Kontroversen: Multiples Myelom

Besonders gut hat mir in diesem Symposium der erste Vortrag gefallen, der monoklonale Gammopathien mit klinischer Signifikanz beleuchtet hat. Diese stellen im klinischen Alltag sowohl in der Abklärung als auch in Bezug auf Therapiestrategien eine besondere Herausforderung dar. In der Präsentation wurden sehr schöne Algorithmen vermittelt, die sich auch gut in der Praxis umsetzen lassen. Bezüglich der Therapieempfehlungen hat mir gefehlt, dass neben Bortezomib keine weiteren Proteasominhibitoren genannt wurden. Gerade wenn eine Polyneuropathie klinisch im Vordergrund steht, wäre z. B. Ixazomib eine gute Alternative. Es gibt auch bereits Daten für den Einsatz monoklonaler Antikörper wie Daratumumab und auch für Venetoclax. Allerdings muss man natürlich berücksichtigen, dass es kaum möglich ist, ein solch komplexes Thema in der Kürze der zur Verfügung stehenden Vortragszeit ganz umfassend abzuhandeln.

Was die antibiotische und antivirale Prophylaxe angeht, finde ich es sehr interessant, dass diese in vielen deutschen Zentren offenbar schon sehr früh wieder beendet wird. In unserem Zentrum wird diese sehr konsequent bei unseren Myelompatienten fortgeführt. Wir substituieren auch eher großzügig und gegebenenfalls bei Patienten mit bereits vielen Infekten in der Anamnese auch prophylaktisch Immunglobuline, da wir damit sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Dennoch beobachten wir, dass besonders Myelompatienten unter Therapie häufig anfälliger für Infekte sind; und das nicht nur im ersten Therapiezyklus, sondern oft besonders im späteren Therapieverlauf. Speziell ältere Patienten mit Komorbiditäten scheinen davon betroffen zu sein.

Bezüglich der Diskussion um die Chinolonprophylaxe ist mein persönlicher Eindruck eigentlich, dass diese weitgehend komplikationslos vertragen wird. Allerdings bevorzugen wir in unserem Zentrum die Prophylaxe mit Cotrimoxazol. Sehr interessant fand ich die Daten zur Zostervakzination. Trotz Valaciclovirprophylaxe gibt es immer wieder Patienten, die darunter schwere Zosterreaktivierungen erleiden. Hier gibt es mit der Vakzination ein zusätzliches Tool, um diese Patienten zu schützen.

Im letzten Vortrag dieses Symposiums wurde neuerlich der Stellenwert der allogenen Stammzellentransplantation im Rahmen der Myelomtherapie beleuchtet. Es konnten Langzeitdaten gezeigt werden, welche belegen, dass diese Therapiealternative zwar initial mit einem höheren Mortalitätsrisiko verbunden ist, dass es aber langfristig sehr wohl signifikante Vorteile für das progressionsfreie- und Gesamtüberleben geben kann. Das trifft insbesondere auf Patienten zu, die nach der allogenen Transplantation MRD-negativ sind. Sehr erfreulich ist nun, dass diese Fragestellung im Rahmen prospektiver Studien neu evaluiert werden soll. Ein Hauptkritikpunkt an den bisher zur Verfügung stehenden Daten war ja stets, dass es sich in der Regel um retrospektive Analysen einer bezüglich Vortherapien und Konditionierungsschemata sehr heterogenen Patientenpopulation handelte. Hier ist es wichtig, durch prospektive Studien zu definieren, welche Myelompatienten von der Strategie einer frühen allogenen Transplantation mit potenzieller Kuration tatsächlich profitieren können.

Was ich aus diesem Symposium in meine klinische Routine mitnehme, ist sicherlich die Möglichkeit der Zostervakzination, besonders für Patienten nach Hochdosischemotherapie. Bezüglich der monoklonalen Gammopathien mit klinischer Signifikanz wurden gute Abklärungsalgorithmen präsentiert. Entscheidend ist hier aber die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Fachgebieten Pathologie, Neurologie, Kardiologie und Nephrologie, um die anfangs oft unspezifischen und unklaren Beschwerden der Patienten rasch einer richtigen Diagnose und Therapie zuordnen zu können.

Zusammenfassend fand ich an diesem Symposium wichtig, dass nicht nur die myelomspezifische Therapie selbst im Mittelpunkt stand, sondern auch die notwendige Supportivtherapie beleuchtet wurde, welche ein wichtiger Baustein für das Wohlbefinden der Patienten ist. Ich fand es auch sehr gut, die eher selteneren Plasmazellerkrankungen bezüglich der interdisziplinären Abklärungs- und Behandlungsmöglichkeiten zum Thema zu machen. Weiters finde ich es sinnvoll, die allogene Stammzelltransplantation als eigentlich „alt bekannte“ Therapiealternative für eine ausgewählte und sicherlich eher kleine Patientenpopulation neu zu evaluieren, da diese Option weiterhin bislang die einzige Behandlungsmöglichkeit mit kurativem Potenzial darstellt.