Mit Hochdruck in die Apotheke

Zielwert – wohin geht die Reise?

Die erste große Frage, die sich in der Apotheke stellt, ist diejenige nach dem richtigen Zielwert. In den letzten Jahren hat sich die klinische Faustformel „<140/90 mmHg, bei Diabetes und Nephropathie gerne noch eine Schippe niedriger“ herauskristallisiert. Nun häufen sich zunehmend die Studien, die niedrigere Zielwerte favorisieren. Die Leitlinie hat auf diese Situation mit einem Zielwertkorridor geantwortet. Niedrigere Zielwerte sind besser, allerdings können mit einem Korridor auch Patientenwünsche und besondere Herausforderungen abgebildet werden. Wie in der Kardiologie zunehmend üblich, fließt jetzt auch das kardiovaskuläre Risiko mit in die Betrachtungen ein. Es gilt also nun, eine Spanne von 120/70 bis 160/90 mmHg einzuhalten, wobei niedrigere Werte besser sind.
In der Abbildung erkennt man Parameter, die sich auf den Zielwert auswirken können.

Pharmakotherapie

Nachdem also ein Ziel formuliert ist, geht es – jedenfalls im Medikationsmanagement – an eine mögliche Therapieoptimierung. Prinzipiell soll man stets mit einer Kombinationsbehandlung beginnen. Zwei oder mehr niedrigdosierte Wirkstoffe sind einer hochdosierten Therapie mit wenigen Wirkstoffen auch in der Verträglichkeit überlegen, Fixkombinationen sind besonders günstig. Welche Wirkstoffe vorrangig eingesetzt werden, hängt von den Komorbiditäten ab. Als Blutdrucksenker sind erste Wahl: ACE-Hemmer (ACEI) oder Sartane (ARB), Calciumkanalblocker (CCB) und Thiazide oder Thiazidanaloga. Betablocker werden primär nicht mehr als Blutdrucksenker eingesetzt, sind aber bei KHK und Herzinsuffizienz indiziert. Der Algorithmus zeigt die Auswahl anhand etwaiger Komorbiditäten.

Thiazide oder Thiazidanaloga?

Lange war unklar, ob die Thiazidanaloga (z. B. Chlortalidon) den Thiaziden (z. B. HCT) vorzuziehen sind. Diese Frage wurde mit dem Diuretic Comparison Project inzwischen beantwortet: Die Unterschiede sind marginal.2 Insofern ist die Leitlinie hier fast schon wieder überholt. Chlortalidon schnitt nur bei Patient:innen nach Myokardinfarkt etwas besser ab, sonst führte es etwas häufiger zu Hypokaliämien.

ACEI oder ARB?

Kontrovers diskutiert wird auch immer wieder die Frage, ob Sartane den ACE-Hemmern vorzuziehen sind. Die geringeren Nebenwirkungen, speziell der seltener vorkommende Husten, sprechen eigentlich dafür. Da aber nur die ACE-Hemmer gegen Placebo getestet wurden, haben sie formal eine bessere Datenlage. Man kann seinen Patient:innen eine mögliche Odyssee zur Abklärung des Hustens aber sicher auch ersparen und direkt mit einem ARB starten.

(Bulky) MRA?

Bei Therapieresistenz kommen verstärkt Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) zum Zuge. Hier gibt es mit der neuen Klasse der „bulky“ nichtsteroidalen MRA (z. B. Finerenon) auch spannende Neuentwicklungen. Finerenon konnte eine sehr wirksame Nephroprotektion zeigen und ist am Mineralokortikoid-Rezeptor wesentlich selektiver. Es führt auch seltener zu Hyperkaliämien als Spironolacton oder Eplerenon. Allerdings ist die Blutdrucksenkung deutlich schwächer ausgeprägt. Hier hat Spironolacton die Nase vorn; aufgrund der häufigen Sexualhormon-Effekte und auch insgesamt besseren Verträglichkeit ist Eplerenon ein klinisch gut geeigneter Kompromiss.

Hypertensive Entgleisungen

Hypertensive Entgleisungen sind Blutdruckspitzen von > 180/110 mmHg. Kurzwirksame CCB haben hier eine schlechte Datenlage. Für die klinische Praxis sind deshalb Glyceroltrinitrat und Amlodipin eine gute Kombination. Amlodipin wirkt zwar erst nach einigen Stunden, Glyceroltrinitrat dafür sofort.
Kommt eine Organschädigung hinzu, so wird aus der Entgleisung ein Notfall, und es muss stationär eine i. v. Behandlung mit Enalaprilat, Esmolol oder Nitroprussidnatrium durchgeführt werden.

Einbindung der Pharmazeut:innen

Bei Polymedikation gibt es viele gute Gründe für eine interprofessionelle Medikationsanalyse. Zahlreiche Studien und Reviews beschreiben eine deutliche Verbesserung in der Behandlung der Hypertonie, sobald sich Pharmazeut:innen dem Thema zusätzlich widmen.3 Typische Tätigkeiten sind ein ­Abgleich der tatsächlich eingenommenen Medikamente und eine Förderung der ­Adhärenz.4 Auch die Patientenbeschwerden sollten stets aufgenommen werden.5 NSAR sind bei kardiovaskulären Risikopa­tient:innen generell tabu.

Fazit

In der Therapie der Hypertonie hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Nun liegt es an Ihnen sicherzustellen, dass Ihre Patient:innen weitgehend leitliniengerecht therapiert werden.