Experten-Kommentare ÖCCO 2018

 


Prim. Univ.-Prof. Dr. Markus Peck-Radosavljevic, Abteilung für Innere Medizin und Gastroenterologie, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee

Neue Kombinationstherapien bei CED – Wo stehen wir?

Die hohen Ziele bei CED, nämlich sowohl die mukosale Heilung als auch komplette Remission der biochemischen Marker wie z.B. des fäkalen Calprotectins, werden in manchen Fällen schwer durch eine Monotherapie mit einer Substanz zu erzielen sein. Der Grund ist, dass die Entzündungs-Pathways in der Zelle sehr komplex sind und es deshalb nicht immer durch einen einzigen Angriffspunkt gewährleistet werden kann, die Entzündung komplett zur Abheilung zu bringen. Trotz relativ schlechter Datenlage in Österreich, zeigte eine interaktive Abstimmung im Auditorium, dass einige Kollegen die Kombinationstherapien bereits einsetzen.

Datenlage: Die Kombinationsidee stammt aus älteren Studien, in denen ein Anti-Metabolit mit einem Biologikum kombiniert wurde. Mit dieser Kombination konnte ein gutes Ansprechen erzielt werden. In einer frühen Studie konnte gezeigt werden, dass durch die Kombination von Infliximab plus Natalizumab* bei Patienten, die auf die erste Substanz nicht angesprochen haben, noch einmal ein 30%iges Ansprechen durch die Zugabe der zweiten Substanz erreicht werden konnte. Die Kombination wird allerdings heute nicht in der Behandlung der CED eingesetzt. Bei den aktuell eingesetzten Substanzen ist die Datenlage sehr spärlich. Vom pathophysiologischen Gesichtspunkt würde man gerne Substanzen kombinieren, die unterschiedliche Angriffspunkte haben, beispielsweise einen TNF-Blocker in Kombination mit einem Anti-Integrin oder einen TNF-Blocker mit einem Anti-IL12/23-Antagonisten. Diesbezüglich ist in Kürze mit ersten Daten zu rechnen. Mit Stand September 2018 stellt sich die Evidenz als unzureichend dar.

Derzeit ist für den klinischen Alltag einzig das Wissen aus Case Reports relevant, als dass man in Einzelfällen bei quasi nicht behandelbaren Patienten mit Kombinationen grundsätzlich eine denkbare Therapievariante hätte. Eine weitere praktische Relevanz kommt möglicherweise daher, dass von einigen älteren Substanzen Biosimilars auf den Markt kommen. Bislang war die Kombination zweier kostenintensiver Substanzen exorbitant teuer. Durch Biosimilars ergibt sich eine kostengünstigere Variante in der Kombination.

An unserer Abteilung am Klinikum Klagenfurt haben wir bislang zwar keine zwei Biologika kombiniert, aber Anti-Metabolite mit Biologika – dies funktioniert gut.

* Disclaimer: Natalizumab ist in Österreich nicht zur Behandlung von CED zugelassen.

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Dr. Eva Mattes, 2. Medizinische Abteilung, Universitätsklinikum St. Pölten

Sicher & wirksam: Vedolizumab in der Erstlinie zur Behandlung von Morbus Crohn

TNF-α-naive Patienten mit Morbus Crohn zeigen ein besseres Ansprechen auf Vedolizumab, bei Biologika-naiven Patienten ist gar ein früheres Ansprechen möglich. TNF-α-Blocker werden vor allem bei allen extraintestinalen Manifestationen eingesetzt und eignen sich bei Patienten mit komplexen Fisteln und mit hoher Crohn-Aktivität. Vedolizumab kommt bei Crohn-Patienten mit Komorbiditäten (beispielsweise Herzinsuffizienz und Multiple Sklerose) zum Einsatz, aber auch bei Infektneigung (da Vedolizumab darmselektiv ist) und bei älteren Patienten. Bis auf eine Subgruppenanalyse (Patienten älter als 55 Jahre) in der GEMINI-Studie gibt es allerdings noch keine größeren Studien zu Vedolizumab bei älteren Patienten.

Von klinischer Relevanz ist sicherlich, dass unter Vedolizumab ein früheres Ansprechen möglich ist. Aber auch dass Vedolizumab am besten bei kolonischem Befall (vor allem rechtsseitig) wirkt. Das größte Argument für den Einsatz von Vedolizumab in der Praxis ist sicherlich die Darmselektivität.

Fachkurzinformation


 


Dr. Karoline Sonneck, 4. Medizinische Abteilung mit Gastroenterologie, Hepatologie, Zentralendoskopie und Onkologie, Krankenanstalt Rudolfstiftung

Stuhltransplantation bei CED

Die Stuhltransplantation oder auch die fäkale Mikrobiota-Transplantation kann als vielsprechender Therapieansatz für die Behandlung von Patienten mit Colitis ulcerosa und möglicherweise Morbus Crohn angesehen werden. Für Colitis ulcerosa gibt es nun auch erste kontrollierte Studien, in denen sich ein Ansprechen von durchschnittlich 30% zeigt. Das heißt, die Veränderung des Mikrobioms, von dem wir seit Jahren um dessen Bedeutung wissen, steht nun als therapeutischer Ansatz zur Verfügung.

Als CED-behandelnder Arzt oder –behandelnde Ärztin sollte diese Therapie gemeinsam mit dem Patienten in Erwägung gezogen werden. Steht die Therapie an der eigenen Abteilung nicht zur Verfügung, kann der Patient an eine Abteilung überwiesen werden, an der die Stuhltransplantation durchgeführt wird. Patienten sollten aufgeklärt werden, dass man mit dieser Therapie noch am Anfang steht. Ebenso müssen Patienten wissen, dass eine einzige Therapie nicht genügt und je nach Studienprotokoll ca. 2-6 Behandlungen notwendig sind.

An der Krankenanstalt Rudolfstiftung wird die Stuhltransplantation, primär bei Patienten mit refraktärer Clostridien-Infektion, angewandt. Bei einzelnen Patienten wird die Methode als Heilversuch eingesetzt. Es sollten weitere Studien abgewartet werden, um die Anwendungsprotokolle konkret festzulegen und mit dem Patienten über Erfolgsraten zu sprechen.

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OA Dr. Patrick Dinkhauser, Abteilung für Innere Medizin I, Klinikum Wels-Grieskirchen

Endoskopie bei CED

Die Einschätzung des jeweiligen Schweregrads bei CED ist sehr stark vom Untersucher abhängig. Als wichtiger Aspekt zur Durchführung einer Endoskopie bei CED-Patienten ist die richtige Indikationsstellung hervorzuheben. Dabei ist zu erwähnen, dass jede Diagnose einer CED naturgemäß endoskopisch evaluiert und abgeklärt werden sollte. Im weiteren Verlauf werden diese Untersuchungen benötigt, um bei Therapieeinleitung die aktuelle Situation im Darm zu beurteilen; bei Patienten mit Morbus Crohn um prä- und postoperativ eine Einschätzung zu nehmen und im Falle von Komplikationen diese zu evaluieren bzw. auch behandeln zu können.

Zur Surveillance-Endoskopie, also den Kontrollendoskopien im Verlaufe der Erkrankung, liegen aktualisierte Richtlinien und Empfehlungen der ÖGGH vor. Diese besagen, dass circa 6 Jahre nach Erstdiagnose eine erste Verlaufsendoskopie erfolgen sollte, danach sind in Abhängigkeit des individuellen Risikos des Patienten in unterschiedlichen Intervallen weitere Endoskopien zur Verlaufs- und Risikobeurteilung der Erkrankungsmanifestation indiziert. Die korrekte Durchführung einer Endoskopie erfordert das Erreichen des terminalen Ileums; wenn dieses nicht eingesehen werden kann, soll dies im Befund dokumentiert werden. Es sei darauf hingewiesen, dass egal ob Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa, eine gewisse Anzahl an Gewebeproben zu entnehmen ist – und zwar auch aus gesundem Gewebe. Es werden Proben aus zumindest fünf Abschnitten des GI-Trakts gefordert, beginnend vom terminalen Ileum über vier unterschiedliche Regionen des Kolons, wobei zumindest zwei (optimalerweise vier) Proben pro Region zu entnehmen sind.

In der CED-Ambulanz und Endoskopie am Klinikum Wels-Grieskirchen wurde ein Großteil der Empfehlungen der ÖGGH und des ECCO bereits umgesetzt. Die individuelle, untersucherabhängige Einschätzung des Schweregrads der CED muss immer wieder vor Augen geführt werden. Weder die makroendoskopischen Befunde im GI-Trakt, die im Rahmen der Endoskopie dokumentiert werden, noch die Histologie können eindeutige befundbeweisende Aspekte liefern. Im klinischen Alltag kommt es immer wieder vor, dass sich Diagnosen nicht eindeutig zuordnen lassen oder sich im Krankheitsverlauf wandeln können. So kommt es bei circa 10 % der Patienten in den ersten beiden Erkrankungsjahren zu einem Wandel der Diagnose.

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Prim. Univ.-Prof. Dr. Markus Peck-Radosavljevic, Abteilung für Innere Medizin und Gastroenterologie, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee

Moderne Therapieziele bei CED

Die Kernthemen sind das Treat-to-Target-Konzept und der Versuch von personalisierten Therapien bei CED. Dieses Konzept ist seit einigen Jahren en vogue; es wird nicht erst auf eine klinische Verschlechterung des Patienten gewartet, sondern die Therapie anhand endoskopischer oder biochemischer Marker sehr frühzeitig eskaliert oder auch deeskaliert. Damit kann eine höhere Rate an vollständiger Remission erzielt und erhalten werden, vor allem lässt sich aber eine höhere Krankheitsaktivität stoppen. Das subjektive Empfinden des Patienten einerseits und die endoskopische Heilung des Darms andererseits sind Schlüsselmarker. Als wichtige Zusatzmarker dienen die histologische und die biochemische Remission. Dass das Monitoring mittels fäkalem Calprotectin ein sehr wichtiger Marker für das Management von CED-Patienten ist, bestätigte sich in der CALM-Studie und ist auch für den klinischen Alltag von besonderer Relevanz. Über die Wertigkeit dieses Biomarkers im Therapiealgorithmus ist man sich in Expertenkreisen jedoch noch nicht einig. In der Praxis wird in Zukunft auch die Immunogenität von Biologika ein relevantes Thema sein.

Am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee wird für das Management der CED-Patienten mittlerweile regelmäßig das Monitoring der Krankheitsaktivität mittels fäkalem Calprotectin eingesetzt und als großer Vorteil für die Therapiesteuerung angesehen.

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OA Dr. Gerold Hartmann, Abteilung für Innere Medizin, Landesklinikum Scheibbs

Seltene Manifestationen und Komplikationen von CED

Dass extraintestinale Manifestationen bei CED häufig Gelenke und Haut betreffen, ist bekannt. Weniger bekannt sind neurologische oder pulmonale Manifestationen, eine Beteiligung der Nieren, eine Fettleber oder auch eine Amyloidose. In der klinischen Praxis ist es wichtig, an jene seltenen Manifestationen zu denken, die mit der Grunderkrankung im Zusammenhang stehen können.

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OA Dr. Nina Mitrovits, Abteilung für Innere Medizin II (Gastroenterologie und Onkologie), Krankenhaus Barmherzige Brüder Krankenhaus, Eisenstadt

Seltene Manifestationen und Komplikationen von CED

Die bekanntesten seltenen Manifestationen bei CED sind Erythema nodosum und Pyoderma gangraenosum. Sehr selten sind extraintestinale Manifestationen, allen voran die Beteiligung von Ohr und Auge, bei denen man – vor allem bei Erstmanifestation – auch an chronisch entzündliche Darmerkrankungen denken kann und sollte. Bei Patienten, die an der Klinik erstmalig wegen Bauchschmerzen vorstellig werden und bei denen im Ultraschall Lebermanifestationen auftreten, sollte man bedenken, dass diese Manifestationen ursächlich für CED sein können.

Im klinischen Alltag tritt die primär sklerosierende Cholangitis häufig mit Colitis ulcerosa auf. Weniger häufig sind pulmonale Affektionen oder neurologische Symptome (wie Vergesellschaftung mit multipler Sklerose oder M yasthenie). Bei stationär aufgenommenen CED-Patienten, die bekannterweise häufig Embolien entwickeln können, ist eine Thromboseprophylaxe als sinnvoll zu erachten.

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OA Dr. Gerold Hartmann, Abteilung für Innere Medizin, Landesklinikum Scheibbs

Transition bei CED – Was wir über unsere jungen Patienten nicht wissen

Bei der pädiatrischen CED sind die Raten an Komplikationen und Koloskopien deutlich höher als bei erwachsenen CED-Patienten. Bei jungen Patienten liegt die Koloskopierate bei 40%. Wichtig ist die Übergangsphase zwischen kindlicher Gastroenterologie und der Erwachsenengastroenterologie – in dieser Phase ist die Kommunikation zwischen dem pädiatrischen Gastroenterologen und dem Gastroenterologen für Erwachsene sehr wichtig. Darüber hinaus sollte die Zusammenarbeit in dieser Übergangsphase auf andere Disziplinen, wie etwa Psychotherapie, ausgeweitet werden; die Eltern sollten ebenfalls einbezogen werden.

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