Ozempic®, Wegovy® und Co: Überzogener Hype oder überragender Gamechanger?

Indikation Diabetes Typ 2

Ziele in der Behandlung des Diabetes Typ 2 sind Symptomfreiheit, der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Lebensqualität und das Vermeiden von Akut- und Spät­komplikation1.

GLP-1-Rezeptoragonisten werden dazu in der medikamentösen Therapie des Diabetes Typ 2 nach der Leitlinie der Österreichischen Diabetes Gesellschaft eingesetzt1, wenn

  • Lifestyleänderungen und orale Anti­diabetika wie Metformin nicht zu einer ausreichenden glykämischen Kontrolle führen1, oder
  • renale und kardiovaskuläre Vorerkrankungen bzw. ein kardiovaskuläres Risiko bestehen: Hier ist bereits im ersten Schritt die Gabe eines GLP-1-Agonisten in Kombination mit Metformin empfohlen (sofern keine SGLT2-I-Therapie erfolgt).1
  • In einer weiteren Therapieeskalation werden GLP-1-Rezeptoragonisten auf Grund der Vorteile der Wirkstoffklasse vor Insulin eingesetzt1.

Wirkweise der GLP-1-Rezeptoragonisten. Einmal täglich bis einmal wöchentlich subkutan verabreicht führen GLP-1-Rezeptoragonisten wie Exenatid, Liraglutid, Semaglutid, Lixisenatid und Dulaglutid zu einer glukoseabhängigen Steigerung der pankreatischen Insulinsekretion, Hemmung der Glukagonfreisetzung und der Magenentleerung sowie Auslösung eines Sättigungsgefühls durch Stimulation des Sättigungszentrums im Gehirn.2

Vorteile der Wirkstoffklasse sind eine effiziente Senkung des Blutzuckerspiegels bei geringem Hypoglykämierisiko, Gewichtsabnahme und eine Senkung kardiovaskulärer Ereignisse wie Myokardinfarkt, Schlaganfall etc. unter Liraglutid, Dulaglutid und Semaglutid.2

Nachteile sind die Notwendigkeit subkutaner Verabreichung sowie das ausgeprägte Nebenwirkungsprofil. Bei Ozempic® finden sich in der Fachinformation beispielsweise als „sehr häufige“ bzw. „häufige“ Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Erschöpfung, Komplikationen bei diabetischer Retinopathie und auch gelegentlich eine Steigerung der Herzfrequenz sowie akute Pankreatitis (Aufzählung nicht vollständig).3

Indikation Gewichtsreduktion

Derzeit ist in Österreich nur Liraglutid (Saxenda®) zur „medikamentösen Unterstützung bei Gewichtsreduktion“ zugelassen und verfügbar. Semaglutid (Wegovy®) verfügt zwar über eine Zulassung in der EU, ist aber bisher nicht in Österreich am Markt. Beide Präparate werden bei Patient:innen mit einem BMI > 30, alternativ bei einem BMI > 27 plus zusätzliche Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck etc. eingesetzt:

  • Saxenda® führte in Studien bei Einsatz der Höchstdosis zu einer Reduktion von 7,5 % (vs. 2,3 % unter Placebo) des Ausgangsgewichts, knapp ein Drittel der Teil­neh­mer:innen brach jedoch die Studie ab. In einer weiteren Studie zu Saxenda® zeigte sich ein durchschnittlicher Gewichtsverlust von 2 kg in der Behandlungsgruppe.4
  • Wegovy® zeigte in verschiedenen Studien eine Gewichtsreduktion um mindestens 5 % bei den meisten Teilnehmer:innen. Die Gewichtsabnahme lag bei 5–16 % vom Ausgangspunkt (versus 2–6 % unter Placebo).5
  • Der GLP-1-/GIP-Agonist Mounjaro® (Tirzepatid) ist für die Indikation Gewichtsreduktion derzeit in Europa noch nicht zugelassen.

Dauerhafte Gewichtsabnahme? Schwierig! Ändern Patient:innen ihren Lebensstil nicht, so besteht die Gefahr, nach Absetzen des Präparates das verlorene Gewicht wieder zuzunehmen. Beispielsweise wurden in einer Studie alle Personen für 20 Wochen mit Wegovy® therapiert; danach erhielt ein Teil für weitere 48 Wochen weiterhin Wegovy®, der andere Teil ein Placebo. Es zeigte sich, dass die Studienteilnehmer:innen unter Wegovy® weitere 8 % abnahmen, die Personen mit Placebo hingegen nahmen 7 % wieder zu.5

Was bedeutet das für uns als Apotheker:innen an der Tara?

Beratung als Chance. Viele Kolleg:innen in der Apotheke sind mit einer verstärkten Nachfrage nach Semaglutid und ähnlichen Arzneimitteln konfrontiert – auch von Patient:innen und Kund:innen, die über kein gültiges Rezept verfügen. Selbstverständlich können wir ihnen einfach erklären, dass eine Abgabe ohne Rezept nicht möglich ist. Suchen wir aber das Gespräch, um ihre Motivation zu erfragen, haben wir die Chance, durch unsere Beratung Arzneimittelmissbrauch zu verhindern, gesundheitliche Risiken zu minimieren und damit auch zur Entspannung der Liefersituation beizutragen. Schließlich werden Kund:innen, die das ­Präparat wünschen, nicht einfach aufgeben und versuchen, es über andere Wege – im schlimmsten Fall über zweifelhafte Anbieter im Internet – zu bekommen.

Kundenwunsch „Gewichtsabnahme“. Kund:innen, deren Motivation die Gewichtsabnahme aus rein optischen Gründen ist, kann man auch sehr gut auf dieser Ebene begegnen, zum Beispiel durch folgende Punkte:

  • Schaffen realistischer Erwartungen: Mit Liraglutid und Semaglutid lässt sich eine Gewichtsabnahme von rund 10 % erreichen, in vielen Studien betrug die Gewichtsreduktion aber auch nur 2–5 kg.3, 4 Das entspricht nicht den überzogenen Erwartungen, die einige Kund:innen an die Präparate haben, und sie sind nicht mehr bereit, dafür Kosten und Nachteile in Kauf zu nehmen.
  • Unerwünschte (optische) Wirkungen: Auch wenn dies eine unkonventionelle Argumentationsmethode sein mag – viele Kund:innen wünschen sich zwar eine Gewichtsabnahme, im Gesichtsbereich wird sie doch oft als unvorteilhaft wahrgenommen. Auch dieser Hinweis hat schon zum Umdenken bewogen.

Lifestyle und Ernährung. Im Zuge des ­Beratungsgesprächs sollten wir als Apothe­ker:innen auch die Chance nützen, auf die umfassenden positiven Effekte von gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung aufmerksam zu machen!

Fazit: GLP-1-Rezeptoragonisten sind essenzieller Bestandteil in der Behandlung des Diabetes Typ 2 und in allen aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien als Erst- bzw. Zweitlinien-Therapie verankert.

Sie bewirken eine effiziente Senkung des Blutzuckerspiegels bei geringem Hypoglykämierisiko, Gewichtsabnahme und eine Senkung kardiovaskulärer Ereignisse wie Myokardinfarkt und Schlaganfall. Sie sind auch bei Diabetes Typ 2 einer Therapie mit Insulin vorzuziehen. Derzeit sind nur die Wirkstoffe Liraglutid und Semaglutid auch zur Gewichtsreduktion zugelassen. Hier zeigte sich in Studien eine Gewichtsabnahme von 5–15 %, in manchen Studien auch darunter; zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Personen ohne entsprechende Lebensstiländerungen das verlorene Gewicht nach Absetzen des Präparats wieder zunahmen.