Ärzte können künftig Ärzte anstellen

Zur selbstständigen Berufsausübung berechtigte Ärzte können in Zukunft andere Ärzte anstellen. Damit erfüllt die ÖVP-FPÖ-Regierung eine langjährige Forderung der Ärzteschaft. In Ordinationen soll in Zukunft ein Arzt auf Vollzeitbasis angestellt werden können, in Gruppenpraxen bis zu zwei. Im Detail bedeutet das, dass auch mehrere Ärzte desselben Faches angestellt werden können, wenn die Gesamtzeit zusammengerechnet nicht mehr als 40 beziehungsweise 80 Stunden überschreitet, erklärt Dr. Thomas Holzgruber, Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer, im Ärzte Krone-Interview. Die freiberufliche selbstständige Vertretungsmöglichkeit bei Verhinderung des Ordinationsinhabers bleibt erhalten. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, Turnusärzte im Rahmen der Lehrpraxis-Ausbildung anzustellen. Ordinationen und Gruppenpraxen dürfen dadurch allerdings keine Organisationsstruktur einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums aufweisen.

Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, dass auch Ärzte in Teilzeit arbeiten und sich gegenseitig entlasten können. Gleichzeitig können die Ordinationszeiten verlängert werden. „Für den Ärztenachwuchs bietet dies die attraktive Möglichkeit, auch im niedergelassenen Bereich zunächst in einem Anstellungsverhältnis zu beginnen“, sagt ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz.
Ebenfalls enthalten ist in der Novelle zum Ärztegesetz eine Regelung für einen erleichterten Zugang zu einer Notarzttätigkeit für Turnusärzte, deren Ausbildung weitgehend abgeschlossen ist. Diese soll ihnen erlauben, an Einsätzen im Rahmen von organisierten Notarztdiensten, die an Krankenanstalten angebunden sind – unter Voraussetzung einer entsprechenden Ausbildung –, auch ohne Anleitung und Aufsicht eines Notarztes eigenverantwortlich teilzunehmen. Notärzte müssen in Hinkunft einen von der Ärztekammer anerkannten Lehrgang mit zumindest 80 Lehreinheiten und mindestens 20 notärztlichen Einsätzen absolvieren sowie eine Abschlussprüfung machen.

Der Gesetzesentwurf umfasst auch eine Neuregelung über den ärztlichen Beistand für Sterbende. So heißt es im Gesetzesentwurf, dass es bei Sterbenden auch zulässig sei, „im Rahmen palliativmedizinischer Indikationen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegt“. Klargestellt wird allerdings in den Erläuterungen, „dass keinesfalls eine Rechtsgrundlage für Euthanasie geschaffen wird, es sich vielmehr um eine indizierte ärztliche Maßnahme bei einem laufenden Sterbeprozess handelt“.

Experten begrüßen die vorgesehene Neuregelung. Damit werde eine langjährige Forderung umgesetzt, sagte Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG). „Das ist ein wichtiger und positiver Schritt im Interesse von Menschen am Lebensende, weil es die Rahmenbedingungen für das optimiert, was wir Ärztinnen und Ärzte in unserer Praxis täglich tun – nämlich sie bestmöglich zu begleiten, ihre Symptome zu lindern und Therapieentscheidungen immer im Interesse des Patientennutzens zu treffen“, sagt ÖGARI-Vorstandsmitglied Univ.-Prof. Dr. Barbara Friesenecker (Innsbruck). „Die Entscheidung darüber, wie und zu welchem Zeitpunkt das Therapieziel vom Prinzip der Heilung in Richtung palliative Betreuung verändert werden sollte, ist immer individuell zu treffen, und es ist erfreulich, dass es dazu nun mehr Rechtssicherheit gibt.“ Man wisse heute, dass Patienten, bei denen frühzeitig palliativmedizinische Konzepte zur Linderung von quälenden Symptomen einbezogen werden und bei denen auf belastende Therapien, die keinen Nutzen mehr bringen, verzichtet wird, manchmal sogar länger leben und in jedem Fall eine bessere letzte Lebensphase haben als jene, bei denen bis zur letzten Minute jede therapeutische Option ausgeschöpft wird, sagt Likar: „Es ist gut, dass wir nun einen öffentlichen Diskurs über etwas führen, was uns seit Jahren ein großes Anliegen ist, nämlich eine neue Humanisierung der Medizin.“

Auf Widerstand stoßen hingegen die Reformpläne der Regierung zur Zusammenlegung der Krankenversicherungen. Für den Verfassungsrechtler Univ.-Prof. Dr. Walter Berka stellen unter anderem das Aufsichtsrecht der Ministerien und Unklarheiten bei den Zuständigkeiten die größten Probleme dar. Jeder größere Vertrag müsse demnach genehmigt werden, finanzielle Beschlüsse würden an einen Genehmigungsvorbehalt gebunden. Als Beispiele nannte er Verträge mit Ärzten, Dienstpostenpläne oder Mustergeschäftsordnungen.
Kritik kommt auch vom Rechnungshof. Insbesondere die Darstellung der Kosten ist nach Ansicht der Prüfer ungenügend. „Es fehlen transparente und nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen“, heißt es in der Stellungnahme zur Begutachtung. So fehle der Nachweis zum Einsparen der von der Regierung behaupteten Milliarde. Außerdem würden die zu erwartenden Mehrkosten verschwiegen. In seiner Stellungnahme kritisiert der RH auch, dass die Darstellung der Kosten nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Sie sei unvollständig, „basiert auf nicht nachvollziehbaren Grundlagen“. Damit sei sie nicht geeignet, dem Gesetzgeber eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage zu bieten.
Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, fordert die Regierung nicht zuletzt deshalb auf, die Kosten für die geplante Reform der Gebietskrankenkassen zu übernehmen. Als Beispiel verweist Szekeres darauf, dass die Unfallversicherung durch die geplante Senkung der Arbeitgeberbeiträge Geld verlieren werde und von den Gebietskrankenkassen quersubventioniert werden müsse. Die Bevölkerung werde aber immer älter, und trotz wachsender Einwohnerzahl gebe es weniger Kassenärzte. Daher solle die Regierung die Fusionskosten aus dem Budget bezahlen, fordert der Ärztekammer-Präsident: „Wenn ich viel weniger Geld zur Verfügung habe, wird es natürlich nicht besser.“ In einer vom Vorstand der Ärztekammer verabschiedeten Resolution wird die Regierung aufgefordert, die eine Milliarde Euro, die durch die Zusammenlegung der Krankenkassen eingespart werden soll, unmittelbar in die medizinische Versorgung zu investieren.