„Die Nachfrage nach Gesundheitspersonal steigt“

© Tanja Hofer/AMS

Der Arbeitsmarkt steht weiter unter Druck – auch im Gesundheitswesen. AMS-Vorstand Johannes Kopf redet im RELATUS-Sommergespräch über steigende Arbeitslosigkeit, Engpässe bei Fachpersonal und Maßnahmen zur Verbesserung der Lage.

Wie entwickelt sich der österreichische Arbeitsmarkt aktuell und welche Rolle spielt das Gesundheitswesen darin? Nach mehr als zwei Jahren Rezession warten alle auf den Wirtschaftsaufschwung in Österreich. Ein Plus im Juli 2025 von 16.000 zusätzlichen Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr ist aber noch eindeutig zu wenig, um von einer Trendumkehr zu sprechen oder die Arbeitslosenzahlen zum Sinken zu bringen. Ende Juli 2025 waren rund 359.000 Menschen beim AMS als arbeitslos oder in Schulung registriert. Das ist ein Plus von knapp 18.000 Personen beziehungsweise 5,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit steigt noch in allen Bundesländern und auch in allen wesentlichen Branchen. Auch im Gesundheits- und Sozialbereich gibt es einen Anstieg der Personen, die arbeitslos oder in Schulung sind.

Woher kommt dieser Anstieg? Wichtig zu wissen ist, dass ein Beschäftigungszuwachs am Arbeitsmarkt grundsätzlich auch mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen einhergehen kann, da der Hauptgrund für Arbeitslosigkeit kurze Arbeitslosigkeit bei Jobwechsel ist. Das heißt, mehr Menschen am Arbeitsmarkt, bedeutet in der Regel auch mehr arbeitslose Personen. So stieg im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer:innen im Gesundheitsbereich zwar um 1.570 Personen. Gleichzeitig ist aber auch die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich deutlich stärker gestiegen, konkret um Plus 14.355 Personen.

Und woran liegt das? Das hat verschiedene Gründe. Erstens stieg die Beschäftigung im Gesundheitsbereich besonders stark, weil sich der Pflegebedarf deutlich erhöht hat. Durch den Ausbau an Primärversorgungszentren steigt zudem in den vergangenen Jahren die Nachfrage nach Fachpersonal kontinuierlich. Ein weiterer Grund ist, dass immer mehr Pflege- und Gesundheitseinrichtungen, die bisher von der öffentlichen Hand geführt wurden, ausgegliedert und nun der Branche Gesundheits- und Sozialwesen zugerechnet werden.

Wie ist die Situation speziell für Ärzt:innen und Pharmazeut:innen? Die Zahl der sofort verfügbaren offenen Stellen für Ärzt:innen ist im Vergleich zum Juli des Vorjahres um 38,5 Prozent gesunken, während die Arbeitslosigkeit um 3,3 Prozent gestiegen ist. Beim AMS sind aktuell österreichweit 656 offene Stellen für Ärzt:innen gemeldet. Hierbei handelt es sich um Stellen in Spitälern, universitären Gesundheitseinrichtungen, bei Krankenversicherungen, medizinischen Beratungsstellen sowie bei Gebietskörperschaften. Ende Juli 2025 waren aus dem Bereich Pharmazie 263 Personen arbeitslos oder in Schulung. Allerdings nutzen Arbeitgeber:innen aus dem Bereich Pharmazie bislang nur in geringem Ausmaß die Möglichkeit, offene Stellen über das AMS auszuschreiben. Daher sind aktuell nur drei offene Stellen als Apotheker:innen und acht als Pharmazeut:innen beim AMS gemeldet. Ähnlich verhält es sich bei den Pharmazeutisch-kaufmännischen Assistent:innen, hier stehen 42 offene Stellen 614 arbeitslosen oder in Schulung befindlichen Personen gegenüber.

Vor welchen Herausforderungen steht das Gesundheitssystem arbeitsmarkttechnisch derzeit?  Der österreichische Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen leidet unter Engpässen in fast allen Berufsgruppen – Pflege, Therapie, Medizin. Eine Herausforderung, die den Gesundheitsbereich doppelt trifft, ist der demografische Wandel. Wegen der Alterung der Gesellschaft wird nicht nur der Pflegebedarf höher. Gleichzeitig gehen viele Beschäftigte in Rente, was den Personalmangel verschärft.

Wie kann man dem entgegenwirken? Ein zentraler Hebel zur Lösung ist der Ausbau und die Reform der Ausbildungssysteme. Die Akademisierung der Pflege bringt mehr Professionalisierung, jedoch auch höhere Zugangshürden, wodurch zu wenige Menschen die Ausbildung beginnen oder abschließen. Es wurden zusätzliche FH-Studienplätze geschaffen, das Pflegestipendium eingeführt und neue Ausbildungswege wie die Pflegelehre ermöglicht. Auch Umschulungen und berufsbegleitende Einstiege werden gefördert. Ein niederschwelliger Zugang zu Gesundheitsberufen – zum Beispiel über Fachschulen, Lehre oder Nachqualifizierung –, mehr Ausbildungsplätze und bessere Betreuung in Praktika könnten den Arbeitsmarkt gezielt entlasten.

Gibt es auch positive Entwicklungen im Gesundheitsbereich? Eine positive Entwicklung zeigt sich in der guten Akzeptanz des Pflegestipendiums, das dazu beiträgt, mehr Pflegekräfte auszubilden. Seit 2023 gibt es das vom AMS geförderte Pflegestipendium, die sogenannte Pflegeoffensive, für die Ausbildungen zur Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz, Gesundheits- und Krankenpflege. Mit September 2024 wurde dieses Stipendium auch auf den Gehobenen Dienst in der Gesundheits- und Krankenpflege an Fachhochschulen sowie auf Sozialbetreuungsberufe für Alten-, Familien- und Behindertenarbeit und Behindertenbegleitung ausgeweitet. Im Jahr 2023 wurden 7.167 Teilnahmen genehmigt und im ersten Halbjahr 2025 waren es bereits 10.785. Im Jahr 2023 beliefen sich die Kosten das AMS auf knapp 51 Millionen Euro und stiegen im ersten Halbjahr 2025 auf gut 81 Millionen Euro. Weiters können Beschäftigte im Rahmen der sogenannten „Höherqualifizierung von Beschäftigten im Bereich soziale Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ in den oben genannten Ausbildungen (mit Ausnahme der Sozialbetreuungsberufe für Familienarbeit) bis zur Gesundheits- und Krankenpflege höherqualifiziert werden. Im Jahr 2024 nahmen das 868 Personen in Anspruch. (Das Interview führte Katrin Grabner.)