© Phago Die EU-Gesundheitsminister:innen haben sich auf ein Gesetz zur Medikamentenversorgung und besseren Verfügbarkeit kritischer Arzneimittel geeinigt.
Die Gesundheitsminister:innen der EU haben sich am Dienstag in Brüssel auf eine neue Verordnung zur besseren Verfügbarkeit kritischer Arzneimittel geeinigt. Das Gesetz über kritische Arzneimittel (CMA) zielt darauf ab, die Herstellung solcher Medikamente in der EU zu unterstützen, deren Verfügbarkeit zu verbessern und die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Konkret geht es bei der Verordnung etwa um Engpässe bei Antibiotika, Insulin und Schmerzmitteln – ganz generell um Arzneimittel, „die für die Gesundheit der EU-Patient:innen unerlässlich sind“, wie die Kommission in ihrem Vorschlag festhielt. Die neuen Regeln förderten die Diversifizierung der Lieferketten, erleichterten kollaborative Beschaffungsmodelle und schafften Anreize zur Stärkung der pharmazeutischen Produktion in den EU-Ländern, gab der Rat der EU nach der Einigung bekannt. Nun muss sich noch der Rat mit dem Europäischen Parlament auf eine endgültige Fassung verständigen.
Das Übereinkommen des Rats nimmt etwa die Kommission in die Pflicht, wenn es um die Feststellung geht, ob ein kritisches Arzneimittel oder ein Wirkstoff in der EU hergestellt wurden. Diesbezüglich müsse die Kommission Leitlinien erlassen, hieß es. Die Bestimmungen zur gemeinsamen Beschaffung wurden unter anderem insofern vereinfacht, als nun nur noch sechs anstatt wie bisher neun Mitgliedsstaaten einen Antrag an die Kommission stellen müssen. Bei der öffentlichen Beschaffung kritischer Arzneimittel wird die Anwendung von Resilienz-Kriterien vorgeschrieben. Auch bei Zulassungen soll es Änderungen geben.
„Das Gesetz über kritische Arzneimittel wird die Verfügbarkeit lebenswichtiger Medikamente verbessern, Engpässe verringern und eine widerstandsfähigere Lieferkette für kritische Gesundheitsprodukte in ganz Europa aufbauen“, freute sich die dänische Gesundheitsministerin Sophie Lohde als Vertreterin des dänischen Ratsvorsitzes. Österreichs Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) nahm am Dienstag nicht an der Ratssitzung teil. Sie hatte die Bedeutung des Themas schon zuletzt unterstrichen. Es sei „ganz, ganz wichtig, die Medikamentenproduktion nach Europa zu holen, gerade aufgrund der geopolitischen Lage“, sagte sie. In Europa eine starke Medikamentenproduktion zu haben, sei dringend und vorrangig.
Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) sah im CMA positive Ansätze, aber auch Versäumnisse. Gut geheißen wurden etwa „das Bestbieterprinzip, das eine Bevorzugung europäischer Produkte ermöglicht, sowie die geplante Verkürzung von Genehmigungsverfahren für neue Betriebsansiedlungen“. Es sei aber auch zu befürchten, dass die geplanten gemeinsamen Ausschreibungen zu noch mehr Preisdruck und in weiterer Folge weniger Anbietern führen würden. „Ebenso wurde die Chance auf EU-weit abgestimmte Regelungen zur Bevorratung verpasst“, stellt FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger in einer Aussendung fest.
„Eine europäische Herangehensweise ist der richtige Weg, um Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten an ihren Ursachen zu bekämpfen. Allerdings darf es durch ein neues Gesetz nicht zu Doppelgleisigkeiten aufgrund bereits bestehender Vorgaben kommen, ebenso sind überbordende, administrative Aufwände für die Unternehmen zu vermeiden“, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär des Pharmaverbandes Pharmig. Zudem gehe der Gesetzestext bislang noch viel zu wenig auf die Ursachen von Engpässen ein. „So ist beispielsweise nicht klar, wie die Abhängigkeit von Drittstaaten bei der Medikamentenproduktion tatsächlich reduziert werden soll. Außerdem entstünden Engpässe speziell durch die Einkaufs- und Preispolitik in den europäischen Mitgliedsstaaten, die deshalb besonderes Augenmerk verdient. Dazu Herzog: „Mit der flächendeckenden Niedrigpreispolitik wird ein enormer Druck auf die Hersteller patentfreier Medikamente ausgeübt. Dass das nicht gut für die Versorgung ist, sehen wir leider schon seit Jahren. Gleichzeitig führt der Parallelhandel zu Verwerfungen in der Versorgung, weil die Tendenz gegeben ist, dass Ware in Mitgliedsstaaten mit höherem Wohlstand verbracht wird. Wenn man das nicht ändert, wird sich die Situation nicht nachhaltig bessern.“ Weiters plädiert die Pharmig dafür, die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zu achten, wenn es um Details des öffentlichen Beschaffungswesens geht. Ausschreibungen könnten mitunter den Preisdruck erhöhen, wodurch eine Marktausdünnung und folglich eine volatile Versorgungslage droht.
Auf der anderen Seite sollte das Gesetz klare Maßnahmen gegen die aktuelle fragmentierte nationale Bevorratung von Arzneimitteln enthalten, um zu verhindern, dass diese die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes beeinträchtigt. „Hier haben wir uns stets für eine europäische Lösung ausgesprochen. Die nationalen Vorratslager, die heuer in einzelnen Ländern, darunter auch Österreich, eingerichtet wurden, bergen die Gefahr, selbst Engpässe hervorzurufen. Sie entziehen dem Markt erst recht wieder Ware, die dann in der Verteilung fehlt. Es ist eine komplexe Materie, sicher, aber genau deshalb ist eine durchdachte, gesamthafte Vorgehensweise umso wichtiger“, gibt Herzog zu bedenken. (rüm/APA)