Impfungen bei Rheumapatienten – Nutzen oder Risiko?

Die Sorge der Rheumatiker besteht darin, dass durch eine Impfung wegen der Mechanismen der Grunderkrankung oder als Folge der medikamentösen Therapie Rheumaschübe ausgelöst werden könnten. Zwar wurde in der Regel nur von Einzelschicksalen berichtet, jedoch kann das Risiko nicht vollständig ausgeschlossen werden. Unbestritten ist aber auch, dass Patienten mit Autoimmunerkrankungen durch die Grunderkrankung selbst und die damit verbundenen immunologischen Veränderungen häufiger an Infektionen erkranken. Der Zweifel für den Patienten bleibt jedoch und gerade in der Apotheke wird besondere Beratung erwartet.

Sicherheit oder Risiko?

Impfungen stellen eine sinnvolle Prophylaxe gegen Krankheitserreger dar. Zu bedenken ist ebenfalls, dass auch nach einer normalen Infektion mit einem Krankheitserreger bei Rheumapatienten ein Krankheitsschub ausgelöst werden kann. Der pathogene Erreger gilt dann per se als Trigger für das Autoimmungeschehen. Man kann also davon ausgehen, dass Impfungen mit höherer Wahrscheinlichkeit Autoimmunreaktionen verhindern oder modifizieren anstatt sie zu verursachen oder zu verschlechtern. Allerdings muss man strenge Richtlinien für den Impfzeitpunkt beachten.

Tot- oder Lebendimpfstoffe?

Während Totimpfstoffe prinzipiell bei Rheumapatienten kein Problem darstellen, sind Lebendimpfstoffe unter Immunsuppression immer heikel. Während einer laufenden immunsuppressiven Therapie sind sie immer kontraindiziert. Darunter fallen alle Behandlungen mit Methotrexat, Leflunomid, Cyclosporin A, Azathioprin, alle Biologika sowie hoch dosierte Glukokortikoide. Impfungen mit Lebendimpfstoffen müssen daher rechtzeitig geplant werden und sollten unbedingt mindestens 4 Wochen vor einer Behandlung erfolgen. Wird erst nach einer immunsuppressiven Therapie geimpft, sollte ein Zeitabstand von zumindest 3 Monaten eingehalten werden. Gerade im Hinblick auf Reiseimpfungen ist diese Vorausplanung besonders wichtig. Nur bei der Anwendung von Sulfasalazin, Chloroquin, Goldpräparaten, Penicillamin oder niedrig dosierten Glukokortikoiden (< 20 mg pro Tag) ist das Immunsystem nicht sehr stark supprimiert, weshalb Lebendimpfstoffe generell verabreicht werden können.

Wirkungslose Impfung?

Autoimmunerkrankungen basieren auf einem fehlregulierten Immunsystem; möglicherweise kann sich deshalb auch die Schutzwirkung nach Impfungen nicht richtig aufbauen. In Studien wurde jedoch gezeigt, dass die Impfreaktion unter Therapie mit Methotrexat, TNF-&alpha;-Blockern, deren Kombination und Abatacept im Vergleich zu den Kontrollgruppen zwar abgeschwächt ist, aber trotzdem eine ausreichende Schutzwirkung erzielt werden kann. Nur unter Therapie mit Rituximab ist aufgrund der B-Zell-Depletion nicht mit einer ausreichenden Immunisierung zu rechnen (Bingham CO et al., Arthritis Rheum 2010). Als Empfehlung kann man nur eine Serumkontrolle des Impferfolgs durch eine Laboruntersuchung geben, damit ein eventuelles Impfversagen rechtzeitig erkannt wird.

FSME-, Grippe- und Pneumokokken-Impfung

Für Rheumapatienten unter immunsuppressiver Therapie sind die jährliche Grippeimpfung ebenso wie die Pneumokokken-Impfung und FSME-Vakzine empfehlenswert. Allerdings haben Studien zur Pneumokokken-Impfung mit dem Polysaccharid-Impfstoff eine therapiebedingte eingeschränkte Impfantwort gezeigt (Mercado U et al., J Rheumatol 2009). Methotrexat, auch in Kombination mit TNF-&alpha;-Hemmern und besonders Rituximab, reduziert die Antikörperbildung nach der Impfung. Von der neuen konjugierten Pneumokokken-Vakzine wird in Kombination mit dem 23-PPV eine bessere und länger andauernde Immunität erwartet. Wann und ob jedoch Auffrischungsimpfungen notwendig sind, ist zurzeit noch nicht bekannt.

HPV-Impfung

Die Impfung gegen humane Papillomaviren ist bei Rheumapatienten durchaus empfehlenswert, da man weiß, dass gerade die Infektion mit Hochrisiko-Stämmen bei Rheumapatienten höher ist, wodurch auch das Risiko für die Entstehung von Zervix-Karzinomen erhöht ist.

Hepatitis A und B – Vorsicht bei der Impfung

Hepatitis-Impfungen sollten bei rheumatischen Erkrankungen nur dann empfohlen werden, wenn ein erhöhtes Erkrankungsrisiko vorliegt. Der Hepatitis-Erreger dürfte nämlich ein signifikanter Trigger für das Auslösen eines Rheumaschubs sein. Ob der Erreger dabei durch die Impfung oder durch Wildkontakt mit dem Immunsystem zusammenprallt, scheint egal zu sein. Nutzen und Risiko der Impfung müssen in diesem Fall daher besonders abgewogen werden.

Masern, Mumps, Röteln – ein heikles Thema

Jedes dritte rheumakranke Kind ist unzureichend geimpft. Meist fehlen sogar die Standardimpfungen wie Tetanus und Diphtherie, die ohnedies Totimpfstoffe sind. Die MMR-Vakzine ist jedoch ein Lebendimpfstoff. Hier sollte nur dann geimpft werden, wenn sich das Kind gerade in einer stabilen Krankheitsphase befindet. Diese Impfeinschränkung ruft einmal mehr das Thema einer Pflichtimpfung für MMR auf, das beispielsweise in den USA bereits vollzogen wird. Nur geimpfte Kinder werden dort in Schulen aufgenommen. Hohe Impfquoten gewährleisten eine Herdenimmunität und schützen damit unter anderem auch Menschen mit Rheuma. Allerdings sollten Patienten mit unterdrücktem Immunsystem auch den engen Kontakt mit Menschen meiden, die gerade mit einem Lebendimpfstoff geimpft wurden, um keine Ansteckung zu riskieren.