Prosigna®-Genexpressionstest: Prognosebestimmung beim frühen HR+/HER2– Mammakarzinom

Therapieentscheidungen beim frühen Mammakarzinom werden durch klassische klinisch-pathologische Parameter (Tumorgröße, Tumorgrad, Lymphknotenstatus) und den sogenannten intrinsischen Subtyp eines Tumors (luminal A, luminal B, basal-like und HER2-enriched) wesentlich beeinflusst.1, 2 Die ursprünglich molekular definierten intrinsischen Subtypen werden von Pathologen in der täglichen Routine mittels Immunhistochemie bestimmt. Problematisch kann dabei die Abgrenzung der prognostisch ungünstigen Luminal-B-Tumoren von den prognostisch günstigen und daher in der Regel keiner adjuvanten Chemotherapie bedürfenden Luminal-A-Tumoren sein. Genexpressionstests können in dieser Situation wichtige zusätzliche prognostische Informationen liefern und so die Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie erleichtern.

Die Entwicklung des Prosigna®-Gen­expressionstests: Die intrinsischen Subtypen des Mammakarzinoms wurden mittels genomweiter RNA-Profile identifiziert.3, 4 Zur klinisch praktikablen Nutzung an Paraffinmaterial von Tumorproben wurde die ursprünglich auf 456 Genen beruhende Signatur mit Hilfe der Prediction-Analysis-of-Microarray-(PAM-)Methode auf 50 Gene reduziert (PAM50) und schließlich als Prosigna®-Genexpressionstest auf die Nanostring-nCounter-Plattform (www.nanostring.com) transferiert.5 Die nCounter-­Technologie beim Prosigna®-Genexpressionstest arbeitet mit spezifischen Hybridisierungssonden, welche die Zielmoleküle einfangen, um sie anhand eines spezifischen, fluoreszierenden Farbbarcodes einzeln zu zählen. Im Gegensatz zu anderen Genexpressionstests (Oncotype DX®, EndoPredict®) werden keine Enzyme für eine PCR-Amplifikation benötigt. Der Prosigna®-Genexpres­sions­test kann vor Ort von geschulten Pathologen durchgeführt werden; es bedarf keiner zeitraubenden Versendung von Tumorproben in Zentrallaboratorien in den USA (Oncotype DX®, MammaPrint®) oder den Nieder­landen (MammaPrint®). Der Prosigna®-Genexpressionstest ist der einzige kommerziell erhältliche Genexpressionstest beim Mammakarzinom, der den intrinsischen Subtyp auf Basis der PAM50-Gensignatur bestimmt. Zusätzlich liefert der Test, wie andere Genexpressionstests auch, einen prognostischen Score für das Fernmetastasierungsrisiko innerhalb von 10 Jahren (ROR, Risk of Recurrence). Der ROR-Score wird unter Berücksichtigung der Tumorgröße und des Nodalstatus ermittelt und erlaubt die Zuordnung zu einer von drei Risikogruppen für die Entstehung von Fernrezidiven (low, 0–10 %; intermediate, 11–20 %; high, > 20 %) als Basis für die Entscheidung bezüglich einer adjuvanten Chemotherapie. Dem Konsens entsprechend könnte allen Patientinnen aus der Low-Risk-Gruppe eine adjuvante Chemotherapie erspart bleiben. Der Prosigna®-Genexpressionstest erhielt 2012 die CE-Zertifizierung als diagnostischer Test auf dem europäischen Markt, und er wurde 2013 von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für den Einsatz beim frühen hormonrezeptorpositiven und HER2-negativen Mammakarzinom postmenopausaler Frauen zugelassen.

Analytische Validierung: Die Präzision des Prosigna®-Gen­ex­pres­sionstests wurden durch Analysen von > 100 Tumor-RNA-Replikaten in mehreren Testlaboren durch unterschiedliche Untersucher und mittels verschiedener Reagenzien-Kits belegt. Dabei zeigte sich eine 100%ige Konkordanz bezüglich der intrinsischen Subtypen und der Risikokategorien. Die mittlere Abweichung für den ROR-Score lag bei < 1 ROR-Einheit.5 Zur Frage der Reproduzierbarkeit wurden Serienschnitte von 43 Mammakarzinomen an drei Standorten und den dort verfügbaren nCounter-Systemen vergleichend untersucht. Dabei zeigten sich eine Standardabweichung von 2,89 ROR-Einheiten (Skala von 0–100) und Konkordanzraten von 97 % für die intrinsischen Subtypen und von 90 % für die Risikoklassifikationen.5 Außerdem konnte gezeigt werden, dass „Beimischungen“ von Nichttumorgewebe (tumorfreies/entzündlich alteriertes Mammaparenchym, Gewebe aus dem Stanzkanal, intraduktale/nichtinvasive Tumoranteile) bis zu einem Flächenanteil von 70 % keinen nennenswerten Einfluss auf die Testergebnisse haben.5

Klinische Validierung: Die grundlegenden klinischen Validierungsstudien für den Prosigna®-Genexpressionstest erfolgten retrospektiv an mehr als 2.400 Tumorproben aus zwei prospektiv ausgelegten Studien (transATAC, NCT00849030 und ABCSG-8, NCT00291759) postmenopausaler Patientinnen mit frühen hormon­rezeptorpositiven, ausschließlich endokrin therapierten Mammakarzinomen mit einem medianen Follow-up von ≥ 10 Jahren.6, 7 In beiden Studien lieferte der Prosigna®-Genexpressionstest zusätzliche prognostische Informationen für die Wahrscheinlichkeit von Fernrezidiven innerhalb von 10 Jahren gegenüber den klinisch-pathologischen Standardparametern sowohl für Patientinnen mit, als auch ohne Lymphknotenmetastasen. Patientinnen mit Luminal-A-Tumoren zeigten signifikant niedrigere 10-Jahres-Fernrezidivraten, als Patientinnen mit Luminal-B-Tumoren. In der Gruppe der ROR-low-Risk-Patientinnen lag das 10-Jahres-Fernrezidivrisiko bei < 3,5 %.6 Basierend auf den positiven Ergebnissen an Tumorproben aus der transATAC- und der ABCSG-8-Studie wurde die klinische Validität des Prosigna®-Genexpres­sions­tests von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) mit dem Level 1b bedacht (www.ago-online.de). Im Rahmen der Panelabstimmungen des letzten St.-Gallen-Breast-Cancer-Symposiums wurde dem Prosigna®-Genexpres­sions­test als einzigem Gensignaturtest eine zusätzliche prognostische Bedeutung für den Zeitraum 1–5 Jahre und > 5 Jahre nach Therapiebeginn zugestanden.8

Vorhersage von Spätrezidiven nach 5 Jahren endokriner Therapie: Eine über die Dauer von 5 Jahren hinausgehende endokrine Therapie reduziert für einen Teil der Patientinnen das Langzeitrezidivrisiko.9, 10 In einer Analyse der trans­ATAC-Kohorte und einer kombinierten Analyse von Patientinnen aus der trans­ATAC- und der ABCSG-8-Studie zur Frage von Spätrezidiven im Zeitraum 5 bis 10 Jahre nach Therapiebeginn konnte gezeigt werden, dass der Prosigna®-Genexpressionstest Patientinnen identifizieren kann, die von einer über 5 Jahre hinausgehenden endokrinen Therapie profitieren (High-Risk) oder auf diese verzichten können (Low-Risk).11, 12

Einschätzung des Lokalrezidivrisikos: An Tumormaterial von Patientinnen aus der ABCSG-8-Studie (n = 1.308) konnte gezeigt werden, dass sowohl die durch den Prosigna®-ROR-Score bestimmten Risikogruppen (low vs. high, p = 0,0005), wie auch die intrinsischen Subtypen (luminal A vs. luminal B, p = 0,022) signifikant unterschiedliche Lokalrezidivraten zeigen, unabhängig von Tumorgröße, Nodalstatus und Alter der Patientinnen.13

Vorhersage der Effektivität einer neoadjuvanten Therapie: Die Effektivität einer neoadjuvanten Chemotherapie (NAC) beim hormonrezeptorpositiven und HER2-negativen Mammakarzinom ist gegenüber den anderen intrinsischen Subtypen deutlich reduziert.14 Kürzlich konnten Prat et al. zeigen, dass die Korrelation der ROR-Werte zwischen Stanzbiopsie und Operationspräparat sehr hoch (Korrelationskoeffizient 0,91) und damit ausreichend repräsentativ ist, und die am Stanzbiopsat mittels Prosigna® erhobenen Werte ROR und intrinsischer Subtyp (luminal A vs. nonluminal A) signifikante Prädiktoren für den Erfolg einer NAC sind.15

Einfluss von Prosigna® auf die Therapieentscheidung beim frühen Mammakarzinom: In bislang zwei publizierten europäischen Multicenter-Studien aus Spanien und Deutschland mit jeweils 200 eingeschlossenen Patientinnen mit frühen hormonrezeptorpositiven und HER2-negativen Mammakarzinomen wurde der Einfluss des Prosigna®-Testergebnisses auf die adjuvante Therapieentscheidung untersucht. Demnach entschieden sich 20 % (40/200) und 18,2 % (36/198) der Patientinnen nach Erhalt der Prosigna®-Te
stergebnisse anders, als sie dies zuvor auf Basis der klinisch-pathologischen Parameter getan hatten. Das Vertrauen in die eigenen Therapieempfehlungen wuchs bei 41,6 % bzw. 89,4 % der behandelnden Onkologen.16, 17 In der deutschen Studie zeigte eine unabhängige Analyse der Tumoren an Serienschnitten in einem zweiten pathologischen Institut (Pathologisches Institut der LMU München vs. Institut für Pathologie Viersen) eine Konkordanz der intrinsischen Subtypen von 96 % (189/198) und der Risikogruppen von 92 % (182/198).17

Resümee

Der Prosigna®-Genexpressionstest ist ein CE- und FDA-zugelassener Genexpressionstest der zweiten Generation, der eine enzymfreie digitale Quantifizierung von Zielmolekülen mittels spezifischer Hybridisierungssonden erlaubt. Der Test kann lokal durchgeführt werden; er bestimmt, neben einem Rezidivrisikoscore, als einziger Test auch den intrinsischen Subtyp eines Tumors. Der Prosigna®-Genexpres­sionstest kann damit zusätzliche, über die klassischen klinisch-pathologischen Parameter hinausgehende, prognostische Informationen beim frühen hormonrezeptorpositiven und HER2-negativen Mammakarzinom postmenopausaler Frauen liefern. Speziell sollen jene Patientinnen identifiziert werden, deren Rezidivrisiko so gering ist, dass bei ihnen auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann.

 

1 Sorlie T et al., PNAS 2001; 98:10869–74
2 Goldhirsch A et al., Ann Oncol 2013; 24:2206–23
3 Perou CM et al., Nature 2000; 406:747–52
4 The Cancer Genome Atlas Network. Nature 2012; 490:61–70
5 Nielsen T et al., BMC Cancer 2014; 14:177
6 Dowsett M et al., J Clin Oncol 2013; 31:2783–90
7 Gnant M et al., Ann Oncol 2014; 25:339–45
8 Coates AS et al., Ann Oncol 2015; 26:1533–46
9 Esserman LJ et al., Breast Cancer Res Treat 2011; 129:607–16
10 Davies C et al., Lancet 2013; 381:805–16
11 Sestak I et al., J Natl Cancer Inst 2013; 105:1504–11
12 Sestak I et al., J Clin Oncol 2015; 33:916–22
13 Fitzal FF et al., Am Soc Clin Oncol (ASCO) 2014
14 von Minckwitz G et al., N Engl J Med 2012; 366:299–309
15 Prat A et al., Clin Cancer Res 2016; 22:560–6
16 Martín M et al., Curr Med Res Opin 2015; 31:1129–37
17 Wuerstlein R et al., Curr Med Res Opin 2016; 32:1217–24