Allergie im Anflug

Eine Allergie definiert sich als eine überschießende Abwehrreaktion des Körpers auf bestimmte Umweltstoffe (Allergene), bedingt durch eine abnorme Produktion von spezifischem IgE. Schaltstelle sind dabei die im Knochenmark gebildeten Mastzellen. Sie finden sich im lockeren Bindegewebe aller Organe und beinhalten, in kleine Bläschen verpackt, den Botenstoff Histamin. Die beim ersten Allergenkontakt gebildeten IgE haften sich an die Außenwand der Mastzellen, es findet eine Sensibilisierung statt. Beim darauffolgenden Kontakt desselben Antigens tritt dann die allergische Reaktion auf. „Bei einem gesunden Menschen kommt es zu keiner Bildung von IgE-Antikörpern, das Immunsystem ist im Gleichgewicht. Bei einem Allergiker wird die Abwehr gefördert – es folgt eine Überreaktion“, erläutert Univ.-Prof. Prim. Dr. Wolfgang Popp, Vorstand der 11. Medizinischen Abteilung mit Lungenkrankheiten und Langzeitbeatmungszentrum, Geriatriezentrum Am Wienerwald. Die Mastzellen platzen förmlich auf, es kommt zu einer massenweisen Ausschüttung von Histamin. In der Folge weiten sich die Blutgefäße, Flüssigkeit tritt aus, und binnen weniger Minuten entstehen Schwellungen, Ödeme, Quaddeln und an den Schleimhäuten massive Sekretion. Die Betroffenen leiden unter Juckreiz, rinnender Nase und Augenrinnen, in schwerwiegenderen Fällen unter verengten Bronchien und Atemnot oder auch Kreislaufreaktionen mit Blutdruckabfall.

Prophylaxe ist möglich

Zur Behandlung der allergischen Erscheinungen steht eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung. Gerade bei Pollenallergie sind bereits vorbeugende Maßnahmen möglich, nicht nur eine entsprechende Urlaubsplanung. Es stehen etwa Filmbildner zur Verfügung, welche die Schleimhäute mit einer dünnen Schutzschicht überziehen. So wird das Eindringen der Allergene in den Körper vermindert. Mehrmalige Reinigung mit Salzwassersprays und Nasenspülungen vermindern ebenso das Risiko. Auch der Einsatz abschwellender Nasensprays ist laut Popp durchaus anzuraten: „Die Therapie der ersten Wahl ist lokale Anwendung von Nasenspray, je früher, umso besser – also auch prophylaktisch. Die Nase sollte immer frei gehalten werden.“ Er empfiehlt auch, orale Antihistaminika bereits vor dem Kontakt mit der Noxe einzusetzen. Dies gilt allerdings nur für einen zeitlich beschränkten Zeitraum.
Ebenso kann Allergiegeplagten eine Stärkung des Immunsystems empfohlen werden. Neben Klassikern wie dem Roten Sonnenhut oder der Kapland-Pelargonie wirft sich auch die Tragantwurzel ins Rennen. Durch ihre phagozytoseähnlichen Eigenschaften kann sie die Antigene binden und ist daher nicht nur in der Prophylaxe, sondern auch in der Therapie eine Option.

Keine Schlafmittel

Sowohl in lokaler als auch systemischer Anwendung kommen Antihistaminika und Mastzellenstabilisatoren zum Einsatz. Vor allem die zweite Gruppe (häufigster Vertreter: Cromoglicinsäure) zeichnet sich durch ausgezeichnete Verträglichkeit aus. Der Einsatz ist sowohl in der Schwangerschaft als auch bei Kindern möglich.
Im Unterschied zu den frühen Formen der Antihistaminika, die durch stärker sedierende Nebenwirkungen auffielen (und heute eher selten verkauft werden), sind die neueren Wirkstoffe in dieser Hinsicht unbedenklich einsetzbar. „Eine orale Einnahme einmal pro Tag macht in der Regel nicht müde“, bestätigt Popp.
In schweren Fällen und im Akutfall greift man gerne auf die bewährten entzündungshemmenden Dienste von Kortison zurück. Dieses ist mittlerweile in praktisch jeder nur denkbaren Darreichungsform erhältlich und wirkt nicht nur auf die Schleimhäute in Nase und Augen, sondern auch abschwellend und antiinflammatorisch auf die Bronchien. Im Notfall, wie z. B. bei schweren Insektengiftallergien mit Kreislaufversagen, wird Epinephrin i. m. appliziert. Am besten eignet sich dafür der dicke Muskel an der Außenseite des Oberschenkels.
Wichtig ist, die Allergiesymptome nicht zu lange unbehandelt zu lassen, sondern schnell die Therapie einzuleiten, denn durch frühzeitige Behandlung kann eine Mitbeteiligung der Bronchien, vor allem deren Entzündung, verhindert werden. Der Fachmann rät, bei ersten Anzeichen von Husten, Geräuschen im Brustkorb oder Kurzatmigkeit sofort den Facharzt zu konsultieren, denn bei Allergikern besteht immer die Gefahr des Etagenwechsels. So kann sich anfangs ein rein allergiebedingtes Asthma in eine chronische Form verfestigen.

Desensibilisierung

Die Desensibilisierungsmethoden gliedern sich in die (klassische) subkutane Immuntherapie (SCIT) und die bei Gräserpollen-Allergie zum Einsatz kommende sublinguale Immuntherapie (SLIT). Beide Therapieformen ziehen sich über mehrere Jahre und werden immer in der allergenfreien Jahreszeit oder auch kosaisonal verabreicht.
„Bei lange andauernden Beschwerden beziehungsweise besonders stark ausgeprägten Symptomen ist eine Immuntherapie sinnvoll. Dies gilt für Patienten mit schmalem Allergenspektrum und kürzerer Beschwerdedauer. Tabletten und Tropfen (SLIT), drei Saisonen lang, bringen eine hohe Erfolgsquote und werden auf Grund der Anwenderfreundlichkeit und der geringen Nebenwirkungen der Hyposensibilisierung mittels Injektion auch vom Patienten bevorzugt. In vielen Ländern werden bereits 70–80 % der Betroffenen damit behandelt“, schildert Popp.

 

Zusätzliche Tipps

Allergenkarenz:

  • Bei schönem Wetter nur kurz lüften, bei Regen ausgiebiger.
  • Pollenflug variiert lokal: Am Land meist am höchsten in den frühen Morgenstunden, in der Stadt im Laufe des Tages bzw. Nachmittages (Lüftung anpassen)
  • Pollenschutzgitter an Fenster anbringen
  • Polster, Kleidung öfters waschen; keine Teppiche (insbesondere Spannteppiche bei Milbenallergie)
  • Haare vor dem Schlafengehen waschen
  • Getragene Kleidung nicht im Schlafzimmer ablegenKreuzallergene vermeiden (z. B. Kernobst und Nüsse bei Birkenallergikern sowie andere Nahrungsmittel)

Pollenflucht:
über 2.000 Meter keine Pollen mehr (übrigens gibt es über 1.500 Meter Seehöhe auch praktisch keine Hausstaubmilben mehr)

Individualschutz:
Sonnenbrillen (öfters putzen), Hut, Pollenfilter im Auto helfen; lange stillen zum Schutz der Kleinkinder (6 Monate)

Sonnenallergiker:
direkte Sonnenbestrahlung meiden, auch die Auswirkung fotosensibilisierender Medikamente beachten