Die wesentliche Rolle der Pathologie in der Präzisionsonkologie

Die Weiterentwicklung der Molekularpathologie war ein Meilenstein der letzten zehn Jahre auf dem Fachgebiet der Pathologie. Warum Vernetzung und Digitalisierung in den kommenden Jahren wesentlich sind, um die zuverlässige und rasche Arbeit der Pathologen weiterhin zu gewährleisten, erklärt Prim. Dr. Christa Freibauer im Interview.

Wie haben die aktuellen Ereignisse rund um SARS-CoV-2 Ihren klinischen Alltag beeinflusst? Welche nennenswerten Entwicklungen gab es in Ihrer Abteilung?

Schon Mitte März wurde von klinischer Seite mit aller Vehemenz die Etablierung der SARS-CoV-2-Testung gefordert. Die Implementierung der SARS-CoV-2-PCR wurde innerhalb weniger Tage zum Hauptthema an unserem Institut und hat alle Abläufe bestimmt. Ungewohnte Rahmenbedingungen bei der Beschaffung von Reagenzien oder Verbrauchsgütern wie etwa Produktionsschwierigkeiten und Lieferengpässe und erschwerte Personaleinsatzplanung erforderten ein hohes Maß an Kreativität und Flexibilität sowie abteilungsübergreifende Kooperation und Kommunikation. Die gelungene Umsetzung der Aufgabe war letztlich ein großes Erfolgserlebnis.

Pathologie im Jahr 2010 vs. 2020: Was waren für Sie die wesentlichsten Entwicklungen („Meilensteine“) der vergangenen zehn Jahre?

Ausgehend vom eigenen klinisch orientierten Pathologieinstitut waren in den letzten zehn Jahren vor allem die Weiterentwicklung und Standardisierung der Molekularpathologie wesentlich. Von der Bestimmung prädiktiver Marker mithilfe von Immunhistochemie und In-situ-Hybridisierungstechniken haben wir uns rasch über PCR-Methoden in die Welt des Next-Generation Sequencings (NGS) bewegt. Damit haben sich für Pathologen sowie Patienten zahlreiche Möglichkeiten aufgetan. Mit den Sequenziermethoden können wir sehr präzise, rasch und flexibel auf neue Anforderungen in der Tumordiagnostik reagieren.

Welche Rolle nimmt der Pathologe aktuell in der Tumorbehandlung (Stichwort Präzisionsonkologie) ein?

In sämtlichen Phasen einer Krebserkrankung spielen die Diagnosen bzw. Befunde des Pathologen eine entscheidende Rolle – bei der Primärdiagnose, vor und nach einer Operation, zur Risikoeinschätzung von Rezidiven und später in der Abklärung einer rezidivierten oder metastasierten Erkrankung. Diese Diagnosen stellt der Pathologe verlässlich, nach gültigen Standards, reproduzierbar und ohne zeitliche Verzögerung. Welche Therapie bzw. -kombination tatsächlich zum Einsatz kommt, wird im modernen Management von Krebserkrankungen im multidisziplinären Konsens in den bestens etablierten Tumorboards entschieden, in denen der Pathologe ein fixer Partner ist. Die Arbeit des Pathologen bedeutet damit für die Patienten nicht nur verlängertes Überleben, sondern gleichzeitig eine verbesserte Lebensqualität und das Vermeiden von Übertherapie.

Was sind die aktuellen Herausforderungen für Pathologen/Molekularbiologen in der Onkologie?

Die Klinische Pathologie und Molekularpathologie kann zum Nadelöhr der onkologischen Versorgung bzw. gezielten Tumortherapie werden. Es ist daher wünschenswert, dass die Versorgung der Patienten mit Pathologieleistungen vor Ort – in einem homogenen Netzwerk von Pathologieinstituten, die im Idealfall miteinander kooperieren – rasch und präzise erfolgen kann. Es werden sich neue Berufsbilder im Gesundheitswesen entwickeln müssen, um die Pathologen administrativ zu entlasten und ihnen eine Konzentration auf ihre Kernkompetenzen zu ermöglichen.

Wie kann das Zusammenspiel zwischen Pathologen und Behandlern in Österreich noch weiter verbessert werden? Welche Initiativen wären wünschenswert?

Verknüpft mit einem tragfähigen Netzwerk von Pathologieinstituten brauchen wir den Ausbau eines nationalen, digitalen Netzwerkes, das den Austausch von Patienten- und Krankheitsdaten gewährleistet und die digitale Kommunikation ermöglicht. Das Pathologieinstitut wird auch in Zukunft vor allem die Funktion haben, die Aufgaben der Pathologie vor Ort rasch und qualitätsgesichert im klinisch-pathologischen Zusammenspiel zu erledigen.

Interview mit:
Prim. Dr. Christa Freibauer
Institut für Klinische Pathologie und Molekularpathologie,
Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf