„Bei Labortests ist wichtig, dass der Test eine Konsequenz hat“

© Bernhard Noll / ÖÄK

Thomas Szekeres, Humangenetiker, Facharzt für Labordiagnostik und Past-Präsident der Österreichischen Ärztekammer, erklärt im RELATUS-Sommergespräch wie er die Flut an neuen Tests einschätzt.

Es gibt eine Flut an neuen Labortests für Patient:innen, zuletzt einen neuen Bluttest für die Früherkennung von Alzheimer – was halten Sie davon? Ein Bluttest zur Früherkennung von Alzheimer ist dann sinnvoll, wenn es eine Möglichkeit zur Therapie gibt. Wenn also Medikamente zur Verfügung stehen, die eine Erkrankung verzögern oder verhindern können, ist eine frühe Diagnose wichtig. Wenn es aber keine Behandlungsoptionen gibt, dann muss ich es – zugespitzt gesagt – auch nicht wissen. Im Bereich Alzheimer gibt es Therapien, die auf den Markt kommen. Österreich ist hier grundsätzlich auch gut aufgestellt. Mir fällt keine Erkrankung ein, wo man ins Ausland muss, um State-of-the-Art-Behandlung zu bekommen. Bei allen Labortests, neuartig oder nicht, ist aber wichtig, dass der Test eine Konsequenz hat. Ein Beispiel: Bei Lipidmuster und Lipoproteinen gibt es immer mehr Medikamente, die man präventiv einsetzen kann. In solchen Fällen ist es sinnvoll, Risikopatient:innen frühzeitig zu identifizieren.

Labordiagnostik ist in den vergangenen Jahren grundsätzlich stärker in den Fokus gerückt. Wie bewerten Sie diesen Trend? Labordiagnostik ermöglicht es heute, mit einer simplen Blutabnahme wichtige Informationen zu gewinnen. Vor allem im molekularbiologischen Bereich gibt es Entwicklungen, die neue Diagnosestellungen ermöglichen – solche, die bis jetzt in dieser Form nicht möglich waren. Es ist definitiv ein Trend spürbar. Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Viele dieser Tests werden von den Krankenkassen nicht bezahlt. Das schränkt die Anwendung deutlich ein. Ein Beispiel: Der HbA1c-Wert, also der Langzeitzucker, wird mittlerweile auch als Screening-Wert verwendet und spielt eine entscheidende Rolle in der Diabetes-Diagnose – das ist medizinisch sinnvoll und mittlerweile auch finanziert.

Manche Blutwerte wie Vitamin D werden häufig getestet, sind aber teuer. Wie sinnvoll ist das? Vitamin-D-Tests sind tatsächlich relativ teuer – vor allem, weil es in den vergangenen Jahren einen enormen Anstieg bei den Anforderungen gab. Gleichzeitig muss man sich hier auch die Frage der Indikation stellen: Ist es wirklich notwendig, Vitamin D so häufig zu bestimmen? Das sollte man individuell beurteilen. Ein Labortest muss immer helfen, eine Diagnose zu stellen oder Erkrankungen frühzeitig aufzuzeigen, bei denen man mit einer gezielten Maßnahme das Risiko mindern kann.

Welche Herausforderungen gibt es aktuell bei der Einführung neuer Labortests? Die größte Herausforderung ist die Finanzierung. Die Krankenkassen sind wirtschaftlich nicht gut aufgestellt, was auch mit Teilzeitbeschäftigung und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zu tun hat. Es fehlt oft die Flexibilität, neue Parameter in die Regelversorgung aufzunehmen. Die Industrie versucht derzeit gemeinsam mit den Kassen, Verfahren zu entwickeln, wie sinnvolle neue Labortests finanziert werden können. Ein Beispiel ist die Pharmakogenetik. Dabei geht es um genetische Muster, die beeinflussen, wie gut Medikamente – etwa Psychopharmaka wie Antidepressiva – verstoffwechselt werden. Wenn man das vorher per Blutuntersuchung wüsste, könnte man viel zielgerichteter behandeln. In Salzburg etwa wird das teilweise schon bezahlt, dort gibt es spezielle Vereinbarungen mit den Kassen. Im Spital trägt der Träger die Kosten. Im niedergelassenen Bereich muss es entweder die Kasse übernehmen oder die Patient:innen bezahlen selbst. Ziel muss sein: Wenn ein Test sinnvoll ist, muss er bundesweit von der Kasse bezahlt werden. Aktuell werden Patient:innen oft zwischen Spital und niedergelassenem Bereich hin- und hergeschickt, Untersuchungen werden ausgelagert – das ist ineffizient.

Wie steht es um Österreichs Rolle in der Prävention? Österreich ist kein Vorreiter bei Prävention – das muss man ganz klar sagen. Wir sehen grundsätzlich ein deutliches West-Ost-Gefälle, was die Vorsorge betrifft. Im Osten nutzen die Leute das Angebot der Vorsorgeuntersuchungen weniger. Gleichzeitig fehlt es bundesweit an frühzeitiger Gesundheitserziehung, etwa schon im Kindergarten. Damit könnte man verhindern, dass sich Jugendliche ungesund ernähren oder sich zu wenig bewegen. Laut OECD-Statistiken liegt Österreich bei gesunden Lebensjahren weit hinten – das sollte ein Warnsignal sein. Auch Labordiagnostik kann schon früh helfen: Ein gutes Beispiel ist Lipoprotein(a). Das sollte man einmal im Leben messen, besonders bei familiären Häufungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wenn man das Risiko früh erkennt, kann man dann auch gezielt Angehörige untersuchen und damit etwa Herzinfarkten und anderen Erkrankungen der Gefäße vorbeugen. Denn es gibt Medikamente, die das Lipidmuster beeinflussen und das Risiko senken. Hier hinken wir aber noch hinterher, was das systematische Identifizieren von Risikopatient:innen betrifft. (Das Interview führte Katrin Grabner)