RA: Neue Targets der Biologika-Therapie bei rheumatoider Arthritis

TNF-α-Inhibitoren waren die erste Sub­stanzgruppe innerhalb der ­Biologika, die zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen entwickelt wurde. Es folgte die Entwicklung weiterer Inhibitoren von proinflammatorischen Zytokinen (IL-1, ­IL-6, IL-12/23, IL-17) und auch von Biologika mit einem zellulären Therapieansatz wie Abatacept (T-Zellen) oder Rituximab (B-Zellen). Zwischenzeitlich erweiterten neue synthetische Medikamente das medikamentöse Armamentarium zusätzlich.

Neue Anti-TNF-α-Strategien

TNF-α ist eines der wichtigsten proinflam-matorischen Zytokine in der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis (RA). Gegenwärtig existieren 5 Originator-Präparate (monoklonale Antikörper oder Rezeptorkonstrukte: Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Go­limumab und Infliximab) zur Blockierung von TNF-α und eine zunehmende Zahl an Biosimilars.

Eine neue Strategie ist die Bindung von Peptiden, Zytokinen oder von ­unterschiedlichen Antikörperfragmenten an Albumin. Albumin fungiert dabei als eine Art „drug carrier“, wodurch sich die jeweilige In-vivo-Halbwertszeit der Wirksubstanz verbessert. Daneben zeichnen sich diese Konstrukte im Vergleich zu vollständigen monoklonalen ­Antikörpern durch eine geringere ­Größe, niedrigere Immunogenität und durch einen einfacheren Produktionsprozess aus.

Der vermutlich am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittene Antikörper dieser Art ist ATN-103 (Ozoralizumab). Ozoralizumab, ein trivalent an Albumin bindender bispezifischer Nanobody mit einer neutralisierenden Wirkung gegen TNF-α, zeigte sich bisher in einer Phase-II/III-Studie als hocheffizient bei biologikanaiven RA-Pati­ent:in­nen. Im September 2022 erfolgte eine erste Zulassung bei RA in Japan.

Eine weitere Strategie im Bereich der TNF-α-Inhibition stellt die aktive Immunisierung gegen TNF-α mit einem TNF-Kinoid (TNF-K) dar. Dabei wird humanes TNF-α an das Carrier-Protein „keyhole limpet haemocyanin“ (KLH) gebunden. Dieses Konstrukt ist in der Lage, die B-Zell-Toleranz gegen TNF-α zu brechen. Die Folge davon ist die körpereigene Bildung von polyklonalen, neutralisierenden Antikörpern gegen TNF-α. Eine therapeutische Vakzinierung mit dem TNF-K wurde bisher in einer Phase-II-Studie bei RA-Patient:innen untersucht. Patient:innen, die eine Anti-TNF-α-Antikörper-Antwort ent­wickelten, zeigten auch eine signifikante klinische Verbesserung gemessen mit DAS28-CRP- und HAQ-Score. Ebenfalls ein neues Konstrukt stellt ABT-122 dar. Dabei handelt es sich um ein „dual-variable domain“ Immunglobulin-G-ähnliches Molekül (DVD-Ig®) gegen TNF-α und IL-17A. ABT-122 wurde in einer Phase-II-Studie mit RA-Patient:innen untersucht und zeigte eine signifikante Wirksamkeit, vergleichbar mit Adalimumab – anhand einer ACR20-Response ermittelt.

Die Rolle von GM-CSF

Der Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierende Faktor (GM-CSF) hat auch Einfluss auf die Differenzierung, Polarisierung und Aktivierung von Immunzellen. Bisher entwickelte Inhibitoren von GM-CSF, die entweder am GM-CSF-Rezeptor-α (Mavrilimu­mab) oder direkt am Zytokin (MORAb­-022, MOR103, Lenzilumab, Namilumab) angreifen, konnten in Phase-II-Studien im Vergleich zu anderen Biologika ­zumeist keine überlegene Wirksamkeit nachweisen.

Neue IL-Antikörper und zelluläre Therapieansätze

IL-6: Derzeit sind mit Tocilizumab und Sarilumab zwei Originator-Präparate zur Inhibition von IL-6 in der RA zugelassen.Vobarilizumab ist ein NANOBODY®, bestehend aus einer Anti-IL-6-Rezeptordomäne, die an eine Antihuman-Serum-Albumin-Domäne gebunden ist, wodurch die In-vivo-Halbwertszeit entscheidend verlängert wird. Vobarilizumab wurde bisher in einer Phase-IIb-Studie bei RA-Patient:innen untersucht und zeigte eine signifikante Wirksamkeit in einem ähnlichen Ausmaß wie die im Vergleichsarm mit Tocilizumab festgestellte. Olokizumab, ebenfalls ein Antikörper, der direkt gegen IL-6 gerichtet ist, wurde in einer Phase-III-Studie bei RA-Patient:innen untersucht und zeigte im Vergleich zu Placebo eine signifikant bessere Wirksamkeit anhand des primären Endpunktes ACR20. Clazakizumab, ein humanisierter Antikörper gegen IL-6, erreichte in einer Phase-IIb-Studie den primären Endpunkt einer ACR20-Response.

IL-20 als ein weiteres proinflammatorisches Zytokin und sein Rezeptor finden sich vermehrt im Synovialgewebe, wo IL-20 vor ­allem von Monozyten produziert wird. Daneben wird für IL-20 auch eine Rolle in der Atherosklerose und Angiogenese postuliert. In einer Phase-II-Studie erreichte der Anti-IL-20-Antikörper NNC0109-0012 den primären Endpunkt einer Verbesserung im DAS28-CRP nach 12 Wochen.

IL-22 ist ein wichtiger Regulator in der epithelialen Homöostase und wird hauptsächlich von Lymphozyten wie Typ-1-T-Helferzellen (Th1), Th17, Th22, CD8-positiven T-Zellen, γ-δ-T-Zellen, NK-Zellen und Innate-Lymphoid-Type-3-Zellen (ILC3) produziert. Daneben können auch neutrophile Granulozyten IL-22 produzieren. Eine vermehrte Expression des IL-22-Rezeptors und von IL-22 selbst wurde im Synovialgewebe beschrieben, und hohe Konzentrationen finden sich insbesondere bei Patient:innen mit Knochenerosionen.

SM03, ein Anti-CD22-Antikörper, erreichte in einer Phase-II-Studie mit RA-Pati­ent:in­nen den primären Endpunkt eines ACR20. Eine Phase-III-Studie zu SM03 befindet sich derzeit in der Rekrutierungsphase.

Chemokine

Ein weiteres neues Target sind Chemokine, die eine wichtige Rolle in der Leukozyten­migration durch Bindung und deren spezifische Rezeptoren spielen. Derzeit kennt man ca. 50 unterschiedliche Chemokine. Fraktalkin (oder CX3CL1) ist das einzige Chemokin der CX3C-Familie. Im entzündlichen Gewebe steuert die Interaktion zwischen Fraktalkin (FKN) und seinem Rezeptor CX3CR1 die Bewegung von Monozyten auf Endothelzellen und damit deren Einwanderung ins ­Entzündungsgewebe. In der RA wird daher vermutet, dass Anti-FKN-Antikörper die Anreicherung von Entzündungszellen vermindern, den Zelltod von synovialen Fibroblasten induzieren und durch die Reduktion von Osteoklasten Knochenerosionen verhindern. E6011, ein erster monoklonaler Anti-Fraktalkin-Antikörper, zeigte in einer Phase-II-Studie nur moderate Effektivität im Vergleich zu Placebo.

Praxismemo

  1. Akuttherapie mit Glukokortikoiden bzw. auch symptomatische Therapie mit NSAR oder Coxiben (keine Prognoseverbesserung).
  2. „Hit hard and early“: Sofortiger Beginn mit csDMARD (Methotrexat) bei Diagnose zusätzlich zu Kortikoiden ist prognosebestimmend.
  3. Lebensstil-Intervention: Belegter Zusammenhang zwischen Adipositas und Rauchen mit schlechterer Prognose sowie geringerem DMARD-Ansprechen.