Onkologische Pflegepersonen spielen eine zentrale Rolle in der Versorgung und Behandlung von Krebspatient:innen, indem sie Betreuung leisten, Behandlungen unterstützen und digitale Technologien wie Telemedizin nutzen. Künstliche Intelligenz (KI) findet in der Onkologiezunehmend Anwendung, etwa zur Identifikation von Risikofaktoren, zur Verbesserung von Diagnosen und zur Optimierung der Patientenversorgung. Dennoch gibt es bislang nur wenige Studien zur Nutzung von KI in der onkologischen Pflege, die darauf abzielen, das Potenzial dieser Technologie für die Praxis, Ausbildung und gesundheitspolitische Entscheidungen besser zu verstehen. KI wird insbesondere zur Analyse und Interpretation komplexer Datensätze eingesetzt – ein zunehmend wichtiger Aspekt der modernen Krebsversorgung. KI-Systeme können entweder auf symbolischen Regeln basieren oder numerische Modelle erlernen, wobei sie ihr Verhalten auf Grundlage vorheriger Erfahrungen anpassen. Zu den zentralen Techniken gehört maschinelles Lernen, bei dem Algorithmen Muster in Daten erkennen und darauf basierend Vorhersagen oder Entscheidungen treffen, ohne explizit programmiert zu werden. Dies kann durch überwachtes, unüberwachtes oder bestärkendes Lernen erfolgen. Weitere relevante Methoden sind die natürliche Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, NLP) und die Fuzzylogik.
Das Ziel dieser Studie war es, die Anwendungsbereiche von KI in der onkologischen Pflege zu untersuchen, den Grad der Beteiligung von onkologischen Pflegepersonen an der KI-Forschung zu ermitteln und die damit verbundenen Limitationen sowie Risiken zu verstehen.
Es wurden Artikel aus den Jahren 2010 bis 2022 analysiert, die den Einsatz von KI in der onkologischen Pflege thematisierten. Die Literaturrecherche erfolgte in den Datenbanken CINAHL, MEDLINE, PubMed und PsycINFO. Eingeschlossen wurden englischsprachige, Peer-reviewed-Studien, die onkologische Pflegepersonen sowie Patient:innen mit verschiedenen Krebserkrankungen als Zielgruppe definierten. Nach dem Screening von Titeln, Abstracts und Volltexten wurde die Qualität der Studien anhand der Forschungsevidenzhierarchie nach Grove et al. (2017) bewertet. Die Qualität der eingeschlossenen Studien reichte von niedrig bis mittel. Die extrahierten Daten wurden mittels deskriptiver Statistik und Inhaltsanalyse ausgewertet, während eine tabellarische Übersicht die Studienmerkmale zusammenfasste.
Insgesamt wurden in diesen Review 20 Studieneingeschlossen. Die meisten Artikel stammen aus China, gefolgt von den Vereinigten Staaten, Südkorea sowie Dänemark, Finnland, Irak, Italien, Japan, der Schweiz, Taiwan und den Niederlanden. Die Stichprobe bestand aus Patient:innen mit verschiedenen onkologischen Erkrankungen, wobei die Mehrheit über 50 Jahre alt war. Die meisten der eingeschlossenen Studien verwendeten quantitative Studiendesigns, darunter Beobachtungsstudien, Querschnittsstudien und Fall-Kontroll-Studien (n = 18). Zwei Studien setzten ein Mixed-Methods-Design ein (n = 2). Zu den in den Studien eingesetzten KI-Techniken gehörten maschinelles Lernen, natürliche Sprachverarbeitung und Fuzzylogik. Aus der Synthese der Ergebnisse ergaben sich untenstehende zentrale Themen.
Anwendungsbereiche von KI in der onkologischen Pflege: KI wird in der onkologischen Pflege zunehmend eingesetzt, um klinische Herausforderungen zu bewältigen. In 17 Studien (85 %) wurde KI verwendet, um die Patientenversorgung zu verbessern, insbesondere bei Brust-, Kolorektal-, Leber- und Eierstockkrebs. In den meisten eingeschlossenen Studien wurden KI-Algorithmen auf Gesundheitsdatensätzen trainiert und getestet, um prädiktive Modelle für spezifische Probleme im Zusammenhang mit Krebs zu erstellen. In einer Studie wurde gemeinsam mit Pflegepersonen ein KI-gestütztes System entwickelt und implementiert, das bei Entscheidungen in der klinischen Praxis unterstützen soll. Beispielhaft wurde in einer anderen Studie die Methode des maschinellen Lernens verwendet, um zu prüfen, ob die schriftliche Dokumentation von Pflegepersonen über den Zustand und die Behandlung von Patient:innen die Dauer des Krankenhausaufenthaltes nach einer Operation bei Eierstockkrebs vorhersagen kann. Es zeigte sich, dass bestimmte Themen in der pflegerischen Dokumentation, wie z. B. Harnausscheidung, Nahrungsaufnahme oder Schmerz, mit der Verweildauer im Krankenhaus zusammenhingen. Die Methode des maschinellen Lernens konnte die Aufenthaltsdauer auf Grundlage der pflegerischen Dokumentation erfolgreich vorhersagen. Zwei weitere Studien beschäftigten sich mit der Verwaltung von Patientenanforderungen und der Personalplanung, zum Beispiel durch die Entwicklung eines digitalen Tools, das die Nachfrage nach häuslicher Versorgung für Patient:innen am Lebensende vorhersagen soll.
Grad der Beteiligung von onkologischen Pflegepersonen an der KI-Forschung: In 65 % der Studien führten Pflegepersonen die Anwendung von KI-Techniken durch und waren die korrespondierenden Autor:innen, während die Forschungin den verbleibenden 35 % von Expert:innen aus anderen Disziplinen wie Medizin oder Informatik geleitet wurde. Pflegepersonen waren aktiv in die Identifikation von Patient:innen, die Datenerhebung sowie die Analyse von onkologischen Patientendaten eingebunden.
Limitationen und Risiken von KI in der onkologischen Pflege: Die Hauptprobleme beim Einsatz von KI in der onkologischen Pflege betreffen vor allem die Qualität der verwendeten Daten. Viele Studien basieren auf kleinen retrospektiven Datensätzen mit fehlenden Daten, was die Genauigkeit der Algorithmen beeinträchtigen kann. Auch die Integration KI-gestützter Tools in den klinischen Arbeitsablauf wurde als Herausforderung genannt, insbesondere, weil einige Methoden des maschinellen Lernens wenig transparent sind. Schließlich wurden Datenschutz- und regulatorische Fragen nur selten thematisiert, obwohl sie eine wichtige Rolle bei der Nutzung von KI in der Praxis spielen.
Es zeigt sich, dass KI in der onkologischen Pflege bereits genutzt wird, jedoch eine umfassendere Schulung und Weiterbildung des Pflegepersonals notwendig sind, um prädiktive Algorithmen gezielt einsetzen zu können. Darüber hinaus bedarf es weiterer Forschung, um den tatsächlichen Einfluss von KI auf die pflegerische Praxis sowie ihre Risiken und Einschränkungen besser zu verstehen. Eine solche Forschung würde dazu beitragen, das Potenzial von KI optimal zu nutzen und sowohl die Patientenversorgung als auch die professionelle pflegerische Praxis zu verbessern.
Diese systematische Übersichtsarbeit zeigt, dass KI in der onkologischen Pflege zunehmend Anwendung findet. Um die Technologie jedoch effektiv und ethisch entsprechend zu nutzen, ist eine umfassende Schulung der Pflegepersonen notwendig, um sie für KI zu sensibilisieren und ihnen die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Noch wichtiger ist es, dass Pflegepersonen in der Lage sind, die Entwicklung und Implementierung von KI-basierten Tools aktiv mitzugestalten und anzuführen, um sicherzustellen, dass diese die Bedürfnisse der Patient:innen sowie die Besonderheiten der pflegerischen Tätigkeiten berücksichtigen.