Immunmodulierende Therapien in der Onkologie – quo vadis?

Das berühmte „Hallmark of Cancer“-Konzept von Hanahan und Weinberg hat als eine der Kern-Eigenschaften von Krebs die Eigenschaft von Tumoren der Immunantwort zu entkommen und die krebsfördernde Entzündung beschrieben. Daraus lässt sich ableiten, dass man zum einen Mechanismen angreifen kann, welche Tumorzellen erlauben, der körpereigenen Immunantwort zu entkommen, aber auch Mechanismen, welche die Entzündungsreaktion bei Krebs gezielt hemmen kann. Solche Therapieprinzipien bezeichnet man als Immunmodulation, da sie das körpereigene Immunsystem verändern, letztlich um Tumorzellen besser angreifen zu können.

© Florian Lechner

„Die Entwicklungen der Krebs-Immuntherapien hat bereits viele Menschenleben gerettet und ein enormes Entwicklungspotenzial.“

Univ.-Prof. Dr. Dominik Wolf

Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin V, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich

Checkpoint-Hemmer

Immunregulation erfolgt über eine Vielzahl sehr fein regulierter Regelkreise. So muss jede Immunreaktion (letztlich um immun-vermittelte Organschäden zu vermeiden) auch in Gesunden wieder beendet werden. Diese Regulation erfolgt über lösliche Faktoren (Bsp.: Botenstoffe wie Interleukine/Interferone oder TGF-ß), aber auch über Membran-Rezeptoren. Hierbei haben die immunhemmenden Rezeptor-Ligandenpaare PD-1/PD-L1 und CTLA-4/CD86 in den letzten Jahren Berühmtheit erlangt, da sie für die Immunparalyse bei Krebskrankheiten eine Schlüsselrolle spielen.
Blockierende Antikörper gegen diese so-genannten Immuncheckpoints können hier bereits in den Patient:innen vorliegenden tumorreaktive Immunzellen reaktivieren. Hierbei kann bei gut selektionierten Pa-tient:innen in früher aussichtslosen Therapiesituationen (beispielsweise beim metastasierten Lungenkrebs) eine Langzeitkontrolle der Krankheit über die Aktivierung des Immunsystems erreicht werden. Durch eine unglaublich große Anzahl an klinischen Entwicklungen konnte hier bei einer Vielzahl an Tumor-Entitäten eine Zulassung dieser Checkpoint-Antikörper erreicht werden. In den letzten Jahren ist dabei auch zunehmend die Anwendung dieser immunmodulierenden Medikamente in der adjuvanten Therapiesituation entwickelt worden. Zuletzt konnten neben dem schwarzen Hautkrebs auch beim Lungenkrebs nach Operation der Vorteil einer begleitenden immunmodulierenden Therapie mit Immuncheckpoint-Antikörpern in einer Subgruppe an Patient:innen gezeigt werden: die Rückfallrate konnte dadurch deutlich gesenkt werden. Sie gelingt durch eine verbesserte immunvermittelte Krebsüberwachung nach kompletter operativer Entfernung des Tumors und einer etwaigen begleitenden Chemotherapie. Offensichtlich kann hierdurch eine nicht sichtbare minimale Resterkrankung immunologisch attackiert und damit der Rückfall verhindert werden.

Neue Impfstrategien in Onkologie

Die so atemberaubend schnelle Zulassung der mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV2 war nur möglich, da die beteiligten Firmen bereits seit Jahrzehnten an der Entwicklung von mRNA-Krebsimpfstoffen arbeiten. Das innovative Prinzip der mRNA-Impfung erlaubt, durch die Applikation von personalisierten Impfstoffen (die auf der individuellen genetischen Veränderung jedes/jeder einzelnen Patient:in beruht) oder gegen sogenannte „shared antigens“, also häufig überexprimierte tumorspezifische Proteine zu immunisieren.Hierdurch kann eine Immunantwort gegen Tumorzellen induziert werden, die auch deshalb besonders effizient ist, da oft zeitgleich immunsuppressive Mechanismen, wie beispielsweise negative Immuncheckpoints antagonisiert werden. In klinischen Studien werden daher häufig zeitgleich zur Impfung PD1 oder PD-L1-blockierende Antikörper appliziert.

„Todeskuss“ durch CAR-T-Zellen und BiTEs

Ein alternativer Weg zur Aktivierung von körpereigenen Immunzellen ist die außerhalb des Körpers vollzogene „Bewaffnung“ dieser Immunzellen (i. d. R. T-Zellen) mit einem künstlich erzeugten Eiweiß (chimärer T-Zell-Rezeptor transgene T-Zellen = CAR-T-Zelle), das auf der einen Seite die Erkennung von Krebs-Eiweißen erlaubt und auf der anderen Seite nach der Bindung an dieses Zieleiweiß die Zellen massiv aktiviert, damit diese die Tumorzellen abtöten kann. Dieser „Todeskuss“ führt auch zur Aktivierung weiterer lokalen Immunzellen und moduliert damit die lokale Tumor-Mikroumgebung. Etablierte Zielstrukturen stellen CD19 auf Lymphknotenkrebs und akut lymphatischen Leukämien (ALL) sowie BCMA auf multiplen Myelom-Zellen dar. Eine Vielzahl an Modifikationen der Zielstrukturen (auch in der Onkologie), der Art dieser CARs und auch veränderten Immunzellen (etabliert sind hier T-Zellen), klinisch entwickelt werden beispielsweise auch CAR-Natürliche-Killer-(NK)-Zellen. Die Ergebnisse bei den Lymphknotenkrebs-Erkrankungen sind teils herausragend und diese Form der immunmodulierenden Therapie hat bisherige Therapiestandards teilweise ersetzt oder ergänzt. Ergänzt werden die Entwicklungen durch den Einsatz von kleinen bispezifischen Antikörpern (BiTEs), die zwischen Tumor-Targets (auch CD19, CD20 oder BCMA) auch T-Zellen aktivieren (BiTEs) und die den Vorteil haben, nicht den komplexen Herstellungsprozess der CAR-T-Zellen durchlaufen zu müssen.

Praxismemo
  1. Die Aktivierung des Immunsystems ist zu einer festen Säule moderner Krebstherapie geworden.
  2. Die Nebenwirkungen sind oft neuartig und erinnern an autoimmunologische Krankheiten.
  3. Das Patientenmanagement unter Immuntherapie ist unbedingt interdisziplinär zu organisieren.