Monophasische Kombinationspille mit Estradiol

Erst kürzlich ist es nun gelungen, unter Verwendung eines Vierphasenprinzips eine E2-Pille mit den Komponenten Östradiolvalerat und dem Gestagen Dienogest in den Handel zu bringen, die eine akzeptable Zyklusstabilität aufweist. Das Vierphasenprinzip war notwendig, um trotz der kurzen Halbwertzeit von Dienogest (ca. 10 Stunden) stabile endometriale Verhältnisse zu erhalten; eine wesentliche Voraussetzung für die Zyklusstabilität. Bei Verwendung einer Vierphasenpille ist naturgemäß eine besonders gute Einnahmecompliance notwendig, möglicherweise für manche ein Nachteil.
Mit Beginn des Jahres 2012 steht erstmals auch ein Monophasenpräparat (Handelsname: Zoely®) zur hormonellen Kontrazeption zur Verfügung, das statt des synthetischen EE das physiologische E2 enthält. Möglich wurde dies durch die Kombination von E2 mit Nomegestrolazetat (NOMAC).

Rationale für den Ersatz von EE durch E2

Das synthetische EE unterscheidet sich vom endogenen E2 durch seine Ethinylgruppe. Diese ist vor allem für die im Vergleich zu E2 hohe hepatische Aktivität von EE im Sinne einer wesentlich stärkeren Beeinflussung der Aktivierung hepatischer Proteine verantwortlich. Durch die ausgeprägte Induktion der Synthese von Gerinnungsfaktoren lässt sich insbesondere die stärkere thrombogene Wirkung von EE in der Leber erklären. Tatsächlich sind die meisten unerwünschten Nebenwirkungen kombinierter oraler hormonaler Kontrazeptiva – so z. B. das erhöhte Risiko für zerebrovaskuläre Komplikationen, Myokardinfarkt und vor allem für venöse thromboembolische Ereignisse mit dem EE-Gehalt in den herkömmlichen Kombinationspräparaten in Verbindung zu bringen.
E2 zeichnet sich hingegen durch die wesentlich geringere hepatische Aktivität aus, es wirkt allerdings stärker als EE auf praktisch alle physiologischen östrogenen Zielorgane: So übt 17-beta-Östradiol günstige Effekte auf Knochen, Scheide, kardiovaskuläres System und zentrales Nervensystem (ZNS) aus. Diese positiven, oft protektiven Wirkungen, die bei der Verwendung von E2 im Rahmen der Hormonersatztherapie (HRT) nachweisbar sind, lassen sich auch bei Kontrazeption mit E2-Präparaten erwarten.

Die Rolle des Gestagens

Anzuführen ist weiters, dass E2 bei alleiniger Verabreichung (ohne Kombination mit einem Gestagen) im Vergleich zu EE eine höhere proliferationsstabilisierende Wirkung auf das Endometrium aufweist. Es wird jedoch durch das Enzym Östradiol-17-beta-Dehydrogenase bereits bei der ersten Leberpassage in das nur noch schwach östrogen wirksame Östron (E1) und dann weiter in das langlebige, aber inaktive Östronsulfat (E1-Sulfat) umgewandelt. Da das Enzym durch Gestagene induziert werden kann, kann die Östrogen-bedingte Proliferation nur stabil gehalten werden, wenn trotz dieser Reaktion konstante Verhältnisse hinsichtlich aller Reaktionen gegeben sind, die für die endometriale Stabilität verantwortlich zeichnen. Diese Reaktionen sind also stark von spezifischen Eigenschaften der Gestagenkomponente sowie von der progestagenen Potenz und der Halbwertszeit des Gestagens abhängig: Wenn das Gestagen lang und gleichmäßig wirkt, resultieren nur geringe Schwankungen in der Östrogenwirkung am Endometrium. Konstante E2-Spiegel am Endometrium führen zu stabilen Zyklen, wobei die Stabilität des Endometriums weniger durch die absolute Höhe der Östrogenkonzentrationen bestimmt wird als durch den Umstand, dass die E2-Spiegel auf einem möglichst gleichmäßigen Niveau gehalten werden. Dies ist nicht zuletzt der Grund dafür, dass Blutungsprobleme gegebenenfalls durch konstante Östradiolzufuhr mittels Pflaster oder Gel therapiert werden können.
Offensichtlich kann NOMAC diesen Anforderungen genügen, wobei für die Erhaltung der endometrialen Stabilität neben der langen Halbwertszeit die sehr stark ausgeprägte Progesteronrezeptoren-Affinität verantwortlich ist.
Nomegestrolazetat (NOMAC) stellt das einzige oral wirksame, von 19-Norprogesteron abgeleitete Gestagen in einem Kontrazeptivum dar.
Eine der wesentlichen Eigenschaften von NOMAC ist die lange Halbwertzeit (50 Stunden). Diese sorgt für eine gleichmäßige Wirkung im Endometrium und trägt dazu bei, die E2-Spiegel im Endometrium und damit den Zyklus stabil zu halten. Aufgrund der langen Halbwertszeit konnte ein mit Östradiol kombiniertes Kontrazeptivum als Einphasenpräparat entwickelt werden. Dabei liegen die Plasmaspiegel von Östradiol im Durchschnitt bei etwa 50 pg/ml, das heißt im Bereich der frühen follikulären Phase von Frauen ohne hormonale Kontrazeption. Relevante, durch Östradiol bedingte Nebenwirkungen (wie Brustspannen oder Wasserretention) sind somit nur ausnahmsweise zu erwarten.

Die neue E2-Pille

Die Monophasenpille enthält 1,5 mg Östradiol zur Kompensation der supprimierten endogenen Östrogenproduktion und 2,5 mg NOMAC, was eine zuverlässige Kontrazeption gewährleistet. Das 24/4-Einnahmeschema bietet eine hohe kontrazeptive Sicherheit (starke Hemmung der Follikelreifung, niedrige durchschnittliche FSH-Spiegel) und optimale Zyklusstabilität mit kurzen Entzugsblutungen.

Fazit für die Praxis: Die Entwicklung von Kombinationspillen mit physiologischem Östradiol statt des synthetischen EEs kann als Meilenstein in der 50-jährigen Geschichte der hormonalen Kontrazeption beurteilt werden. Erstmals ist nun auch eine Pille in monophasischer Formulierung verfügbar, was zweifellos für die Compliance der Anwenderinnen von Bedeutung ist; sind auch Zyklusverschiebungen oder lange Zyklen denkbar („off label use“). Ermöglicht wird dies durch das hochselektive Progesteronderivat NOMAC, das sich für die Verwendung als Kontrazeptivum besonders in der Kombination mit E2 eignet, da die positiven E2-Wirkungen etwa auf vaskuläres System, Knochen, Vagina und Gehirn nicht antagonisiert werden und NOMAC selbst kaum Partialwirkungen auf Östrogen-, Androgen- oder Aldosteronrezeptoren entfaltet. Ob sich die Erwartungen von günstigen Effekten des physiologischen Östrogens in Bezug auf die Minimierung von Komplikationen erfüllen, werden künftige klinische Studien und Register zeigen müssen.

 

Überarbeitete Fassung eines in „Gyne“ 2012 erschienenen Beitrags (Mück A.O.: Erste monophasische Kombinationspille mit Estradiol zugelassen. Gyne, Januar 2012; S 4)