Die spezifische Immuntherapie – kausal gegen die Allergie

Die klassische subkutane allergenspezifische Immuntherapie (AIT) gilt nach wie vor als Goldstandard zur kausalen Behandlung von Typ-I-Allergien. Die neuen sublingualen Hochdosispräparate stellen eine ebenbürtige Alternative dar. Die Erwartungen an Immuntherapien mit rekombinanten Allergenen oder Peptiden waren hoch, konnten bislang jedoch nicht erfüllt werden.

Seit die englischen Wissenschafter Leonard Noon und John Freeman 1911 die erste Desensibilisierungstherapie des Heufiebers durchführten, ist das Prinzip der allergenspezifischen Immuntherapie im Wesentlichen unverändert: Durch die kontinuierliche Verabreichung eines Allergens wird Toleranz induziert. Viel wurde über den vermeintlichen Wirkmechanismus spekuliert. Aktuell sind blockierende IgG-Antikörper sowie regulatorische T- und B-Zellen im wissenschaftlichen Fokus. Der genaue Wirkmechanismus bleibt allerdings weiterhin unklar.

Die spezifische Immuntherapie behandelt die Symptome der Allergie, zudem

  1. bleibt die Wirkung auch nach dem Absetzen bestehen.
  2. wird der Krankheitsverlauf selbst günstig beeinflusst, die Entstehung von Asthma wird verhindert, das Risiko von Neusensibilisierungen reduziert.
  3. hilft sie dabei, Gesamtkosten einzusparen, unter anderem durch Reduktion von Krankenständen und Folgeschäden.

Indikation

Patient:innen mit einer nachgewiesenen allergischen Rhinokonjunktivitis, die mit einer symptomatischen Therapie kein Auslangen finden und deren Beschwerden mindestens 2 Saisonen andauern, sollten eine Immuntherapie erhalten. Wenn eine Asthmavermeidung erzielt werden soll (z. B. bei Kindern aus atopischen Risikofamilien), kann eine AIT auch bei weniger starken Beschwerden angeboten werden.

Im Falle einer Insektengiftallergie ist die Immuntherapie all jenen Patient:innen zu empfehlen, deren Beschwerden über eine reine Hautsymptomatik hinausgehen. Keine Immuntherapie ist jedenfalls zu verabreichen bei einer Sensibilisierung ohne Anamnese oder wenn die Anamnese nicht einer Soforttypreaktion entspricht.

Effizienz

Die Erfolgsaussichten einer AIT sind bei Hymenopterengiftallergiker:innen mit 80–95 % am höchsten, bei Schimmelpilzen und Tierhaaren kommt es gerade bei 50 % der behandelten Patient:innen zu einer Verbesserung der Symptome. Für letztere zwei Allergene gibt es nur wenige Studien, sodass diese Immuntherapie Patient:innen mit beruflichem Kontakt (Tierärztinnen und Tierärzte, Laborpersonal, Bäuerinnen und Bauern) vorenthalten sein soll.
Die Erfolgsaussichten für Pollen liegen bei ca. 70 %, für Hausstaubmilbe bei etwa 60 %.

Eine zentrale Rolle für einen guten Erfolg spielt die Compliance, da mindestens eine dreijährige Therapie für einen dauerhaften Effekt notwendig ist. Eine komponentenbasierte IgE-Diagnostik kann besonders im Fall einer Polysensibilisierung bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten der AIT hilfreich sein. Die Therapielösungen werden hinsichtlich des Gehalts an Majorallergen standardisiert und überwacht. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass bei einer Allergie gegen die Majorallergene (z. B. Bet v 1 der Birke, Phl p 1/5 der Gräser) ein Therapieerfolg wahrscheinlicher ist als bei einer Allergie gegen die Minorallergene (Bet v 2/4, Phl p7/12).

In der Praxis

Neben der klassischen perennialen AIT mit subkutanen Allergenextrakten gibt es chemisch modifizierte Extrakte (Allergoide), unterschiedliche Adjuvanzien sowie Schemata (perennial, präsaisonal) und seit einigen Jahren auch sublinguale Präparate. Im Jahr 2022 kam in Österreich die erste orale Immuntherapie zur Behandlung schwerer Erdnussallergien bei Kindern auf den Markt. Es ist unmöglich, die einzelnen Präparate miteinander zu vergleichen. Bei der Auswahl von Präparaten helfen Tabellen zur aktuellen Studienlage aus der Leitlinie 2022 zur allergenspezifischen Immuntherapie.

Die Entscheidung, ob eine subkutane Immuntherapie (SCIT) oder eine sublinguale Immuntherapie (SLIT) gewählt werden soll, ist im Einzelfall individuell zu treffen.
Die Tabelle gibt eine Anleitung zur Prüfung der Kriterien.