Allergien: „Darauf bin ich allergisch …“

Laut Untersuchungen litten 2017 rund 37 % der Österreicher an einer Allergie, womit die Zahl der Allergiker im Vergleich zu 2012 um 13 % gestiegen war. Dieser Trend setzt sich bis heute – v. a. in den industrialisierten Ländern – fort. Besonders Allergien im (frühen) Kindesalter treten immer häufiger auf und sind nicht selten der Grundstein für die Entwicklung späterer chronischer Lungenerkrankungen.

Rosenfieber, Allergietypen und Risikofaktoren

Allergien waren schon in der Antike bekannt, und die Symptomatik des mittelalterlichen „Rosenfiebers“, später auch als „Heufieber“ bezeichnet, kommt der heutigen allergischen Rhinitis gleich. Der Begriff „Allergie“ wurde erstmals 1906 vom Wiener Kinderarzt Clemens von Pirquet verwendet.
Robert Coombs und Philip Gell schufen 1963 die Klassifikation der Allergien in 4 Typen, die auch heute noch verwendet wird:

  • Typ-I-Allergie (Soforttyp, IgE-vermittelt)
  • Typ-II-Allergie (zytotoxischer Typ)
  • Typ-III-Allergie (Immunkomplextyp)
  • Typ-IV-Allergie (Spättyp, T-Zell-vermittelt)

Die am häufigsten verbreitete Allergieform ist die IgE-vermittelte Allergie vom Soforttyp. Für die Entstehung einer Typ-I-Allergie ist immer ein Erstkontakt mit dem jeweiligen Allergen nötig. Dieser verläuft in der Regel unauffällig, ohne merkliche Symptome (Sensibilisierung).

Das Allergen bindet allerdings an den BZell-Rezeptor, und Teile des Allergens werden anschließend auf MHC-Moleküle* übertragen. Durch die Präsentation des Allergens an der B-Zell-Oberfläche binden T-Helferzellen an diesen Komplex, wodurch es zur Ausschüttung von
Zytokinen kommt, die zur Reifung von B-Gedächtniszellen beitragen. Im Anschluss bilden sich allergenspezifische IgE-Antikörper, die an die Oberfläche von Mastzellen binden. Bei neuerlichem Allergenkontakt kommt es aufgrund der Bindung des Allergens an den IgE-Antikörper zu einer Degranulation der Mastzelle und damit zur Freisetzung verschiedener
Entzündungsmediatoren wie Prostaglandinen, Leukotrienen und Histamin.
Somit kommt es innerhalb weniger Minuten nach dem erneuten Allergenkontakt zu diversen Entzündungsreaktionen (Schwellung, Juckreiz, Rötung, Quaddelbildung). Die klinische Symptomatik richtet sich hierbei nach dem jeweiligen betroffenen Organ/Gewebe. So reagiert die Haut meist mit Rötung, Juckreiz, Schwellung und Ekzemen. Ist die Nase betroffen, äußert sich die Allergie in Form von Niesreiz, rinnender und/oder verstopfter Nase und Juckreiz/Kitzeln. In den Atemwegen kommt es zur Verengung der Bronchien, Atemnot, Husten und asthmatischen Anfällen bis hin zur Manifestation des (allergischen) Asthmas. Im Bereich der Augen gehören Brennen, Juckreiz, Rötung und überschießende Tränenproduktion zu den klassischen Symptomen (allergische Konjunktivitis).

Es kann auch bei Typ-I-Allergien zu einem anaphylaktischen Schock kommen. Die Diagnose wird mittels genauer Anamnese, der klinischen Symptomatik, Hauttests (z. B.: Prick-Test), Provokationstests und Blutbefundes gestellt.

Zu den IgE-vermittelten Allergien werden die Nahrungsmittelallergien, Pollen-, „Tierhaar“-, Milben-, Schimmel- und Latexallergien, Allergien auf Insektengifte und Arzneimittelallergien (Antibiotika, Röntgenkontrastmittel, Analgetika etc.) gezählt.**

Hygiene-Hypothese, Rohmilch und Einzelkinder

Grundsätzlich kann jeder Mensch Allergien entwickeln, und oftmals sind die Auslöser nicht eindeutig zu identifizieren, dennoch scheint es verschiedene Risikofaktoren zu geben, welche die Entstehung von Allergien begünstigen. So besagt die „Hygiene-Hypothese“, dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, im Vergleich zu Stadtkindern und auch Dorfkindern, seltener an Asthma und allergischer Rhinitis erkranken. Eine wesentliche Rolle könnte hier das Trinken von Rohmilch und das Vorkommen verschiedenster Mikroorganismen spielen. Ebenso leiden Einzelkinder häufiger an Allergien als Kinder, die mit Geschwistern aufwachsen. Aber auch die genetische Prädisposition spielt eine wesentliche Rolle: leidet ein oder leiden sogar beide Elternteile an Allergien, so haben auch die Kinder ein erhöhtes Allergierisiko.
Faktoren wie der Klimawandel (vermehrte Ausbreitung allergener Pflanzen) sowie eine steigende Feinstaub- und Schadstoffbelastung führen ebenso zu einer erhöhten Allergieneigung.

Arzneimitteltherapie und orthomolekulare Ansätze

Die wirkungsvollste Therapie ist die Allergenkarenz. Selbstverständlich ist das bei vielen Allergien – Stichwort: „Pollenallergie“ – nicht oder nicht gänzlich möglich. Dennoch sollte man versuchen, den Allergenkontakt so gut wie möglich einzuschränken. Die Seite (und App) des Pollenwarndienstes Österreich gibt immer aktuelle Auskunft über die Pollenbelastung der jeweils
blühenden Pflanzen. So lassen sich zum Beispiel das Durchlüften der Wohnung, Sport an der frischen Luft etc. leichter planen. Auch das Führen eines Symptomtagebuchs kann dabei helfen, den Allergieverlauf abzuschätzen und die Therapiemaßnahmen individuell abzustimmen.

Die am häufigsten verwendeten Therapeutika sind H1-Antihistaminika, die als Antagonist den H1-Rezeptor blockieren, wodurch Histamin nicht binden kann und die typische Histaminwirkung ausbleibt. H1-Antihistaminika der 1. Generation wie Dimetinden und Diphenhydramin werden aufgrund ihrer müde machenden Wirkung hauptsächlich vor dem Schlafengehen bei stark juckenden Hautreaktionen (Neurodermitis, Windpocken) eingesetzt. H1-Antihistaminika der 2. Generation sind hingegen besser verträglich, müssen aufgrund der langen Halbwertszeit nur einmal täglich eingenommen werden, und Müdigkeit als Nebenwirkung tritt nur in seltenen Fällen auf. Hierzu gehören die Wirkstoffe Cetirizin, Levocetirizin, Bilastin, Fexofenadin, Loratadin, Desloratadin.
Die beiden Letztgenannten weisen eine erhöhte Affinität an Muskarinrezeptoren auf, wodurch es zu einer zusätzlichen anticholinergen Wirkung kommen kann. Bilastin wird in Österreich selten verwendet, zeichnet sich aber durch seinen schnellen Wirkungseintritt und die lange Halbwertszeit aus, wobei es keine sedierende, anticholinerge und die QT-Zeit verlängernde
Wirkung aufweist.

Mastzellstabilisatoren wie Cromoglicinsäure verhindern die Freisetzung von Histamin und Entzündungsmediatoren aus den Mastzellen und sollten daher hauptsächlich vorbeugend angewendet werden; sie eignen sich nicht zur akuten Symptomkontrolle. Kortison in Form von Mometason-Nasensprays ist zur Behandlung der allergischen Rhinitis zugelassen, Prednisolon
wird u. a. als Notfallprophylaxe bei Insektengiftallergien angewendet, ebenso wie Adrenalin (Epinephrin).

Bereits vor der jeweiligen Allergiesaison sollten Präparate mit Traganthwurzel eingenommen werden. Diese wirken immunmodulierend und verringern die Allergiesymptomatik. In Anlehnung an die Hygiene-Hypothese und das Trinken von roher Kuhmilch ist seit Kurzem auch ein auf Molkenproteinen basierendes Präparat auf dem Markt, das vor allem die Heuschnupfensymptome lindern soll. Von orthomolekularer Seite wird die Einnahme von Zink (hemmt die Histaminfreisetzung, antiphlogistisch), Kalzium (stabilisiert Mastzellen, verbessert Hautreaktionen), Vitamin C (beschleunigt Histaminabbau, stabilisiert Mastzellen) und Nachtkerzenöl (antiphlogistisch) empfohlen.