Pflege-Führungskräfte-Barometer: „Wir brauchen radikal neue Denkmuster“

Es ist mehr als irritierend, dass die Pflege als ­unverzichtbarer Teil der Gesundheitsversorgung im politischen Denken und Handeln immer noch ausgeblendet wird“, bilanziert Ursula Frohner, ­Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV), die Ergebnisse des „Pflege-Führungskräfte-Barometer“ 2016, in dem österreichweit die Pflegesituation erhoben wurde.
Im Auftrag des ÖGKV hat das Beratungsunternehmen health care communication insgesamt 1.577 Pflege-Führungskräfte in allen Bundesländern ­befragt. Die Beteiligung lag bei etwa 60%. Die Ergebnisse sind selbst für Kenner der Materie überraschend und über weite Strecken besorgniserregend.

Vielfältige Belastungen. Dabei ist es nicht die Führungsarbeit an sich oder die herausfordernde Arbeit am Krankenbett, die den Pflegekräften am meisten zusetzt: „Vielmehr werden die vielen ­laufenden Veränderungsprojekte und die ökonomischen Rahmenbedingungen als stark belastend ­erlebt, wie Arbeitspsychologe Mag. Alexander ­Engelmann erläutert. Als noch belastender in der Führungsarbeit werden der Personalstand und die abnehmende Qualifikation des Personals empfunden. So stufen etwa die Wiener Führungskräfte diese Themen auf der sechsteiligen Skala mit deutlich über 5 ein! Dieser Befund gilt mit leichten Abstrichen bundesländerunabhängig für ganz Österreich.
Ähnlich hohe Werte erreicht das Thema „Ethnische Bedürfnisse“. „Die Aufgabe, mit der zunehmenden Multikulturalität sowohl innerhalb der Belegschaft wie auch unter den Patienten umzugehen, wird von den meisten als zentrale Herausforderung empfunden.“

Potenziale und Stärken. Trotz aller Probleme ­verfügen die Führungskräfte über ausreichendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die Frage nach der „Selbstwirksamkeitserwartung“ erreicht bei den älteren Befragten mit 5,26 einen Spitzenwert, bei den jüngeren liegt er mit 4,98 auch sehr hoch. Ebenfalls positiv wird das Verhältnis innerhalb der Teams erlebt (Teamklima: 4,95 bei Über-40-Jährigen, 4,67 bei Jüngeren).

Welche Unterstützung wünschen sich Pflegekräfte? Hier rangieren Hilfe bei der Teamentwicklung, neue Instrumente im Umgang mit Konflikten sowie Methoden zur Stressbewältigung ganz oben auf der Wunschliste der Führungskräfte. Für Mag. Karl Schwaiger, Vizepräsident des ÖGKV und Vorsitzender der Vereinigung der PflegedirektorInnen Österreichs (ANDA), sind das Hoffnung machende Ansätze.

Neue Denkmuster. „Um eine wirklich prozess­orientierte Versorgung auf höchstem Niveau sicherstellen zu können, braucht es neue Weichen­stellungen und radikal andere Denkmuster“, fordert Frohner. Neben der dringend notwendigen Vernetzung des Pflegemanagements mit anderen Sozialeinrichtungen müsse die Abstimmung auch innerhalb der Krankenhäuser deutlich gestärkt werden: „Es kann nicht sein, dass OP-Kalender immer noch ohne Rücksicht auf die pflegerischen Erfordernisse erstellt werden. Ziel muss es sein, dass Strukturen und Abläufe im Klinikalltag künftig von Pflegekräften und medizinischem Personal gemeinsam ­gestaltet werden.“ Und last, not least: Zusätzliche Aufgaben bedingen auch zusätzliche Personal­ressourcen.

Quelle: B&K – Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung; 2. 6. 2016

Klinik 03|2016

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2016-07-01