Innovation: Bitte warten!

Die Motivation vonseiten der Unternehmen, hierzulande Innovationen zum Patienten zu bringen, sinkt. Was ist der Grund?

Es ist so gut wie unmöglich, im Vorfeld der Vermarktung eines Medizinproduktes abzuklären, ob innovative Produkte und Techniken, die viele Jahre Entwicklungszeit und -investition erforderlich gemacht haben, dann auch von der Sozialversicherung erstattet werden. Das führt dazu, dass Konzerne, die innovative Produkte auf den Markt bringen wollen, möglicherweise zuerst andere Länder ins Auge fassen und Österreich nur mehr mit der vorletzten oder sogar noch älteren Produktgeneration beliefern. In den Tariflisten für Heilbehelfe und Hilfsmittel werden Innovationen wie „Me-too-Produkte“ behandelt. So werden zum Beispiel bei Verbandsstoffen die Preise ausschließlich nach Quadratzentimeter-Fläche verglichen. Dazu kommt, dass ein neu eingereichtes Produkt preislich günstiger sein muss als das derzeit billigste Produkt. Alle anderen Aspekte des Produkts werden ignoriert. Das stößt auf Unverständnis und sorgt nicht dafür, dass ein innovativer Zusatznutzen honoriert oder sogar gefördert wird.

Welche Konsequenzen hat das?

Leidtragender ist der Patient. Bei ihm werden neueste Therapien nicht ankommen, die Produktvielfalt wird immer mehr eingeschränkt. Mit den neuen EU-Verordnungen schaffen es viele Produkte ohnehin nicht mehr auf den Markt oder müssen aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit eingezogen werden. Die Rechnung geht dann nicht mehr auf. Denn betriebswirtschaftlich betrachtet heißt das: Je schmäler das Portfolio im eigenen Betrieb, desto höher sind die Kosten und desto höher ist das Risiko.

Österreich ist also innovationsfeindlich?

Sagen wir es so: Die Innovationsfähigkeit ist geschwächt und wir sind weit davon entfernt, unser Innovationspotenzial voll auszuschöpfen. Wir haben gut gefüllte Fördertöpfe, aber der Zugang ist nach wie vor kompliziert. Der Bürokratieaufwand ist hoch, die Wege, über die ein Unternehmen zu diesem Geld kommt, sind oft sehr kompliziert – viele Fördertöpfe werden somit nicht ausgeschöpft.
Zudem haben wir in Österreich keine Benannte Stelle mehr, uns fehlt also eine Zulassungsbehörde für neue Produkte. Die Anzahl der Benannten Stellen in Europa ist drastisch gesunken und Unternehmer müssen sich bei den wenigen verbleibenden Benannten Stellen um einen Termin bemühen, das erhöht die Wartezeit. Damit steigen die Kosten doppelt: Produkte müssen bei ausländischen Benannten Stellen eingereicht werden und kommen erst zeitverzögert auf den Markt. In den kommenden Jahren werden sich diese Wartezeiten darüber hinaus noch deutlich verlängern und Start-ups werden es schwer haben, Ihre Produkte zeitgerecht zertifiziert zu bekommen.

Von welchen Dimensionen sprechen wir hier?

In der In-vitro-Diagnostik waren es bisher rund 20 % der Produkte, die eine Benannte Stelle für ihr Zulassungsverfahren benötigt haben. Nach den neuen EU-Regelungen werden es zumindest 80 % sein. Allein bei den In-vitro-Diagnostika erwartet uns also eine Vervierfachung des Bedarfs bei einer weiter rückläufigen Zahl an Benannten Stellen in Europa. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Engpasssituation konkret auswirken wird und wie die EU-Kommission gedenkt, darauf zu reagieren.

Welche Lösungen bietet die AUSTROMED, die Interessenvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen, zu diesen Herausforderungen an?

Wir agieren als Bindeglied zu Förderagenturen und machen unseren Mitgliedern die Fördermöglichkeiten so transparent wie möglich. Im regulatorischen Bereich sind wir mit den politischen Entscheidungsträgern im laufenden Dialog und bereiten unsere Unternehmen so gut wie möglich auf die kommenden Neuerungen vor, zum Beispiel durch regelmäßige Informationsveranstaltungen sowie eine stete Information über die aktuelle legistische und gesundheitspolitische Situation. Wir bemühen uns um größtmögliche Transparenz in Sachen Erstattungssystem und hoffen, dass die Neuordnung des Krankenkassensystems auch hier Verbesserungen bringt.