Akute myeloische Leukämie

Univ.-Prof. Dr. Michael Pfeilstöcker, 3. Medizinische Abteilung, Hanusch-Krankenhaus Wien, fasst die wichtigsten Aspekte zur akuten myeloischen Leukämie (AML) zusammen, die im Rahmen der virtuell stattfindenden Jahrestagung der DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie) von einem Expertenteam beleuchtet wurden. Einerseits beinhaltet dies Empfehlungen zum Management der Erkrankung, andererseits auch aktuelle Diskussionspunkte sowie künftige Perspektiven.

MRD-Diagnostik – aktueller Stand

Während die Bestimmung der MRD, nunmehr als messbare Resterkrankung bezeichnet, in vielen Entitäten bereits breite Anwendung findet, ist dieses Konzept nun auch in der AML angekommen. Konstanze Döhner, Ulm, D, berichtete in ihrem Vortrag, dass bereits im Jahr 2017 in den ELN-Empfehlungen eine neue Response-Kategorie eingeführt wurde: „CR ohne MRD“. Laut Pfeilstöcker sieht man anhand dessen bereits den Zuwachs der Bedeutung der MRD in der Erkrankung der AML. Zudem ergab sich dadurch ein Paradigmenwechsel in der Methodik: Kamen für die Diagnostik ursprünglich immunologische Methoden (FACS) zur Anwendung, erfolgt diese nun auf genetischer Basis. Bedeutend ist MRD vor allem beim Nachweis eines Relaps. Diskutiert wird hierbei, ob frühzeitig interveniert werden soll, vor allem im Kontext der allogenen Stammzelltransplantation, und inwieweit eine MRD-Bestimmung ein Surrogat-Endpunkt sein kann. Der Benefit bei den Core-binding-factor (CBF) Leukämien ist etabliert, betrifft laut Pfeilstöcker allerdings nur 50 % der Patienten (bei den älteren Patienten noch weniger). Mittels Next-Generation-Sequencing (NGS) sind mehr Parameter erfassbar. In diesem Bereich ist die Forschung noch im Fluss, in diversen Studien wird hier aktuell die Rolle verschiedener Mutationen in der MRD evaluiert.

Therapie

Fitte Patienten: Im Vortrag von Christoph Röllig, Dresden, D, wurde über die Integration „neuer“ Substanzen in die Erstlinientherapie bei fitten Patienten diskutiert. Konkret ging es um die zugelassenen Substanzen Midostaurin, Gemtuzumab Ozogamicin und CPX-351, die bei spezifischen AML-Subgruppen bereits fix etabliert sind. Bei FLT3-mutierter AML ist laut Onkopedia-Guidelines für fitte Patienten Midostaurin zur Standardinduktion zuzugeben, bei AML-MRC oder therapieinduzierter AML sollte CPX-351 anstelle von Standardinduktion eingesetzt werden. Die Zugabe von Gemtuzumab Ozogamicin zum ersten Zyklus der Induktion ist zudem laut Onkopedia-Guidelines für CD33-positive AML-Patienten mit CBF-Zytogenetik oder NPM1-Mutation stark empfohlen (und als optional bei CD33-positiver AML mit intermediärem Risiko). Insbesondere sind laut Pfeilstöcker noch weitere Studiendaten abzuwarten, um zu evaluieren, ob CPX-351 auch für jüngere Patienten Standard werden sollte. Ist keine allogene Stammzelltransplantation möglich, sind die oben angeführten Substanzen in entsprechenden Subgruppen auch als Teil einer konsolidierenden Chemotherapie zugelassen.

Ältere oder unfitte Patienten: Venetoclax in Kombination mit Azacitidin kristallisiert sich laut dem Vortrag von Walter Fiedler, Hamburg, D, als neuer Standard für ältere, unfitte AML-Patienten heraus. In der entsprechenden Phase-III-Studie zeigte die Kombination ein Gesamtüberleben (OS) von 14,7 Monaten vs. 9,6 Monaten in der Placebo-Gruppe. Als weitere vielversprechende Substanzen wurden die IDH1-Inhibitoren Ivosidenib und Olutasidenib sowie der IDH2-Inhibitor Enasidenib diskutiert, die als Monosubstanz Response in Phase-I/II-Studien bei Patienten mit rezidivierter/refraktärer AML lieferten und in der Erstlinie in Kombinationstherapien geprüft werden. Die Addition von Glasdegib zu Low-Dose-Cytarabine resultierte ebenfalls in einem signifikanten OS-Benefit, allerdings in niedrigeren absoluten Zahlen (8,8 vs. 4,9 Monate). Wichtig ist laut Pfeilstöcker die Erkenntnis, dass ein molekulares Profiling auch bei älteren AML-Patienten indiziert ist, um eine optimale Therapie zu selektieren. Zusätzlich besteht gerade in dieser Patientengruppe der Bedarf an einer verträglichen Therapieoption.

Erhaltungstherapie: Andreas Burchert, Marburg, D, berichtete in seinem Vortrag darüber, dass die Erhaltungstherapie in der AML angekommen ist. So profitierten laut Pfeilstöcker AML-Patienten > 55 Jahre, die für eine allogene Stammzelltransplantation nicht in Frage kamen und eine CR erreichten, unter Azacitidin im oralen Setting als Erhaltungstherapie mit einer OS-Verlängerung von 14,8 auf 24,7 Monate.

Neue Targets: Aus dem Vortrag von Steffen Böttcher, Zürich, CH, ging hervor, dass zumindest in den Zentren NGS als Routinetool in der Diagnostik angekommen ist. Obwohl bereits viel Information über die involvierten Gene und die Biologie der Erkrankung bekannt ist, fehlt es oft noch an der konkreten Umsetzung in die Therapie. Diverse Substanzen finden sich in klinischen Studien in Prüfung (z. B. der p53-basierte Therapieansatz mit der Substanz APR246 in einer Phase-II-Studie). Einen gänzlich neuen Therapieansatz stellen die Immuntherapien dar, die von Marion Subklewe, München, D, präsentiert und diskutiert wurden: CAR-T-Zellen, Antikörper (z. B. Magrolimab). Diese Therapieoptionen befinden sich aktuell im Setting von Phase-I/II-Studien.