Welche Bedürfnisse in der Kommunikation bestehen auf onkologischen Stationen?

Die Psychoonkologie ist eine interdisziplinäre Fachrichtung, deren Aufgabe die Betreuung und Unterstützung von Patient:innen bzw. deren Angehörigen ist. Psychoonkologie findet im stationären wie auch im ambulanten Setting statt. Wie können erwachsene Patient:innen von psychoonkologischer Betreuung profitieren? Welche Ziele der Psychoonkologie gibt es im klinischen Setting, und warum nehmen viele Patient:innen das Angebot nicht an?

Man geht heute davon aus, dass etwa jeder dritte Krebspatient/jede dritte Krebspatientin unter psychischen Symptomen leidet. Zu den häufigsten psychischen Symptomen gehören Ängste, Depressionen und Anpassungsstörungen.1 Den Wunsch nach professioneller psychoonkologischer Unterstützung gibt ebenfalls circa ein Drittel aller Patient:innen an.2 Im Akutkrankenhaus bieten meist psychologische Konsiliar- und Liaisondienste diese spezialisierte Versorgung an. Die psychoonkologische Betreuung sollte günstiger Weise mit der medizinischen Diagnosestellung beginnen und kann sich bei Bedarf durch die gesamte Behandlungsdauer erstrecken (und auch darüber hinaus). Patient:innen mit einer Rezidiverkrankung oder im palliativen Setting können ebenfalls von einer psychoonkologischen Betreuung profitieren. Ein wichtiger Faktor ist die frühzeitige und valide Erfassung behandlungsbedürftiger Symptome. Die Beurteilung der psychischen Belastung kann im ärztlichen Gespräch oder mithilfe von psychosozialen Screening-Fragebögen routinemäßig erfolgen. Die S3-Leitlinie Psychoonkologie empfiehlt zusätzlich, dass der individuelle psychosoziale Unterstützungswunsch des Patienten/der Patientin erfasst wird.

Psychoonkologie im Akutkrankenhaus: Flexibel bleiben

Das psychoonkologische Unterstützungsangebot wird jedoch von vielen Patient:innen, die unter einer hohen psychischen Belastung leiden, nicht angenommen. Eine mögliche Ursache ist, dass die Angst, neben einer Krebserkrankung zusätzlich an einer psychischen Störung zu leiden, von Patient:innen als stigmatisierend erlebt wird, und daher werden psychische Belastungen nicht angesprochen und vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten nicht genutzt.3 Weitere mögliche Gründe für die Ablehnung sind, dass Patient:innen es alleine schaffen wollen, niemandem zur Last fallen wollen oder wenig Vorstellungen vom positiven Nutzen einer psychoonkologischen Versorgung haben.4 Beziehungsaufbau bzw. „ins Gespräch zu kommen“ ist eine zentrale Aufgabe der Psychoonkologie. Gerade im Akutkrankenhaus ist die psychoonkologische Versorgung der medizinischen Behandlung untergeordnet. Das bedeutet, dass die psycho­onkologische Betreuung von den Abläufen der jeweiligen Station oder Ambulanz mitbestimmt wird. Gespräche finden beispielsweise nicht immer ungestört statt, da Patient:innen zu Untersuchungen oder Behandlungen abgeholt werden oder auch kein eigener Gesprächsraum zur Verfügung steht. Psychoonkologie im Krankenhaus bedeutet daher auch immer größtmögliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit für die jeweilige Situation.

Eine gemeinsame Sprache finden

Im Erstkontakt ist vor allem das subjektive Erleben der Patient:innen ein zentraler Bestandteil des Gesprächs – es geht darum, welche Bedeutung die Krebserkrankung für den Patienten/die Patientin hat. Häufig stellt sich die Frage nach dem Warum, den subjektiven Krankheitstheorien der Betroffenen, und welchen Anteil die Psyche an der Krebsentstehung hat. Im psychoonkologischen Gespräch ist es wichtig, dem Patienten/der Patientin einen wertfreien Raum für seine/ihre Gedanken zu geben und dessen/deren Sichtweise vorsichtig zu hinterfragen und gegebenenfalls Alternativen aufzuzeigen.
Die Psychoonkologie kann bei der Kommunikation des Patienten/der Patientin mit dem Behandlungsteam unterstützen. Gerade im Akutkrankenhaus, wenn viele medizinische Entscheidungen getroffen werden müssen, sind ärztliche Gespräche oder Visitensituationen für Patient:innen mitunter sehr belastend. Manche Patient:innen tun sich schwer, Fragen zu stellen oder ihre Anliegen vorzubringen. Psychoonkologie kann unterstützend für die Arzt-Patienten-Kommunikation wirken und dabei helfen, eine „gemeinsame“ Sprache zu finden. Das Einberufen von interdisziplinären Fallbesprechungen hat sich dabei als sehr hilfreich erwiesen.

Beraten und informieren

Eine weitere Hauptaufgabe ist die Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und Hilfestellung bei der Bewältigung von krankheits- und therapiebedingten Einschränkungen oder Maßnahmen (z. B. Ängste bei Bestrahlungen). Beratung und Information, das Erlernen von Entspannungsübungen sowie Hilfe bei der Aktivierung von Fähigkeiten und Ressourcen sind ebenfalls wichtige Ziele der psychoonkologischen Unterstützung.
Durch die Erkrankung können sich gewohnte Rollen der Patient:innen verändern, d. h. die Berufstätigkeit bzw. Arbeitsfähigkeit kann (vorübergehend) reduziert oder ausgesetzt werden, und damit gehen möglicherweise finanzielle Probleme einher. Autonomie und Selbstständigkeit sind durch Krankenhausaufenthalte oder medizinische Behandlungen bedroht, was die Lebensqualität des Patienten/der Patientin beeinträchtigen kann. Psychoonkologische Gespräche können helfen, neue (berufliche) Perspektiven und Ziele zu entwickeln.

Angehörigen-, Paar- und Familien­gespräche

Das psychoonkologische Behandlungsangebot umfasst auch Angehörigen-, Paar- und Familiengespräche, denn neben den Belastungen der Patient:innen gibt es häufig beträchtliche Einschränkungen und Sorgen der Angehörigen. Die Ungewissheit der Zukunft, Verlust gewohnter Strukturen, aufwändige Behandlungen, finanzielle Sorgen und eventuelle Pflegebedürftigkeit der Betroffenen bedeuten große Erschütterungen und Belastungen für das familiäre System. Physische wie psychische Veränderungen der Erkrankten können ebenfalls belasten. Vielen Angehörigen fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden oder auch passend zu handeln. Gerade für Paare können Themen wie Zärtlichkeit, Nähe und Sexualität herausfordernd werden. Erkrankt ein Elternteil eines minderjährigen Kindes, hat das gravierende Auswirkungen auf das Familienleben und kann einen Risikofaktor für die kindliche Entwicklung darstellen. Die Unterstützung der Eltern und deren Kinder in den verschiedenen Phasen der Erkrankung ist eine zentrale Aufgabe der Psychoonkologie.

Needs im palliativen Setting

Wenn die Erkrankung fortschreitet und die Situation sich in ein palliatives Setting verändert, stehen Themen wie Verbesserung der Lebensqualität durch Schmerz- und Symptomkontrolle sowie die Verringerung von psychischen und sozialen Problemen im Vordergrund.
Für Patient:innen ist die Information und Kommunikation über die Erkrankungssituation von großer Bedeutung, denn es geht um eine realitätsnahe Krankheitsverarbeitung, um die Entwicklung individueller, gemeinsam abgestimmter Behandlungswünsche sowie um die Vermeidung von Übertherapie.5 Diese palliative Phase kann sehr belastend sein, wenn Hoffnung auf Heilung nicht mehr besteht, körperliche Beschwerden und Schmerzen zunehmen und die Angst vor dem Sterben größer wird. In dieser Zeit können Psychoonkolog:innen den Erkrankten/die Erkrankte und dessen/deren Angehörige unterstützen. Die Themen Lebensende, Sterbeprozess und -ort, aber auch Trauer, Verlust und Abschiednehmen und weitere Sorgen können besprochen werden. Manchmal geht es auch nur um das gemeinsame Aushalten der „ungeheuerlichen“ Situation, ohne viele Worte zu verlieren. Erhalt der Würde, Autonomie, Respekt, Authentizität und Selbstbestimmtheit sind zentrale Aspekte für Menschen in ihrer letzten Lebens­phase.

Resümee/Ausblick

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Menschen, welche eine Krebserkrankung überleben, deutlich gestiegen. Viele Patient:innen fühlen sich psychisch belastet und würden von einer psychoonkologischen Unterstützung profitieren. Daher ist eine frühzeitige und zielgerichtete Einbeziehung der Psychoonkologie für Patient:innen und deren Angehörige sehr hilfreich. Die Auseinandersetzung mit der Erkrankung und der Lebensbedrohung sind Herausforderungen, welche durch professionelle psycho­onkologische Hilfe besser bewältigt werden können.

Referenzen: (1) Mehnert A et al., JCO 2014; 32:3540–6 (2) Faller H et al., J
Psychosom res 2016; 81:24–30 (3) Mehnert A, Lehmann-Laue A, Psychother
Psych Med 2019; 69:141–56 (4) Diegelmann C, Isermann M, Zimmermann T,
Therapie-Tools Psychoonkologie. Beltz 2020 (5) Heußner P et al., Der Onkologe
2015; 10:1069–73