Ministerin Hartinger-Klein will nicht von Einsparungen reden

Ärzte Krone: Mag sein, dass mit der jüngsten Reform der Sozialversicherung ein großer Wurf gelungen ist. Im Raum steht eine gewaltige Einsparung. Was aber haben wir Ärzte davon, Frau Minister?

Beate Hartinger-Klein: Ich mag das Wort Einsparung nicht! Es geht bei dieser Reform grundsätzlich um eine sinnvolle Umschichtung – wir wollen das vorhandene Geld ganz einfach deutlich besser einsetzen. Davon sollen natürlich hauptsächlich die Patienten profitieren.

Die Hoffnung auf Reduzierung der Beiträge erfüllt sich also offenbar nicht. Was konkret wird der Bevölkerung künftig aber Gutes getan?

Wir finanzieren, was tatsächlich gebraucht wird. Das heißt, wir machen mit der Gesundheitsreform weiter. Ein erklärtes Ziel ist es, die Hausärzte so zu fördern, dass sie mehr Leistungen bei kürzeren Wartezeiten anbieten können.

Welche Maßnahmen sind zeitnah zu erwarten?

Es ist längst klar, dass der völlig veraltete Leistungskatalog der niedergelassenen Ärzte auf eine ganz neue Basis gestellt werden muss. Konkret: Es muss ausreichend Geld in Richtung Ärzte fließen, damit diese zum Beispiel mehr Zeit für ausführliche Gespräche mit den Patienten haben. Wir haben unter anderem auch vor, Tätigkeiten wie die Versorgung kleinerer Wunden aus den Spitälern in die Hausarztpraxen zu verlagern.

Zu beidem hatten die Allgemeinmediziner bisher kaum Zeit. Sie ersticken ja förmlich in Bürokratie.

Genau hier setzt ja die Zusammenlegung der Kassen an: Alleine die wesentlich geringere Zahl von Abrechnungen wird die Situation verbessern.

Leider sieht sich Österreich mit einem drohenden Ärztemangel konfrontiert. Jungärzte wandern in Scharen ins Ausland, wo sie dreimal so viel verdienen wie daheim. Woher sollen die vielen für eine wirkungsvolle Reform notwendigen Ärzte kommen?

Zunächst zum Verdienen: Das Honorarsystem wird weg von Quantität hin zu Qualität verändert. Es wird so vereinfacht, dass sich alleine dadurch bessere Verdienstmöglichkeiten ergeben. Weiters wird es Änderungen bei der Ausbildung zum Allgemeinmediziner geben – er soll in Hinkunft mehr tun dürfen und können als bisher. Wir wollen Wahlärzte dazu motivieren, wieder Kassenärzte zu werden. Außerdem werden wir auch mit Gemeinden kooperieren, damit spezielle Anreize geschaffen werden, sich als Hausarzt niederzulassen. Die Vorschläge reichen hier von Absicherung der Existenz bis zu mehr Lebensqualität. Vor allem für Frauen soll es attraktive Angebote geben, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Wie kommentieren Sie das Verhandlungsergebnis zwischen Ärztekammer, WGKK und der Stadt Wien?

Es ist auf jeden Fall gut, wenn die Ärzte besser honoriert und dadurch mehr in die Peripherie ausgelagert werden kann. Es sollte österreichweit ein Ziel sein, die Spitäler zu reduzieren.

Können Sie Beispiele für ganz konkrete Vorteile geben, die Patienten nun unmittelbar haben werden?

Ich nenne zwei: Die Mundhygiene – entscheidend für die Zahngesundheit – wird bis 18 bezahlt und die Psychotherapie. Psychische Leiden stehen an oberster Stelle der Krankheiten. Es wird hier neue Formen und mehr bezahlte Therapiestunden geben.

Wo fließt noch Geld hin beziehungsweise wird umgeschichtet?

In den medizinischen Fortschritt! Bisher war der Oberste Sanitätsrat ein Stiefkind. Wir werden dieses nur aus Ärzten bestehende Gremium aufwerten. Wir haben vor, uns an deren Empfehlungen ebenso zu orientieren wie an Richtlinien der medizinischen Fachgesellschaften.

Viele derzeit bestehende Probleme im Gesundheitssystem könnte die Finanzierung aus einer Hand lösen. Zum Beispiel bei den Spitälern, die großteils Landessache sind. Wie stehen Sie dazu?

Grundsätzlich positiv. Allerdings müsste man dafür laut Gesetz die Verfassung ändern. Das halte ich für unrealistisch. Derzeit finden jedoch bezüglich Spitalsfinanzierung Verhandlungen mit den Ländern statt. Das ist ein nächster Schritt.

Warum nur Reduktion auf vier oder fünf Kassen und nicht gleich auf eine einzige?

Das will ich für die Zukunft nicht ausschließen. Aber jetzt wollen wir einmal diese Reform erfolgreich durchziehen.

Stichwort Zukunft: Das Problem der Pflege wird ein immer dringlicheres Thema sein. Ihre Meinung dazu?

Es ist mir ein erklärtes Anliegen, dass ältere Menschen solange wie möglich daheim betreut werden können. Viel wird dazu die stark zunehmende digitale Vernetzung beitragen. Diese reicht jetzt schon vom Notfallknopf bis zur Registrierung der Klospülung – gibt es längere Zeit keine Rückmeldung, wird nachgeschaut. Aber wir werden auch in diverse Pflegeformen gezielt investieren.

 

 

© Krone Martin A. Jöchl