterinwerte, durchgemachte Herzinfarkte, Schlaganfälle und thromboembolische Ereignisse; weiters war in dieser Gruppe eine höhere Rate an Fällen mit Diabetes mellitus zu registrieren.Nicht zuletzt unterschieden sich die WHI-Studiengruppen auch in Bezug auf Parität, Risikofaktoren für Brustkrebs und verschiedene familiär-anamnestische Daten.
  • Bedeutsam für die Interpretation der Studienergebnisse ist aber vor allem auch die hohe „drop-out“-Rate. Diese betrug in der CEE/MPA-Gruppe 42 %, in der CEE-only-Gruppe 53 % und in der Placebo-Gruppe 38 %.

So viel zu den Basics der WHI-Trials, die allerdings bei Diskussion der Studienergebnisse kaum artikuliert werden.

In Bezug auf methodische Probleme bei den anderen in die Metaanalyse eingeflossenen Studien stellen die Autoren fest, dass es bei WHIMSA, HERS und ULTRA Unterschiede in Bezug auf epidemiologische Daten der einzelnen Studiengruppen zu Studienbeginn gab, bei EMS die Studiengruppen insgesamt (zahlenmäßig) klein waren, bei WISDOM die Nachbeobachtungszeit (zu) kurz, bei WHISCA, EMS, aber auch WHI gab es Unklarheiten bezüglich mancher Studienergebnisse und nicht zuletzt war bei den WHI- und HERS-Studiengruppen die Verblindung nicht lege artis.


Sehr geehrte Frau Kollegin, lieber Herr Kollege,

die Ergebnisse der 9 in die Metaanalyse zum Stellenwert der postmenopausalen Hormontherapie aufgenommenen RCTs sind nicht zuletzt aufgrund der von der USPSTF artikulierten Schwachpunkte – fast möchte man sagen: erwartungsgemäß – unterschiedlich bzw. widersprüchlich zu interpretieren. Insbesondere zeigt diese Metaanalyse deutlich, dass auch randomisierte placebokontrollierte Studien und die auf diesen Studien basierenden Metaanalysen nicht die „final truth“ darstellen; die vielfach auch in der Fachwelt zu beobachtende „Hörigkeit“ ist also nicht gerechtfertigt. Was von den in der (Laien-)Presse wiedergegebenen Teilergebnissen von Studien zu halten ist, braucht nicht weiter diskutiert werden.
Die große Herausforderung, die sich uns stellt, ist jene, im Rahmen der Interpretation von Studienergebnissen und insbesondere im Dialog mit unseren Patientinnen die „Besonderheiten“ der einzelnen Arbeiten mit zu berücksichtigen und unter Einbeziehung der individuellen Wünsche und unserer klinischen Erfahrung – diese drei Säulen sind ja die Inhalte der evidenzbasierten Medizin – den im Einzelfall besten Weg zu finden.
Aber dieses Vorgehen hat ja bei uns Tradition.

* Nelson H. D. et al.: Menopausal Hormone Therapy for the Primary Prevention of Chronic Conditions: A Systematic Review of Update the U.S. Preventive Services Task Force Recommendations. Annals of Internal Medicine 2012; 157/2