Unruhe im Arzneimittelsektor: Laut einer Mitteilung von US-Präsident Donald Trump wird ab 1. Oktober 2025 ein US-Zoll von 100 Prozent auf importierte Marken-Arzneimittel gelten.
Die Pharmaindustrie und US-Präsident Donald Trump werden keine Freunde mehr. Trump geht einerseits auf die Forschung los und drängt andererseits auf niedrigere Preise. Beides könnte auch Europa treffen. Nun soll ab Mittwoch ein US-Zoll von 100 Prozent auf importierte Marken-Arzneimittel gelten. Der Zoll entfalle jedoch, wenn ein Pharmaunternehmen mit dem Bau einer Fabrik in den USA begonnen habe, schreibt Trump auf seiner Online-Plattform. Nach Einschätzung der EU-Kommission schützt jedoch das Zollabkommen mit den USA europäische Pharmaunternehmen vor den neu angekündigten US-Zöllen auf Arzneimittel.
In der gemeinsamen Erklärung vom August sei eine „eindeutige und umfassende Obergrenze von 15 Prozent für EU-Exporte“ festgehalten, teilte ein Kommissionssprecher mit. Dies stelle „eine Art Absicherung dar, dass für europäische Wirtschaftsakteure keine höheren Zölle eingeführt werden“, erläuterte er. Neue Zölle würden auch die Pharmaindustrie in Österreich treffen. Pharmazeutische Produkte waren im vergangenen Jahr eine der am stärksten wachsenden Warengruppen für den Export in die USA. Laut Daten der American Chamber of Commerce (AmCham) betrugen die Pharmaexporte 2024 rund 4,5 Milliarden Euro, ein Plus von gut 83 Prozent zu 2023. Auch die deutsche Pharmaindustrie hatte Zölle gefürchtet: Die USA sind ihr wichtigster Exportmarkt, knapp ein Viertel der deutschen Pharma-Exporte geht dahin. Aber die Zölle sind auch für Indien schmerzhaft: Das südasiatische Land exportiert vor allem Arzneimittel in die USA.
Die Schweizer Pharmabranche zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Man habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den „Paradigmenwechsel“, auf Pharmaprodukte Zölle zu erheben, zu verhindern, sagte René Buholzer, der Geschäftsführer von Interpharma, dem Verband der 23 forschenden Pharmaunternehmen, im Schweizer Radio SRF. Historisch habe es bisher weltweit keine Zölle auf Medikamente gegeben, sagte er. „Weil es ja nicht Sinn macht, schwer kranke Menschen noch mit verteuerten Produkten zu versorgen, wo der Staat davon profitiert.“ Die beiden größten Schweizer Pharmafirmen, Novartis und Roche, kommentierten die Zollankündigung auf Nachfrage zunächst nicht. Sie könnten aber mit besseren Konditionen davonkommen. Trumps Ankündigung gilt nur für Produkte von Firmen, die nicht in den USA produzieren. Beide hatten aber bereits im Frühjahr große Investitionen in den USA über die nächsten fünf Jahre angekündigt.
Betroffen sein könnte auch Großbritannien. Zwar hat die Regierung in London einen Handelsvertrag mit den USA vereinbart, die Verhandlungen über die Pharmabranche laufen jedoch noch. Die britische Regierung will laut der „Financial Times“ künftig mehr für Medikamente für das staatliche Gesundheitssystem NHS bezahlen. Damit solle eine der Hauptbeschwerden Trumps entschärft werden. Die USA sind auch deshalb so wichtig für die europäische Pharmabranche, weil Amerika ein lukrativer Absatzmarkt ist: Dort gibt es keine so strenge Preisbindung für Medikamente wie in vielen europäischen Ländern, wo der Gesetzgeber oder die Krankenversicherungen in den Markt eingreifen. In den USA sind die Arzneipreise in der Regel deutlich höher als in anderen Industrieländern. Das kritisiert Trump und sieht ein Ungleichgewicht im internationalen Vergleich. Gleichzeitig sind die hohen Preise in den USA auch Referenzen für Preisverhandlungen in Europa.
„Diese Ankündigung ist für uns ein Weckruf, dass wir die Anstrengungen zur Stärkung des heimischen Pharmastandorts intensivieren müssen“, schreibt Leif E. Moll, Präsident des Forum der pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) in einem Social Media-Post: „Die von Trump geplanten Zölle wären ein starker Anreiz für weitere Investitionen in den USA – zu Lasten anderer Regionen. Wir in Österreich müssen daher dringend an der Umsetzung der geplanten Life-Science-Strategie arbeiten, um die Attraktivität des hiesigen Standorts zu erhöhen.“ (rüm/Agenturen)